„Denn wir glauben daran, dass gesellschaftlicher Wandel möglich ist – weil er notwendig ist. Wir sehen Jungen und Männer als die intelligenten und gefühlvollen Wesen, die sie sind und glauben daran, dass diese erkennen können, dass Gleichberechtigung der gesamten Gesellschaft nützt. Ganz im Gegensatz zum Patriarchat glauben wir daran, dass Männer keine ausschließlich von ihrem Sexualtrieb gesteuerten Wesen sind und das notwendige Mitgefühl besitzen, um alle Menschen mit Respekt zu behandeln.“
Wer diese Sätze nicht wohlwollend liest, kann sie auch so verstehen: Männer verhalten sich im „Patriarchat“ weitgehend nicht respektvoll, nicht empathisch und nicht so, dass außer dem Sexualtrieb noch andere nennenswerte Motive zu erkennen wären. Aber dennoch werden sie hier immerhin nicht als Monstren beschreiben, sondern als Wesen, die zur Einsicht und zum Wandel fähig sind, im Rahmen einer sich wandelnden Gesellschaft.
„Männer sind zwar heilsfähig, aber noch nicht erlöst,“ spottet djadmoros als Kommentator bei Erzählmirnix über solche Zeilen und ihre unterschwellige religiöse Logik. Zur Erlösung brauchten Männer natürlich Frauen und Feminismus.
Der einleitende Abschnitt stammt, via Alles Evolution, aus dem Aufschrei-Buch Anne Wizoreks und wird von der Bloggerin onyx als ein Nachweis dafür zitiert, dass Feministinnen sich durchaus auch über Benachteiligungen von Männern Gedanken machen würden. Benachteiligungen in einer patriarchalen Gesellschaft nämlich, in der nach Wizorek „Wut, Stärke, sexueller Notstand und vielleicht Fußballjubel die einzig legitimen Emotionen sind, die als männlich gelten“ und Männer oft Gewalt „als einzigen Ausdruck ihres Innersten weitergeben“.
Natürlich liegen hier viele Fragen nahe, die nicht weit führen: Was es heißen soll, dass „das Patriarchat“ etwas glaubt, zum Beispiel. Oder seit wann denn „Stärke, sexueller Notstand und Fußballjubel“ Emotionen sind. Interessanter, wenn auch etwas polemisch wäre die Frage, was wohl passieren würde, wenn ein weißer Autor über Schwarze so schreiben würde, wie Wizorek hier über Männer schreibt: Sie seien gewaltsam und von primitiven Emotionen gesteuert, aber prinzipiell und bei richtiger Leitung durchaus veränderungs- und empathiefähig.

Natürlich: Mit einem “Backlash” wollen Gegner emanzipatorischer Kräfte zurück in die fünfziger Jahre. Was aber, wenn diese Beschreibung etwas zu einfach ist? Wenn es gar keinen “Backlash” gegen den Feminismus gibt? Oder sogar: Was ist, wenn der Feminismus selbst der Backlash ist?
Tatsächlich ist das, was Wizorek formuliert, aber zu unergiebig, zu sehr in sich selbst vertüdelt und zu sehr gedankenlos dahergeschrieben, als dass sich eine lange Auseinandersetzung damit lohnen würde. Wichtig ist aber ein Aspekt davon, der so sehr zu den Selbstverständlichkeiten heutigen Redens über Männer und Männlichkeit geworden ist, dass er kaum noch auffällt: Die Phantasie, Männer würden erst durch die Impulse des Feminismus zum Nachdenken über sich, ja überhaupt zum Nachvollzug ihrer eigenen Gefühlswelt gekommen sein.
Herr Theweleit promoviert mit Kneipenwitzen
In seinen Dissertation mit dem Titel „Männerphantasien“ hat Klaus Theweleit in den siebziger Jahren einige Grundmotive eines solchen Redens über Männer etabliert. Männerphantasien, das sind für ihn natürlich Phantasien über Männer, aber auch Phantasien von Männern – genauer: von Männern der Freikorps, deren Texte aus den zwanziger Jahren er als Dokumente des Faschismus liest.
