Im dritten Teil der Reihe „Rechtspopulismus“ wird der Politikstil bzw. die Rhetorik dieses politischen Phänomens erörtert. Wer die bisherigen Teile der Reihe Rechtspopulismus verpasst hat, kann diese unter den folgenden Links nachlesen:
Reihe Rechtspopulismus (1): Erste Annäherung
Reihe Rechtspopulismus (2): Ideologie
Der charismatische Führer als Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“

Silvio Berlusconi als Vertreter des italienischen Rechtspopulismus und gleichzeitig charismatischer Führer.
Hauptmerkmal des Rechtspopulismus ist sein verabsolutierter Anspruch auf Repräsentation des Souveräns bzw. der gesamten Bevölkerung. Fortwährend dadurch implementiert, indem vom „Volk“ oder beispielsweise von der „schweigenden Mehrheit“ gesprochen wird, deren unterdrückte Interessen der charismatische Führer aufnimmt und artikuliert. Appelliert wird an die durchaus existenten Emotionen wie Ärger, Wut, Verunsicherung, Angst, Enttäuschung etc. seiner potentiellen Wählerschaft mit der Zusicherung, ihre Interessen und Anliegen gegenüber der herrschenden Elite in Worte zu fassen bzw. zu repräsentieren und überdies die politischen Verkrustungen einer „politischen Elite“ aufzubrechen. Dabei ist die Distanz zwischen dem charismatischen Volkstribun, der als Advokat und Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“ auftritt, und dem als Einheit propagierten Volk aufgehoben.
Volkstümliche Sprache und Habitus
Der rechtspopulistische Volkstribun gibt sich dementsprechend volkstümlich: einer, der dieselbe Sprache spricht wie seine Wähler, einer zum Anfassen, einer, der aus „dem Volk“ stammt und demzufolge seiner Position als Führer Legitimation verschafft.
Insbesondere mithilfe einer unerschrockenen und volkstümlichen Sprache wird die Auflösung der Distanz zwischen dem Volk und dem charismatischen Führer erreicht; dabei werden vorwiegend unterschwellige Stimmungen der Bevölkerung aufgenommen und tabu frei artikuliert. Die Äußerungen sind dabei häufig antielitär und antiintellektuell, gepaart mit einem indifferent gestrickten Gesellschaftsbild und einer Freund-Feind-Rhetorik.
Appell an direktdemokratische Beteiligungsformen
Mit ihrem Appell nach verstärktem Gebrauch direktdemokratischer Beteiligungsformen, geht es den Rechtspopulisten insbesondere darum, die Bevölkerung gegen die politische Elite zu mobilisieren. Ungeachtet dessen, dass sich die Rechtspopulisten gerne als Anti-Partei-Partei mit Bewegungscharakter inszenieren und vermehrt basis- bzw. direktdemokratische Elemente fordern, sind die innerparteilichen demokratischen Strukturen vielfach nur rudimentär ausgebildet und haben folglich eher einen akklamatorischen Charakter.
Tabubruch als zentrales rhetorisches Stilmittel
Als bedeutendstes rhetorisches Stilmittel der Rechtspopulisten kann wahrscheinlich der beabsichtigte Tabubruch bezeichnet werden. Mit diesem markiert er die eigene Rolle als Außenseiter und zeigt zugleich an, dass er sich traut, etwas zu sagen und aufzubegehren. Eintracht, Harmonie, konsensualer Diskursstil und im weitesten Sinne „political correctness“ sind das gesellschaftspolitische Übel schlechthin. Zumal sich der charismatische Führer traut, auszudrücken, was „die schweigende Mehrheit“ nur hinter vorgehaltener Hand zu artikulieren vermag, wird er als authentischer „Mann des Volkes“ wahrgenommen. (Bauer 2016: 12 ff.)
„Der Stil der Populisten ist griffig-parolenhaft (Leibeigene der Gen-Industrie, Polit- Nomenklatura), demagogisch, simplifizierend (keine Gnade für die Täter), provokativ, maßlos übertreibend und emotionalisierend (zu Tode gespart, Globalisierungsdiktatur). Scheinbar einfache und radikale Lösungen (statt „faulen Kompromissen“) treten an die Stelle einer Analyse der gesellschaftlichen Komplexität.“ (Bauer 2016: 14)
Ein weiteres Merkmal der Rechtspopulisten ist ihre Selbststilisierung zu einem Opfer, das verfolgt und ausgegrenzt wird, obwohl es insbesondere bei der Parteielite vielfach überhaupt keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie zu einer verfolgten und ausgegrenzten Gruppe gehören würden. Hingegen werden wirkliche Opfer, die von Marginalisierung und Stigmatisierung betroffen sind, vielfach verhöhnt oder als Übertreibungen abgetan.
