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Vom Fortbestehen des Faschismus

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Die Störenfriedas propagieren eine rechtsradikale Familienpolitik – und niemanden stört es

Wer unvorbereitet in unsere heutigen politischen Debatten stolpert, der wird zwangsläufig den irrigen Eindruck gewinnen, unsere Zeit wäre eine sehr schlechte Zeit für Faschisten. Jedenfalls wird er schnell merken, dass Menschen aller politischen Richtungen Menschen anderer Richtungen als „Faschisten“, „Faschos“ oder wahlweise auch als „Nazis“ beschimpfen: Linke bezeichnen die Rechten ohnehin schon aus Gründen der Traditionssicherung so, Rechte die Linken als „Linksfaschisten“, Feministinnen werden als „Feminazis“, Gegner des Feminismus als „Masku-Nazis“ hingestellt.

Der unvorbereitete Stolperer wird aber wohl auch nach einiger Zeit glauben, „Faschismus“ sei überhaupt keine irgendwie definierbare politische Richtung, sondern ein ganz allgemeines Synonym für „Geht gar nicht“. Das hat Folgen. Würden wir uns beispielsweise genauer mit verschiedenen Aspekten faschistischer Politik befassen, und würden wir verstehen, wie sich die durchgehende Anti-Humanität dieser Politik in ganz unterschiedlichen Bereichen ausgeprägt hat – dann würden wir einige unserer heutigen Positionen wiedererkennen und sie kritischer sehen.

bis-heute-vorbild

„Bis heute Vorbild“, untertitelt die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung diese Abbildung einer Zeitung der NS-Frauenschaft.

Das gilt auch für Positionen der Familienpolitik, die zwar nicht spektakulär die große Politik geprägt, dafür aber einen immensen Einfluss auf das Alltagsleben Hunderttausender genommen haben. Wer sich beispielweise schon einmal mit der Familienpolitik der Nationalsozialisten beschäftigt hat, wird erschrocken feststellen, wie zäh diese Politik weiter wirkt.

Bis heute.

 

Warum Gleichberechtigung ein trojanisches Pferd ist und Kinder vom Meer gezeugt werden

Die feministische Webseite der Störenfriedas hat gerade erläutert, warum „Gleichberechtigung“ aus feministischer Perspektive ein höchst fragwürdiger Begriff ist. Die Autorinnen nämlich treibt die Ahnung um, das

„Gleichberechtigung, wenn es um das Kinderkriegen und die Kindererziehung geht, eine Art trojanisches Pferd ist, das uralte patriachale Ansprüche als Fortschritt tarnt.“

Wenn Väter an der Kindessorge interessiert sind, dann also keineswegs an der Sorge für das Kind – sondern allein an der Möglichkeit, das Kind als Instrument zur Machtsicherung über die Mutter zu verwenden. Wer schon einmal nebenbei Diskussionen über das Sorgerecht geführt hat, wird wohl auch dieser Position begegnet sein – und wohl niemals Belegen dafür.

Belege führen auch die Störenfriedas nicht an – als wäre Belege zu fordern ohnehin nur ein Trick, um Machtstrukturen zu verschleiern. Statt dessen präsentiert der Text eine historische Fantasie:

„Männer brauchen Frauenkörper, denn diese tragen ihre Nachkommen aus. Diese Abhängigkeit ist eine der Urwurzeln des Frauenhasses, denn sie macht dem Mann klar, dass ganz gleich, wie sehr er sich über die Frau erhebt, ohne sie ist die Menschheit dem Untergang geweiht.“

Genau genommen wäre die Menschheit wohl auch ohne Männer nicht allzu weit gekommen – aber da Frauen sich nicht über Männer erheben, können sie das allgemein wohl schulterzuckend akzeptieren, ohne deswegen gleich Hassgefühle zu entwickeln.

Insgesamt ist auch diese Äußerung für die Störenfriedas wohl so selbsterklärend, dass kein Beleg dafür nötig ist. Es reicht als Beweis, dass „indigene Gesellschaften“ es mit der Elternschaft ganz anders halten.

„Zahlreiche indigene Gesellschaften matrilinearer Ausrichtung schenken dem biologischen Vater überhaupt keine Bedeutung, vielmehr sind es das Meer oder Gottheiten, die die Frau schwängern, das Kind gehört automatisch zur Familie der Mutter und wird von ihren Brüdern miterzogen. Die Natur hat biologisch den Akt der Zeugung vorgesehen – nicht aber der Vaterschaft.“

Welche indigenen Gesellschaften das nun eigentlich sind, ist hier gar nicht wichtig. Wichtig ist allein die Beziehung zwischen Mutter und Kind – der Vater hat zwar irgendwann mal kurz etwas damit zu tun gehabt, aber im ideellen Sinne mit dem Kind keine Verbindung mehr. Weniger jedenfalls als das Meer und die Gottheiten.

