Ein Arbeitspapier
Vorbemerkung: Nach dem Gender-Kongress der letzten Woche lebte ein Konflikt wieder auf, der schon eine längere Tradition hat: einer zwischen Bloggern und Kommentatoren im Netz auf der einen und politisch Aktiven in der Offline-Welt auf der anderen Seite.
Je nach Sichtweise stehen sich dabei gegenüber: Aktive, die in der realen Welt und der realen Politik etwas einsetzen, etwas riskieren und leidenden Menschen helfen vs. Blogger und Kommentatoren, die von ihrem sicheren Wohnzimmer aus die Welt erklären, aber den Arsch nicht hochbekommen. Oder: Menschen, die in ihrer ungeheuer knappen Freizeit dazu beitragen, dass im Internet endlich offene, demokratische Diskussionen geführt werden, vs. aktivistische Mackertypen, die auf die eigentlich sehr wohlwollende Bloggerszene mit irrationaler Verachtung herabblicken und für die nur diejenigen echte Männer sind, die auch ihre Haut riskieren.
Oder so.
Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich in solchen scharfen und durchaus verletzenden Auseinandersetzungen die noch immer durchgehaltene politische Isolation von Menschen ausdrückt, die sich in Geschlechterdebatten auch für die Interessen von Jungen und Männern einsetzen wollen.
Da wir also aus den Auseinandersetzungen, die wir führen müssten, weiterhin weitgehend ausgeschlossen sind – da diejenigen, die echte Missstände verantworten, sich weiterhin gelassen taub stellen können: Daher werden Vorwürfe dann eben an die gerichtet, die überhaupt zum Zuhören bereit sind. Innerhalb des Cordon Sanitaire, den Akteure wie Thomas Gesterkamp – in einer tief inhumanen Metapher, übrigens – um die Männerrechtsbewegung zu legen fordern, gehen dann eben immer wieder einmal Menschen aufeinander los, die jeweils für sich das Gefühl haben, am Ende ihrer Möglichkeiten zu agieren und dabei im Stich gelassen zu werden.

Sieht so heutzutage politisches Engagement aus? Oder ist es nötig, dafür aufzustehen?
Im August hatten Crumar, regelmäßiger Kommentator in einer Reihe von Blogs und Foren, und ich einmal versucht, in Berlin ein informelles Treffen von Akteuren in der Online- UND der Offline-Welt zu organisieren. Da damals viele der Angeschriebenen keine Zeit hatten und einige noch kurzfristig nicht kommen konnten, sagten wir das Treffen schließlich ab – mit Rücksicht auf diejenigen verbliebenen Interessierten, die eine lange Anreise gehabt hätten.
Wir trafen uns aber trotzdem – ohnehin schon in Berlin, kamen wir in einer sehr kleinen Dreiergruppe zusammen, um zu überlegen, wie wir Vorarbeiten für ein mögliches neues Treffen leisten könnten: Der Autor Gunnar Kunz, Crumar und ich.
Es war damals, am Wochenende des 21. und 22. August, schon klar, dass wir dieses Treffen im Jahr 2015 nicht mehr würden organisieren können. Ich habe selbst seit diesem Zeitpunkt keine einziges freies Wochenende mehr gehabt, hatte jeweils Termine zum Umgang mit unserem Sohn oder berufliche Termine und war ohnehin privat und beruflich absorbiert – Crumar war beruflich noch stärker eingespannt als ich – Gunnar hatte im Herbst eine Zeit voller Lesungen.
Wir hatten trotzdem zwei sehr interessante, produktive Tage. Ein paar der Ideen hielten wir hinterher in einem bewusst kurz gehaltenen Arbeitspapier fest, das wir einem weiteren Treffen zu Grunde legen wollten. Einige Ideen daraus – zum Beispiel die eines Youtube-Kanals – werden unabhängig davon mittlerweile auch schon diskutiert.
Wir veröffentlichen das Papier jetzt aber, weil wir hoffen, damit etwas zur Entschärfung der Konflikte beitragen zu können. Vorher aber noch etwas Wichtiges: einen ganz herzlichen Dank an die Organisatoren des Kongresses und alle, die zu ihm beigetragen haben!
Lucas Schoppe
Arbeitspapier, erstellt auf der Grundlage eines Treffens am 21. und 22. August 2015
Crumar, Gunnar Kunz, Lucas Schoppe
I. Auf der Basis der Menschenrechte
Wir gehen davon aus, dass Mann oder Frau als soziale Kategorien nur sehr begrenzt sinnvoll sind. Die sozialen, politischen, ökonomischen, weltanschaulichen Unterschiede zwischen Männern sind so groß, dass es keinen Sinn ergibt, eine weitgehend geschlossene, einheitliche Position zu erwarten. Für Frauen gilt das ebenso – verschiedene feministische Positionen haben nur deshalb den Eindruck erwecken können, für „die Frauen“ zu sprechen, weil sich der weitaus größte Teil der Frauen an feministischen Debatten nie beteiligt hat. Feminismus basiert in diesem Sinn auf dem Schweigen von Frauen.