Spiel mit den Ängsten, Schwarzmalerei und Sündenböcke
Weitere rhetorische Stilmittel sind das Spiel mit den Ängsten (Untergang des Abendlandes wird beschworen), der Einsatz von Metaphern (Hexenjagd, Schlachtfeld, Globalisierungsmafia) oder die Verwendung von biologistischen Analogien (Ungeziefer, Melkkühe, Sündenböcke) sowie Verschwörungstheorien (z.B.: Flüchtlingskrise sei mithilfe gewisser Mächte in Gang gesetzt worden, um Deutschland zu schaden).
Der Politikstil des Rechtspopulismus konstituiert sich des Weiteren mithilfe des vielfach selbst inszenierten Skandals und mittels fortwährend propagierter Krisenerscheinungen. Mit der gütigen Beihilfe von auflagen- und sensationserheischenden Boulevardmedien, lässt sich diese Schwarzmalerei bzw. dieser Defätismus, ungeachtet dessen, ob der angeprangerte Missstand überhaupt vorhanden oder wie groß dieser real wirklich ist, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit beträchtlich vergrößern. Die populistische Boulevardpresse betreibt hier vielfach das Agenda-Setting für die Rechtspopulisten, indem diese die Themen der Boulevardpresse aufnehmen und politisch weiter „ausschlachten“ (Bauer 2016: 14). Um seine fortwährend zur Schau gestellte Empörung (Empörungsbewirtschaftung) über gesellschaftliche Missstände zu rechtfertigen, braucht der Rechtspopulismus gleichsam Feindbilder, die zugleich eine enge Beziehung zwischen dem Volk und dem charismatischen Volkstribun herstellen.
„Hauptfeind aller Rechtspopulisten ist das Establishment, die ‚politische Mafia‘ (Vlaams Belang), die ‚Viererbande‘ (Le Pen), die ‚nomenclatura‘ (Bossi), die ‚Altparteien‘ (Haider).“ (Priester 2012)
Die Sündenbockfunktion kann quasi jede natürliche Person oder jede gesellschaftliche Gruppe übernehmen und ist folglich austauschbar – beliebt sind jedoch vor allem Minderheiten wie kriminelle Ausländer (Kriminaltouristen), kriminelle Flüchtlinge (Asylkriminelle), abgehobene Intellektuelle (Elfenbeinturm), Sozialhilfeempfänger (Sozialschmarotzer), Invalide (Scheininvalide), Künstler (entartete Kunst), jedoch auch die „classe politique“ oder sonstige missliebige gesellschaftliche Gruppen. Diese Gruppen werden quasi für alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Missstände verantwortlich gemacht und sie werden des Betrugs, der Korruption der Lüge oder der Kriminalität etc. beschuldigt.
Dämonisierung statt rationale Analyse
Diese Dämonisierung bestimmter Gruppen und Personen sowie die Feinbilderzeugung und Sündenbockproduktion verbunden mit einer Empörungsbewirtschaftung treten an die Stelle einer rationalen Analyse der gesellschaftlichen und ökonomischer Umwälzungen (fortschreitende Modernisierung und sozialer Wandel). Reale oder teilweise eingebildete Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung werden somit für die eigene politische Agenda instrumentalisiert, indem einfache Schuldzuweisungen oder Verschwörungstheorien mittels politischer Kommunikation (insbesondere der Medien) in die Öffentlichkeit eingespeist werden und folglich ebenfalls eine Entlastungsfunktion besitzen (einfache Erklärungen für gesellschaftliche Probleme und Missstände). (Bauer 2016: 18)
Moralisierung und Personalisierung der Politik
Ein zentrales Merkmal der Rhetorik bzw. des Politikstils des Rechtspopulismus ist somit neben der Emotionalisierung die Moralisierung der Politik. Das Handeln der politischen und gesellschaftlichen Akteure wird infolgedessen nicht im Zusammenhang mit strukturellen Ursachen und Bedingungen gesehen, wie z.B. Globalisierung, Individualisierung oder sozio-ökonomische und makroökonomische Kategorien und Interdependenzen, sondern gleichsam in einem moralisch aufgeladenen Universum personifiziert. Diese moralische Personalisierung ist eine Gemeinsamkeit aller Rechtspopulismen und somit explizit oder unterschwellig immer vorhanden. (Priester 2012)
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