Deswegen also brauchen die Störenfriedas nirgends Belege für ihre Behauptungen. Sie imaginieren eine friedliche, natürliche matriarchale Welt, die erst durch den patriarchalen Besitzwahn nebst zugehörigem Frauenhass verdrängt worden wäre. Angesichts dieser großen, umfassenden Geschichtserzählung wirkt die Erwartung von Belegen kleinlich und uninspiriert.

 

Göttinnen im Schwenk nach rechts

Es ist allerdings kein Zufall, dass sich gerade die sogenannte Matriarchatsforschung notorisch anfällig für rechtsradikale Positionen gezeigt hat. Im Antisemitismus der feministischen Theologinnen Christa Mulack und Gerda Weiler zum Beispiel, die beide den jüdischen Glauben als patriarchalen Bruch einer ursprünglichen matriarchalen Harmonie beschreiben.  Wenn für Mulack  „auch nationalsozialistische Exekutoren des Judenmords wie Adolf Eichmann (…) letztlich in der Tradition jüdisch-patriarchaler Gesetzesmoral“ stünden – dann weist sie Juden damit die grundsätzliche Schuld am Holocaust zu.

Auch die Euthanasiefantasien der feministischen Theologin Mary Daly, auf die sich die Störenfriedas ausdrücklich berufen, stehen in faschistischen Traditionen – in Traditionen der Fantasien von einem harmonischen Volkskörper, der nur sehr begrenzt Fremdes ertragen könne. Bei Daly ist die Harmonie weiblich und das ewig Fremde männlich.

Das Familienideal des Nationalsozialismus war eben nicht die bürgerliche Kleinfamilie, in der Kinder in einer gewissen Autonomie gegenüber den Zurichtungen des totalen Staats hätten aufwachsen können. Männer wurden ohnehin anderweitig gebraucht, an der Front nämlich. Nicht die Kleinfamilie, sondern die Mutter-Kind-Beziehung steht im Mittelpunkt nationalsozialistischer Familienbilder.

„Dem Führer ein Kind schenken“: In dieser Fantasie ist zwar nicht das Meer oder eine Gottheit, aber dafür Adolf Hitler der eigentliche Vater des Kindes.

Damit verschwindet imaginativ nicht nur der leibliche Vater, sondern am Ende auch das Kind – zumindest, soweit es männlich ist. Dem Führer das Kind zu schenken bedeutete schließlich, es ganz der Verwendung für das imaginative Volksganze zur Verfügung zu stellen – und das bedeute für Mädchen die Mutterschaft, für Jungen den Opfertod auf den Schlachtfeldern.

Dass das Bild der Mutter-Kind-Beziehung für eine faschistische Politik so interessant ist, lässt sich leicht erklären. Das Kind ist vor der Geburt eben ganz von der Mutter umhüllt, hat keine Chance auf Eigenständigkeit, lebt mit ihr in einer innigen Einheit – so wie eine faschistische Politik auch den von ihr umhüllten Volkskörper als Einheit fantasiert, als innere Einheit und als Einheit zwischen Volk, Staat und Führer.

Mit der Idee der ganz ungetrübten Harmonie ist auch eine ungehemmte Selbstüberhöhung verbunden. Ignoriert die Frau den störenden Anteil des Mannes, dann kann sie sich als Schöpferin und Göttin fühlen. Eine Kommentatorin des Störenfriedas-Artikels mahnt dann auch: „Reminder: Frauen, ihr seid Göttinnen! Euer Körper erschafft neues Leben!“

Auch dieses Bild der Mutter ist interessant für einen faschistischen Staat, bei dem eben nicht die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, sondern der einzelne Mensch in dem, was er ist, durch Volk und Staat eigentlich erst erschaffen wird.

In politischer Perspektive sind diese Fantasien faschistisch, in psychologischer tief narzisstisch. Ein anwesender, realer Vater könnte immer nur ein Störfaktor in der fantasierten Einheit zwischen Mutter und Kind auf der einen sowie Mutter und dem Ganzen auf der anderen Seite sein.