Faschismus und Männlichkeit erklären sich in Theweleits assoziativer, unsystematischer, einfallsreicher und ressentimentgeladener Schrift durchgehend gegenseitig.
Der faschistische Mann, vom Autor ausdrücklich als Spitze des Eisbergs patriarchaler Männlichkeit beschreiben, ist hier gleichsam erstarrt in sich selbst. Er habe Angst vor dem Lebendigen, das er als chaotisch und bedrohlich wahrnehme, schütze sich in starren Abgrenzungen, die er gewalttätig etabliere und aufrecht erhalte. Vor allem definiere er sich über die Ausgrenzung des Weiblichen, dessen Fließen eine Bedrohung seiner Erstarrung sei und das er, wie das gemeine Volk, zu einer blutigen Masse geprügelt sehen wolle.
Das Weibliche als Erlösung des in sich selbst erstarrten Mannes, der aber das Erlösungspotenzial nicht verstehe, sondern sich davor ängstige und mit Gewalt darauf reagiere: Das ist ein Muster, das sich dann wenige Jahre später ebenso in Margarethe Mitscherlichs Mythos von der „friedfertigen Frau“ wiederfindet wie in Wilfried Wiecks Beziehungsgesprächs-Blaupause „Männer lassen lieben“. Es taucht heute auf in der Vorstellung, dass der Feminismus auch für Männer gut sei, weil Männer durch seine Impulse erst zu Selbstreflexionen und Veränderungsbereitschaft fähig würden.
Natürlich aber ist es eine Sexualitätsmetapher auf dem Niveau eines schlechteren Kneipenwitzes, Männlichkeit generell mit Erstarrung (=reaktionär, verhärtet) und Weiblichkeit mit etwas Fließendem (=veränderungsbereit, in Bewegung) zu assoziieren. Für Männer mögen Frauen mit Veränderungsfähigkeit und Bewegung verbunden sein – aber dann wohl deshalb, weil Frauen anders sind als sie selbst, und weil Männer sich auf dieses Andere einstellen müssen. In eben diesem Sinne wären Männer dann für Frauen etwas Fließendes – und Frauen würden in sich erstarren, wenn sie sich allein auf Weiblichkeit fixieren würden.
Wenn also Theweleit und später Mitscherlich Weiblichkeit als Erlösung beschreiben, dann reproduzieren sie damit eigentlich eben das, wovon sie die Menschen doch eigentlich gerade erlösen wollten: eine Heterophobie, hier nicht als Angst vor der Heterosexualität, aber einfach als Angst vor dem Anderen.
Dabei ist es erstaunlich, wie wenig von einem männlichen Anderen hier wahrgenommen wird, obwohl es doch eigentlich offensichtlich ist. Theweleit schleppt zusätzlich zu seinen Freikorps-Texten assoziativ unüberschaubare Mengen an Material heran, Bilder, Comics, Werbeanzeigen, Familienfotos, Gemälde, Plakate, Zeitungsausschnitte, Textausschnitte – aber wählt es immer so aus, dass es zu seinen Grundthesen passt. Es verhärtet seinen Text, anstatt ihn in Bewegung zu bringen.
Die Würde der Halbstarken
Hätte er, beispielweise, einfach einmal die unendlich erfolgreiche Popkultur der fünfziger Jahre wahrgenommen, dann hätte er seine düstere Dreifaltigkeit aus Faschismus, Erstarrung und Männlichkeit kaum über Hunderte von Seiten zelebrieren können. Schon zwischen 1950 und 1960 variieren Männer gleich reihenweise Männlichkeitsbilder, ohne sich überhaupt darum zu kümmern, dass sie damit ordnungsgemäß eigentlich zunächst auf die Impulse der zweiten feministischen Welle hätten warten müssen. Gerade der extreme Erfolg dieser Kultur zeigt, wie sehr sie damit Bedürfnisse vieler ansprechen.