Vielfalt Wenn wir uns also mit spezifischen Anliegen von Männern und Jungen beschäftigen, ist es wichtig zu akzeptieren, dass Männer ganz unterschiedlicher sozialer oder politischer Positionen dazu etwas beisteuern können.
Menschenrechte Nach unserem Eindruck bildet sich dabei allerdings eine gemeinsame Position heraus: Männer, die eigenständig und selbstbewusst an geschlechterpolitischen Debatten teilnehmen, haben nicht spezifische „Männerrechte“ im Auge, sondern sind an universellen Menschenrechten orientiert.
Grenzen Gleichwohl gibt es natürlich auch Grenzen. Massive Beschimpfungen, Bedrohungen oder Beleidigungen schaden nicht nur ernsthaften Anliegen, sondern sind auch abgesehen davon schlicht keine angemessenen Formen der Auseinandersetzung. Insbesondere aus linken Gruppen kennen wir zudem eine Radikalisierungslogik, die sich notorisch als destruktiv erweist: Wenn Einzelne oder Gruppen in einen Wettbewerb miteinander treten, immer noch radikaler als die anderen zu sein, dann formulieren sie dabei schließlich immer extremere Positionen für immer weniger Überzeugte.
II. Entwicklungen der letzten zehn Jahre
Positive Entwicklungen Wir sehen in den letzten Jahren – neben sehr negativen Tendenzen – auch ausgesprochen positive Entwicklungen. Bei geschlechterpolitischen Diskussionen werden heute Perspektiven von Männern, aber auch feminismuskritische Positionen wesentlich deutlicher, selbstverständlicher und offensiver artikuliert als noch vor fünf Jahren – in Blogs, in Kommentarspalten der Massenmedien, in Einzelfällen auch in Beiträgen dort. Eine Initiative wie Gleichmaß e.V. hat schon weite Anerkennung gefunden.
Möglichkeiten und Grenzen des Internets Die Verständigung im Netz hat aus unserer Sicht ausdrücklich einen Sinn: Während uns lange die Situation vertraut war, dass Männer in geschlechterpolitischen Diskussionen sich entweder still zurückzogen oder feministisch-misandrische Positionen übernahmen, haben die Diskussionen im Netz dazu beigetragen, dass Männer heute ihre Situation deutlich klarer, selbstbewusster – oder überhaupt einmal – artikulieren. Aus unserer Sicht erfüllen die Debatten im Netz also eine wichtige Funktion für die Formulierung von Positionen, das Sammeln von Informationen und das Durchspielen von Argumenten. Als Medium politischer Veränderungen ist das Internet allerdings nicht gut geeignet.
Daher ist es wichtig, das Online-Engagement durch eines offline zu ergänzen – oder Verbindungen zu solchem Engagement herzustellen.
III. Möglichkeiten des Engagements
Engagement online Was das Engagement online betrifft, halten wir es für sinnvoll, eine übergreifende Website einzurichten, die Texte aus den verstreuten Blogs bündeln kann und die wesentliche Informationen dauerhaft bereitstellt (zum Beispiel durch dauerhafte Verlinkungen auf das Blog „Maskulismus für Anfänger“).
Angesichts des großen Erfolges von Karen Straughan und anderen ist es deutlich, dass wir die Möglichkeiten des Internets bislang nur zu einem kleinen Teil nutzen. Wir halten wir es daher für wichtig, nicht nur mit Texten, sondern auch mit Videos zu arbeiten, etwa durch einen eigenen Youtube-Kanal.
Politisches und soziales Engagement Die Verbindungen zwischen einem Online-Engagment und dem politischen oder sozialen Engagement außerhalb des Netzes sollten in unseren Augen deutlich intensiviert werden. Es wäre beispielsweise sehr wünschenswert, wenn ein Verein wie Gleichmaß eV oder das Männerhaus in Osterode darüber berichten könnten, wie sie sich in einem ja durchaus sehr schwierigen politischen Umfeld behauptet haben: ausdrücklich auch als vorbildhafte Beispiele, die Initiativen an anderen Orten zur Orientierung dienen können.
Zudem sind Akteure wichtig, die mit Klarnamen auftreten, weil ein Offline-Engagement, etwa die Lobby-Arbeit in Institutionen, natürlich nicht anonym realisierbar ist.
Im Unterschied zu möglichen neuen Initiativen auf lokaler oder regionaler Ebene halten wir allerdings die Gründung eines weiteren Vereins im Sinne eines Dachverbands nicht für sinnvoll. Hier sollten eher die bestehenden Institutionen – MANNdat, Agens – gestärkt werden.
Spaßguerilla Insgesamt haben wir den Eindruck, dass Männeranliegen oft mit großem Ernst, auch mit Bitterkeit vorgetragen werden. Eine Spaßguerilla ist dagegen noch deutlich unterentwickelt. Dafür gäbe es noch viel Spielraum.
Crumar, Gunnar Kunz, Lucas Schoppe
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