 

Pippi Langstrumpf meets Faschismus

Wer sich imaginativ so absolut setzt, wird allerdings kaum realitätsgerecht agieren können – eine Realität außerhalb der eigenen Fantasien wäre ja in jedem Fall eine Störung der tiefen inneren Harmonie. So echauffieren sich die Störenfriedas dann zum Beispiel über „die Straffreiheit von Vergewaltigungern, die Strafbarkeit von Abtreibungen“, die ihre Wurzeln jeweils „im misogynen Denken des Patriarchats“ hätten.  Dass es für den naiven Betrachter deutscher Gesetze so aussieht, als ob es genau andersherum wäre, ist dann leicht erklärt:

„da wir alle in diesem Denken aufwachsen, können wir gar nicht anders, als diesen Denkmustern zu folgen.“

So kann denn die Realität – die eigentliche Realität – ganz den eigenen Wünschen entsprechend entworfen werden. Was diesen Wünschen nicht entspricht, sei schließlich Ergebnis gesellschaftlicher Konstruktionen, die allesamt im Dienste der Menschheitsfeinde entworfen würden.

Der geübte Blick aber kann sie enttarnen. Väter zum Beispiel seien überhaupt nicht notwendig – da aber „patriarchales Recht nicht mehr mit der Überlegenheit des Mannes gerechtfertigt werden kann“, müssten nun Falschinformationen zur Bedeutung des Vaters für das Kind zur Patriarchats-Sicherung herhalten.

Ehemänner hätten seit 1975 „keine absolute Macht mehr“ über die Frau, die sie ja bekanntlich vorher allezeit hatten.

Dass Kinderkriegen „bis in die jüngste Geschichte und unsere Gegenwart für Frauen lebensgefährlich ist“, liegt natürlich irgendwie am Patriarchat – dass gerade die erzpatriarchale moderne Medizin die Risiken für Kinder und Mütter extrem gesenkt hat, kann dabei keine Rolle spielen.

Auch die Kommentatorinnen durchschauen im Anschluss daran geübt, wie trügerisch die sogenannte Realität ist. Wenn Kinder ihre Väter vermissen, seien das halt „Kinder, die patriarchal konditioniert aufwachsen“. Eine Frau hingegen, die ihre Träume eines Lebens in einer Frauenkommune entnervt aufgegeben hat, weiß:

„Frauen sind einfach nicht mehr ‚gruppengeeignet‘, da aberzogen, durch allerlei Spalt- und gegeneinander Ausspielen -Kämpfe.“

Wenn Kinder ihre Väter vermissen, ist das nur ein Beweis für die destruktive Allmacht des Patriarchats und erst recht ein Grund, Väter von den Kindern fernzuhalten. Selbst wenn alle Männer verschwunden und Frauen ganz unter sich sind, dann sind die Männer für die internen Streitigkeiten der Frauen verantwortlich – wer auch sonst?

So verbindet sich hier die Allmachtsfantasie einer völligen Herrschaft über das, was als real zu gelten hat, mit einer kindlichen Verantwortungsfreiheit. Pipi Langstrumpf meets Faschismus: Ich mach mir meine Welt, widde widde wie sie mir gefällt.

Störend ist hier nicht allen das Männliche, sondern auch die Eigenständigkeit des Kindes. Die Ausgrenzung dieses Störenden ist Bedingung und Konsequenz der eigenen Selbst-Vergottung.

schuetze

Der Vater ist nicht mit im Bild – er ist verantwortlich für Schutz und Versorgung, aber gehört nicht wirklich dazu.

Angeheizt durch den Text, überbieten sich sie Kommentatorinnen in ihren Fantasien einer „Mutterschaft völlig ohne leiblichen Vater!“ Frauen sollten eben den Vater des Kindes nie angeben und auf Unterhalt verzichten – stillschweigend natürlich mit dem Kalkül, dass ersatzweise ja der Staat  als abstrakter Über-Vater einspringt. Sie müsse „angeben, dass sie es nicht mehr weiß, weil sie betrunken war oder K.O.Tropfen bekommen hat“.

Oder noch besser:

„Sich einen hutaussehenden, gesunden Typ suchen, ihn für einen ONS gewinnen, natürlich zum richtigen Zeitpunkt (Eisprung-technisch) und im natürlich nix verraten, weder Namen noch Adresse – der hat seinen Spaß und fragt nie mehr nach irgendwelchen möglichen Kindern.“

 

Der Mann als Leinwand und Erzeuger

So wird denn auch klar, warum keine einzige Aussage über Männer an irgendeiner Stelle belegt wird. Als reale Personen kommen Männer hier gar nicht vor – und wenn sie doch ausnahmsweise einmal nötig sind, nämlich als Erzeuger oder Bezahler, dann mögen sie bitte möglichst schnell wieder gehen.