Fast prototypisch haben die erfolgreichsten jungen Schauspieler hier androgyne Züge. James Dean spielt mit einer bis heute enormen Intensität zwischen nervöser Hypersensibilität und selbstbewusster Stärke, Montgomery Clift wirkt scheu, zart, zurückhaltend, Marlon Brando changiert zwischen Machismo und Weichheit. In der Musik inszeniert sich Elvis Presley den Blicken anderer als männliches Sexobjekt und ironisiert das zugleich. Chuck Berrys bis heute immenser Einfluss überwindet in der Musik spielend Rassengrenzen, während das Civil Rights Movement im Busboykott von Montgomery gerade erst beginnt. Little Richard jongliert mit Travestie-Elementen. Buddy Holly wirkt wie ein sechzig Jahre zu früh geborener Nerd, tritt linkisch und mit großer Brille auf und revolutioniert in seiner kurzen Karriere die moderne Popmusik.
All das gehört in eine Kultur des zunächst unterschwellig bleibenden Aufbruchs, die stärker noch von proletarischen als von bürgerlichen Jugendlichen getragen wird – in Deutschland werden sie als „Halbstarke“ verspottet. Der studentisch-bürgerliche Aufbruch der sechziger Jahre greift dann diese Impulse auf, setzt sich aber selbst als einen neuen Anfang und vergisst, worauf er aufbaut.
Vor allem das Verhältnis zu den Vätern ist in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ambivalent – und eines der eindrücklichsten Beispiele dafür ist der James Dean-Film …denn sie wissen nicht, was sie tun (Rebel Without a Cause). Einerseits sind die Männlichkeitsmodelle, für die Väter stehen, offenkundig nicht mehr haltbar – andererseits werden eben diese Väter aber auch als abwesend erlebt und unendlich vermisst. Dass junge Männer aber auf diese Weise und in dieser Zeit ihre Männerphantasien variieren, erneuern und ändern, lässt sich eigentlich leicht erklären.
Nach den ungeheuren Maschinerien zweier Weltkriege ist der herkömmliche Heroismus nicht mehr glaubhaft. Der heldenhafte Soldat, der sich über Schmerzen, Qualen und beständige Lebensgefahr erhebt, um sein Vaterland zu verteidigen – dieser Held verwandelt sich in den Materialschlachten der Weltkriege in ein kleines verletzliches Tier, das durch den Schlamm kriecht, um irgendwo Schutz vor der gigantischen Vernichtung zu finden, die in den modernen Kriegen möglich wird.
Friedrich Schiller beschreibt zu Beginn der Moderne Würde noch als eine männliche Tugend: Der würdevolle Mensch könne sich über seine Emotionen, seine Begierden, vor allem aber auch über sein Leid erheben, sich als Wesen wahrnehmen, das zu einer universell geltenden Vernunft Zugang findet und das sich so selbst beherrschen kann.
In der Vernichtungserfahrung der Weltkriege bleibt von einer solchen universellen Vernunft nichts übrig, und die Erhebung über das eigene Leid wird zu einer – hier passt die Metapher einmal – erstarrten Pose. Ernst Jünger beispielweise unternimmt noch einmal den Versuch, angesichts des Terrors des Ersten Weltkrieges eine aristokratische Haltung der Selbstbeherrschung zu bewahren – was bei Schiller aber als Würde noch nachvollziehbar ist, wird bei Jünger zu einer Mischung aus Empathielosigkeit und Manieriertheit.
Die faschistische Männlichkeit, die Theweleit beschreibt, phantasiert sich nach dem Ersten Weltkrieg eben schon im Wissen darum, dass die heroische soldatische Männlichkeit eigentlich ausgedient hat. Vielleicht ist sie gerade deshalb, weil sie verbissen an etwas Verlorenem festhält, so erstarrt und zugleich so hysterisch überdreht.
Theweleit selbst kümmert sich um solche historischen Einordnungen kaum, und so wirkt die Männlichkeit, die er beschreibt, überzeitlich und abstrakt – er essentialisiert sie. Daher entgeht ihm dann auch, dass Alternativen zu der von ihm phantasierten erstarrten patriarchalen Männlichkeit schon Jahrhunderte zuvor eher die Regel als die Ausnahme waren, etwa in der Epoche der Empfindsamkeit und ihrem Gefühls- und Freundschaftskult oder in den Phantasien der Romantiker, in denen Traum und Realität programmatisch zerflossen.
