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Über das Buch: „Die den Sturm ernten“ (1)

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Das erst kürzlich erschienene neuste Buch von Michael Lüders heisst „Die den Sturm ernten. Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte“, darin erzählt er eine andere Geschichte über den Krieg in Syrien, als dies gemeinhin der Medien-Mainstream (Uwe Krüger) vornimmt.

Einleitung

Das neueste Buch von Michal Lüders will die Hintergründe des Krieges in Syrien erklären. Primär geht es Lüders dabei darum, den Teil der Geschichte zu rekonstruieren, der in den westlichen Leitmedien und der Politik vielfach nicht expliziert wird. Vereinfacht lautet das Narrativ hinsichtlich des Krieges in Syrien im Mainstream wie folgt: Der syrische Präsident Baschar al-Assad sowie seine Verbündete, vornehmlich Russland, tragen die Hauptschuld am Krieg in Syrien und sind demzufolge verantwortlich für die damit einhergehende menschliche Katastrophe. Doch veröffentliche Dokumente des Geheimdienstes in den USA sowie gelakte E-Mails von Entscheidungsträgern zeichnen ein anderes Bild: Das Regime von Baschar al-Assad war dem Westen seit längerer Zeit nicht genehm und stand folglich auf der Abschussliste. Die im Jahre 2011 ausbrechenden sozialen Unruhen in Syrien wurden vom Westen genutzt, um einen „regime change“ in Syrien durchzuführen, hauptsächlich diese Interventionen des Westens waren verantwortlich dafür, dass Syrien ins Chaos gestürzt wurde. Die Folgen dieser westlichen Politik des Regimewechsels in Syrien sind Terrorismus in Europa durch islamische Extremisten sowie die Flüchtlingskrise. In mehreren Teile auf man tau sollen die wichtigsten Erkenntnisse aus Lüders Buch expliziert werden.

Wer ist Michael Lüders?

Bild zeigt den Politikwissenschaftler und Islamexperten Michael Lüders.

Lüders hat Jahrgang 1959 und wurde in Bremen geboren. Er studierte Islamwissenschaften, Politologie sowie Publizistik in Berlin und promovierte über das ägyptische Kino. Seine beruflichen Tätigkeiten fasst er selbst u.a. wie folgt zusammen:

  • Kommentator deutscher, schweizerischer und österreichischer Medien in Sachen Nahost, arabische Welt, Islam, darunter ARD, ZDF, RTL, SAT 1, 3sat, N24, n-tv, sämtliche ARD-Hörfunkanstalten sowie private Radioanbieter
  • Gastprofessur an der Universität Trier (2017)
  • Gastdozent am Middle East Center der Universität Sakarya, Türkei (2015/16)
  • Lehrbeauftragter am Centrum für Nah- und Mittelost-Studien der Philipps Universität Marburg (2008/09)
  • Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft in Nachfolge von Peter Scholl-Latour
  • Beratung des Auswärtigen Amtes
  • Fachgutachten für GIZ und BMZ
  • Expertisen zur Ursachenforschung islamistischer Gewalt
  • Roman- und Sachbuchautor

Lüders hat u.a. folgende Bücher veröffentlicht:

  • Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet;
  • Iran: Der falsche Krieg;
  • Tage des Zorns. Die arabische Revolution verändert die Welt.
  • Tee im Garten Timurs. Die Krisengebiete nach dem Irak-Krieg.

Wer Lüders auf Video sehen möchte, dem sei folgendes Video empfohlen:

 

Dem Buch stellt Lüders zwei Aphorismen voran, einer stammt vom deutschen Sozialdemokraten Egon Bahr (1922-2015), der wie folgt lautet:

„Wenn ein Politiker anfängt, über ‚Werte‘ zu schwadronieren, anstatt seine Interessen zu benennen, wird es höchste Zeit, den Raum zu verlassen.“

Das Zitat von Bahr dürfte vermutlich ein Seitenhieb von Lüders an die „westliche Wertegemeinschaft“ sein, die zwar fortwährend von ihren Werten schwadroniert, Rhetorik und Handeln jedoch nicht in Einklang bringt.