Was die Störenfriedas und ihre Kommentatorinnen über Männer schreiben, ist rein projektiv. Männer sind hier schlichtweg eine Leinwand, auf der sie die Destruktivität ihrer eigenen Positionen abbilden können, ohne sie sich selbst zurechnen zu müssen.

Die eigene wahnhafte Absolutsetzung – die inzestuös anmutende Gier auf das Kind – die Überzeugung, das Kind gehöre ihnen, da es von ihnen geschaffen worden sei – die verrohte  Instrumentalisierung des anderen Elternteils – die Fantasie, dass alles, was die eigene Bestimmungsgewalt bedrohe, notwendig tief destruktiv sein müsse: Alles, was hier Männern beleglos untergeschoben wird, führen die Störenfriedas zugleich in ihren eigenen Positionen vor.

Ohne es zu merken, allerdings.

Dieser projektive Charakter wird möglich allein durch einen Abschied von der Idee, dass es eine gemeinsame, auch gemeinsam zugängliche soziale Realität gäbe – und durch die schroffe Unterteilung der Welt in Gut und Böse, in uns und die Feinde. Die Welt nicht als gemeinsamer Lebensraum, sondern als Schlachtfeld des permanenten Entscheidungskampfes zwischen den (allzu) Guten und den (skrupellosen) Bösen: Eben das ist auch das Weltbild faschistischer Politik.

Selbst wenn dann der Text einmal soziale Realitäten trifft, liegt er immer noch weit daneben. Die Störenfriedas erregen sich darüber, dass die Mutter Verantwortung tragen muss, „während der Vater ‚wählt’ ob er daran teilhat“. Das ist nicht einmal falsch und auch einer meiner zentralen Kritikpunkte am neuen Kindschaftsrecht.

Nichtverheiratete Mütter und Väter haben darin keineswegs von Geburt des Kindes an das gemeinsame Sorgerecht – sondern der Vater erhält das Sorgerecht erst auf Antrag. Tatsächlich kann das Vätern signalisieren, dass sie nur dann Verantwortung für ihre Kinder übernehmen müssten, wenn sie das wollen.

Allerdings vergessen die Störenfriedas, darauf hinzuweisen, dass nicht etwa patriarchale Verantwortungsverweigerer diese Regelung installiert haben – sondern dass sie gegen den entschiedenen Widerstand von Vätergruppen durch Mütterlobbyistinnen durchgesetzt wurde, denen die gemeinsame Sorge ein Graus ist.

Ebenso ein Graus wie den Störenfriedas, die im Unterschied zu Väterverbänden verbissen auf die alleinige Sorge setzen, die dabei Menschenrechte und Kindeswohl ignorieren – und die zugleich Männern vorwerfen, es ginge ihnen allzeit um Alleinherrschaft.

„Spannend und auf den Punkt“ findet jedoch die Bloggerin und Buchautorin Christine Finke (Mama arbeitet) den Text, und in den Kommentaren gibt es – mit der Ausnahme zweier verloren wirkender Kommentare von Vätern – nirgendwo Kritik.

Dafür ist der Kommentarstrang voller Fortsetzungen des Hasses auf Väter, des unverblümten projektiven Neids, der Fantasien einer ungetrübten Verfügungsgewalt über Kinder – und, natürlich, des Desinteresses an realen rechtlichen und sozialen Bedingungen.

„(W)enn schon Frauen wegen ihrer Selbstbestimmungsrechte in Verhütung und Abtreibung mit Sanktionen bedacht werden, warum nicht AUCH ENDLICH mal die Väter ?“

Könnte es vielleicht damit zusammenhängen, dass Väter keine Selbstbestimungsrechte im Hinblick auf Abtreibungen haben? Und auch damit, dass Verhütung überhaupt keine Sanktionen nach sich zieht, auch für Frauen nicht?

Klar ist: Es ist völlig aussichtslos, mit Menschen zu diskutieren, die solche Positionen vertreten. Jede Gegenposition wird ihnen Futter für projektive Mechanismen sein und wird ihnen schließlich zur Bestätigung dessen dienen, was sie irgendwie immer schon wussten. Mit Akteuren, die solche Positionen vertreten, ist das Gespräch sinnlos – wichtig ist allein, dass sie damit möglichst wenig Macht und Einfluss haben.

Auch das haben sie mit Faschisten gemeinsam.

 

Danke an den Kommentator Gerhard bei Alles Evolution für den Hinweis auf den Text und seine Empfehlung durch Mama arbeitet.


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