Vor allem entgeht Theweleit, während er sein Buch schreibt, dass Männer nicht nur, wie im Faschismus, verbissen an erledigten Männlichkeitsphantasien festhalten, sondern das unüberschaubar viele Männer sich schon lange mit diesen Phantasien auseinandersetzen, mit ihnen spielen und – sie ändern.
Feministische Positionen lassen sich so auch als Teile eines Wechselspiels von männlichen und weiblichen Änderungsimpulsen verstehen – zum Beispiel der liberale Feminismus einer Elisabeth Badinter oder der anarchistische Feminismus einer Wendy McElroy. Dominant ist heute aber ein ganz anderer Feminismus – einer, dem es gerade nicht um ein Wechselspiel zwischen Männern und Frauen geht, sondern um eine Abwehr von Veränderungsimpulsen.
Es gibt keinen Backlash gegen den Feminismus. Der Feminismus ist der Backlash.
Natürlich: Die Behauptung ist begründungsbedürftig, dass es ausgerechnet dem Feminismus, der doch in seiner öffentlichen Darstellung wie kaum eine andere politische Richtung für Emanzipation und Veränderung steht, tatsächlich um Restauration und konservative Gesellschaftsmodelle geht.
Dabei ist eben das grundsätzlich durchaus verständlich. Männer, die sich von der Idee der heroischen Selbstopferung für Volk und Vaterland und Frau verabschieden, sind nicht nur eine psychologische Bedrohung, sondern stellen ökonomische Grundlagen bürgerlicher Frauen in Frage: Denn das Modell der bürgerlichen Frau ist nur realisierbar, wenn es auf der Versorgungs- und eben auch Opferbereitschaft des Mannes aufbauen kann.
Der heute dominante Feminismus greift Veränderungsimpulse auf, die von Männern und Frauen ausgingen, seine Vertreterinnen und Vertreter plakatieren sich rituell als „progressiv“ und „emanzipatorisch“ – sie überführen diese Bewegung zugleich aber zuverlässig wieder in den Rahmen der vertrauten Geschlechterordnungen.
Väter und Kinder Besonders deutlich wird dies, natürlich, im Umgang mit Vätern und Kindern: Das ambivalente Verhältnis zu Vätern, das die Nachkriegsgeneration prägte, wird in feministischen Positionen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte zu einer eindeutigen Ablehnung versimpelt. Die Erfahrung des Vaterverlusts in den Weltkriegen ist gewiss eine, vielleicht die wesentliche traumatische Familienerfahrung des zwanzigsten Jahrhunderts. Das heutige, feministisch verteidigte Kindschaftsrecht hält verbissen an väterausgrenzenden Regelungen fest, die diese Traumata immer noch weiter re-inszenieren, obwohl es längst keinen äußeren Anlass mehr dafür gibt.
Dass der Soldat des nationalsozialistischen Deutschland keine Bindung zu seinen Kindern haben sollte, hatte natürlich eine leicht nachvollziehbare Funktion: Wer sich nicht abstrakten Größen wie Volk und Vaterland, Blut und Boden verbunden fühlt, sondern seinen realen Kindern – der wird kaum so idiotisch sein, sein Leben auf irgendwelchen Schlachtfeldern zu riskieren und diesen Kindern den Vater zu nehmen.
Noch heute werden Vater-Kind-Bindungen mit Hilfe von ideologischen Rationalisierungen gefährdet oder verhindert: Zum Beispiel von Anita Heiliger, die mütterliche Alleinerziehung als „Befreiung“ von patriarchaler Herrschaft verkauft, oder von Antje Schrupp, die fordert, dass Vätern einfach generell alle Rechte gestrichen werden sollten. Nur mit Hilfe vorsätzlicher Blindheit ist zu übersehen, dass solche Positionen den Kult der deutschen Mutter in heutige ökonomische Bedingungen übertragen. Ein Trennungsvater muss, anders als ein kinderloser Mann, auf dem Arbeitsmarkt mehr erwirtschaften, als er für sich selbst braucht, und hat daher auch weniger Rückzugsmöglichkeiten – zugleich aber sind seiner marktgerechten Verfügbarkeit keine familiären Bindungen im Weg.