Vorwort des Autors

Nach Lüders werden Kriege wie Geschichten erzählt und das jeweilige Narrativ ist dafür verantwortlich, wie der Konflikt wahrgenommen wird. In einem solchen Narrativ über den Krieg, das durch die Medien verbreitet wird, ist vielfach klar, wer die Guten und wer die Bösen sind; im syrischen Krieg sieht dieses Narrativ verkürzt wie folgt aus: Das skrupellose Assad-Regime unterdrückt die eigene Bevölkerung und führt einen Krieg gegen diese. Hilfe bekommt das syrische Regime von Russland sowie vom Iran, die genauso verbrecherisch und skrupellos agieren wie Baschar al-Assad selbst.  Die Gegenseite des Konflikts wird als gemässigte Opposition oder als das syrische Volk bezeichnet, die sich in einem verzweifelten Freiheitskampf befinden. Diesem Unrecht kann sich der Westen nicht verschliessen, folglich muss er mit allen möglichen Mitteln intervenieren, damit das syrische Volk seine Freiheit erlangt und der Westen seine Glaubwürdigkeit aufrecht erhalten kann. Lüders ist ausserdem der Auffassung, dass in den westlichen Medien vielfach, wenn über den Krieg in Syrien berichtet wurde, primär moralische und emotionale Empörungsbewirtschaftung betrieben wurde, indem man sich mit der Darstellung des menschlichen Leids als Folge des Krieges begnügte und vielfach eine politische Analyse der Geschehnisse fehlte. Nach Lüders besteht die syrische Opposition nicht einfach aus Gemässigten, sondern insbesondere desgleichen aus radikalen Islamisten (Dischadhisten), was zwar im Westen bei Politik und Medien nicht unbekannt ist, jedoch keineswegs Einfluss auf das propagierte Narrativ hat. Zwei erste zentrale Einsichten vorab: Um den Krieg in Syrien zu verstehen, müssen noch viele weitere Akteure als Assad und seine Verbündeten einbezogen werden und vornehmlich geht es nicht um Werte, sondern um Interessen unterschiedlichster Akteure. Geopolitik ist ein zentraler Begriff dazu.

Die geopolitische Perspektive kann erklären, weshalb der anfängliche Bürgerkrieg innerhalb kurzer Zeit zu einem Stellvertreterkrieg ausarten konnte. Wo also Grossmächte, die in einem Konflikt stehen, nicht direkt militärisch gegeneinander agieren, sondern ihre Konflikte in einem oder mehreren Drittstaaten austragen. In Syrien kämpfen somit nicht nur das Assad-Regime sowie die syrische Opposition (vielfach radikale Islamisten) gegeneinander, sondern auch Russland, die USA, der Iran, die Türkei, die Golfstaaten, Saudi-Arabien etc. sind in die Kämpfe direkt oder indirekt verstrickt. Die zentralen geopolitischen Akteure sind zwar Russland und die USA, aber auch EU/Europa sowie China machen ihren Einfluss geltend. Nach Lüders hätte der Krieg in Syrien, ohne diese massive Einmischung von aussen, niemals eine Flüchtlingskrise solchen Ausmasses bewirkt, wie sie seit dem 2. Weltkrieg und der Teilung des indischen Subkontinents nicht mehr vorgekommen ist, zumal mindestens von 10 Mio syrischen Flüchtlingen ausgegangen werden muss. Mit seinen militärischen Interventionen bewirkt der Westen zwar vornehmlich Chaos und Katastrophen (Staatszerfall, Tod, Flüchtlinge, Erstarken der radikalen Islamisten etc.), doch Kritik und Selbstkritik sind hier im Westen in Politik und Medien eher spärlich zu vernehmen. Viel lieber „suhlt“ man sich in der pathetischen Formel der „westlichen Wertegemeinschaft“, die sich global für Frieden, Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Frauenrechte und Freiheit einsetzt. Wer sich mit dem Krieg in Syrien beschäftigt, muss sich nach Lüders desgleichen mit dem CIA befassen, denn dieser ist die zentrale Instanz, wenn es um einen „regime change“ wie in Syrien geht. An geheimdienstlichen Operationen war der CIA insbesondere in Ost- und Westasien, Afrika und Lateinamerika beteiligt: sei dies durch Propaganda, Putsch bzw. Putschversuche oder militärische bzw. paramilitärische Operationen, um unliebsame Politiker oder Regimes zu beseitigen bzw. unter Druck zu setzen. Diese geheimdienstlichen Operationen haben vielfach Mio Menschen das Leben gekostet, demzufolge Zahlen in der Grössenordnung, die normalerweise in Verbindung mit verbrecherischen Regimes wie das von Stalin oder Mao etc. gebracht werden und keineswegs mit der „westlichen Wertegemeinschaft“. Beispiele für Folgen von geheimdienstlichen Interventionen sind die ubiquitäre Bandengewalt in Zentralamerika, der Staatszerfall im Kongo, die iranische Revolution (1979) oder der Aufstieg der Roten Khmer in Kambodscha.

Um den Krieg in Syrien besser verstehen zu können, müssen nach Lüders mindestens die zwei folgenden inhaltlichen Stränge freigelegt werden:

  • die US-amerikanische Politik und deren Geheimdienste sowie
  • die Akteure in den entsprechenden Ländern selbst, die vom Krieg oder einem „regime change“ selbst betroffen sind; hier insbesondere die Herrscher dieser Regimes, sowie deren Unvermögen, Rücksichts- und Skrupellosigkeit.

Fortsetzung folgt …


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