Weitere Beispiele für konservative und restaurative Positionen des heutigen Feminismus lassen sich leicht finden.
Gender Studies In den letzten Monaten erscheinen immer wieder in großen Tages– oder Wochenzeitungen, aber auch in Schriften mit wissenschaftlichem Anspruch Verteidigungen der Gender Studies. In keinem einzigen Fall aber stellt eine Autorin einfach dar, was die Gender Studies bislang erbracht haben, in welchen Resultaten sich die eingesetzten Mittel auszahlen. Statt dessen beschränken sie sich darauf, Kritiker als reaktionär, als antiemanzipatorisch, als potenziell rechtsradikal darzustellen.
An keiner Stelle akzeptieren die Autorinnen so die selbstverständliche Verantwortung Erwachsener, die Verwendung durchaus erheblicher öffentlichen Mittel auch öffentlich zu legitimieren. Statt dessen variieren sie das klassische Damsel in Distress-Motiv: Eine Vertreterin der Gender Studies erscheint zuverlässig als verfolgte Unschuld, der von Unholden nachgestellt wird und die dringend den Beistand anderer braucht. Dass Kritik an den Gender Studies, oder einfach auch schlichte Nachfragen, nicht nur legitim, sondern auch wichtig sind – das gerät angesichts der so wirkmächtigen Damsel in Distress-Inszenierung ganz selbstverständlich aus dem Blick.
In Männertränen baden Dass es Männern durch den heutigen Feminismus erleichtert würde, ihre Gefühle zu formulieren und offen zu zeigen, kann ernsthaft nur jemand behaupten, der entweder Männer oder den Feminismus nicht kennt. Ob Gefühle der Beschämung (zum Beispiel angesichts der Darstellung als Primitivling), der Trauer (zum Beispiel angesichts des verlorenen Kontakts zu den eigenen Kindern), der Angst, der Hilflosigkeit – wenn Männer solche Gefühle offen darstellen, müssen sie damit rechnen, als „Jammerlappen“ (Bascha Mika) lächerlich gemacht, mit Phrasen wie „Mimimi“ oder dem weinerlichen „What about teh menz?“ persifliert zu werden – oder selbstbewussten Feministinnen zu begegnen, die höhnisch-triumhierend verkünden, gerne in Männertränen zu baden.
Hinter der Aufforderung an Männer, nicht zu klagen, sondern die eigenen patriarchalen Privilegien zu reflektieren, verbirgt sich hier der vertraute, aber längst überholte Kult des harten Mannes, der um sein Gefühlsleben kein Aufhebens macht und der anderen nicht zur Last fällt. Die einzige intensive Emotion, bei der ein Mann in diesem Kontext nicht damit rechnen muss, als Weichling verspottet zu werden, ist Wut – weil Wut sich nämlich nutzen lässt, um ihn als potenziell gefährlichen„angry (white) man“ zu präsentieren, der keine rationalen Argumente hat, sondern sich lediglich maßlos über den Verlust seiner Privilegien echauffiert.
Patriarchatsphantasien Die kritiklos wiederholte Rede von einem „Patriarchat“ oder von „patriarchalen Strukturen“ baut dabei grundsätzlich auf einer äußerst selektiven Wahrnehmung von Männern. Männer sterben früher als Frauen, sind deutlich häufiger obdachlos, drogensüchtig oder Opfer von Gewalt, die Selbstmordrate junger Männer ist um ein Vielfaches höher als die junger Frauen. Offenkundig führen Männer, aus welchen Gründen auch immer, im Schnitt ein deutlich riskanteres Leben als Frauen.
Wer vom „Patriarchat“ redet, konzentriert sich jedoch in aller Regel allein auf die wenigen Männer, für die sich dieses Risiko auszahlt: auf Männer in Spitzenpositionen der Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Das ist schon deshalb reaktionär, weil damit die Rede vom Patriarchat Ausdruck eines überholten traditionellen Blicks auf Männer ist, mit dem nur die wenigen besonders erfolgreichen Männer wahrgenommen und die vielen anderen ignoriert werden.
Die Rede vom „Patriarchat“ ist aber vor allem notwendig, um die Versorgungsstrukturen der bürgerlichen Geschlechterordnung aufrecht erhalten zu können, obwohl sie längst offensichtlich unsinnig geworden sind. Dass Männer Frauen versorgen müssten, lässt sich heute nicht mehr glaubwürdig im Rückgriff auf biologistische Konstrukte begründen und ist ökonomisch funktionslos. Der Hinweis auf eine diffuse, allumfassende „Unterdrückung“ von Frauen durch Männer begründet aber die Phantasie einer männlichen Schuld, die gleichsam endlos abgetragen werden müsse.
Dass allein über die öffentlichen Kassen jährlich Gelder in vielfacher Milliardenhöhe von Männern zu Frauen umverteilt werden – dass darin die familiären finanziellen Versorgungsleistungen noch nicht einmal enthalten sind – dass Männer in die Krankenkassen deutlich mehr einzahlen, aber aus ihnen deutlich weniger herausholen als Frauen: Das erscheint im Lichte diffuser männlicher Verpflichtungen gegenüber Frauen nicht einmal als begründungsbedürftig. Der heutige institutionalisierte Feminismus kennt „He-for-She“-Modelle, aber kein Modell der gegenseitigen Verantwortung – oder der gemeinsamen Verantwortung Erwachsener für Kinder.
Jungen Wenn Männern so ein Recht auf die Fürsorge der Gemeinschaft versagt bleibt, betrifft das selbst noch männliche Kinder. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Jungen in der Schule Nachteile erleben, für dieselben Leistungen tendenziell schlechter benotet werden als Mädchen, in Haupt- und Förderschulen weit überrepräsentiert, in Gymnasien weit unterrepräsentiert sind. Eine feministisch orientierte Pädagogik entdeckt die Ursache für solche Schwierigkeiten ganz selbstverständlich nicht etwa bei den Schulen – sondern bei den Kindern und Jugendlichen selbst, die nun einmal in Schwierigkeiten geraten würden, weil sie noch patriarchalen Rollenmodellen verhaftet seien.
Unter einer dick aufgetragenen Paste progressiver Rhetorik ist gleichwohl leicht die alte, überkommene Haltung der autoritären Schulpädagogik erkennbar: Die Schule ist richtig – nur die Kinder sind falsch.
Die Feministin Susan Faludi hat für Kritik an feministischen Positionen den Begriff „Backlash“ etabliert: Männer würden in Angst um ihre Privilegien gegen die feministischen Erfolge zurückschlagen. Das ist so nicht haltbar. Tatsächlich gleichen die Geschlechterphantasien des heutigen Feminismus in einem sehr wichtigen Aspekt sogar den faschistischen Männerphantasien, zu denen Theweleit seine Dissertation assoziiert: Sie klammern sich mit verbissener Aufgeregtheit an eine Geschlechterordnung, die überholt und längst nicht mehr funktional ist.
Wenn heute Männer und Frauen feministische Positionen mit größer werdender Dringlichkeit kritisieren, dann drückt sich darin weder die Angst vor Veränderungen noch der Wunsch nach der Bewahrung von Privilegien aus. Sie formulieren einfach aus vielen unterschiedlichen Richtungen eine Kritik an Positionen, die sich emanzipatorisch geben, aber tatsächlich eine reaktionäre, ungerechte, auch inhumane Politik vertreten – die sich in öffentlichen Institutionen verankert haben, aber außerhalb dieser Institutionen kaum noch jemanden überzeugen – und die reale Veränderungen blockieren, anstatt sie zu fördern.
Für seine heute vorherrschenden und einflussreichen Strömungen lässt sich das auch einfach so formulieren: Es gibt keinen Backlash gegen den Feminismus.
Der Feminismus ist der Backlash.
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