Zum deutschen Umgang mit dem Artikel 7 der Menschenrechtserklärung
„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.“
Eine allgemeine Formulierung, passend für eine allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die nicht zwischen Menschengruppen, bestimmten Situationen oder unterschiedlich strukturierten Staaten unterscheidet, sondern die einfach feststellt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich seien.
Im Kontrast dazu steht ein Zitat, das aus dem Blog eines Trennungsvaters stammt, der seit Jahren erfolgreich darum bemüht ist, die Möglichkeit des Kontakts zu seinem Kind zu bewahren.
„Ich weiß nicht ob Sie Kinder haben, aber wenn ja, dann bleiben Sie das nächste Mal nach dem zu Bett gehen noch 2 Minuten am Bett stehen und sagen Sie Sich einfach ein paar Mal, das ist jetzt das letzte mal dass ich meine Kinder sehe, nicht weil sie sterben, sondern weil es ein Richter so möchte. Sie werden sich, wenn Sie Sich auf dieses Spiel ganz einlassen, die Frage stellen, habe ich meinen Kindern alles gesagt was ich sagen wollte, habe ich noch etwas vergessen für ihren Weg in den nächsten 10 oder 12 Jahren. Soll ich weinen, darf ich weinen um zu zeigen dass ich sie vermisse oder ist es besser stark zu sein um zu zeigen dass diese Situation auch mich schmerzt.
Doch irgendwann werden Sie Sich fragen wie eine Gesellschaft das zulässt?“
Als ich selbst weitgehend den Kontakt zu unserem Kind verlor, war meine Elternzeit gerade zu Ende. Ich hatte nach der Geburt unseres Jungen viele Stunden täglich für ihn gesorgt, oft mehr als die Mutter. Ich hatte zudem in Situationen, in denen ich ohne den Kleinen war, festgestellt, dass es nicht allein einen Phantomschmerz gibt, sondern auch ein Phantomkuscheln: Auch wenn ich allein und ohne ihn auf einem Sessel saß, müde kurz vor dem Eindösen, dann spürte ich genau, wie der Kleine in meinem Arm lag, so wie er da nun einmal schon oft gelegen hatte.
Das war in den ersten Wochen eine der besten Methoden, ihn zu beruhigen, wenn er nachts mit den in diesem Alter häufigen Koliken aufgewacht war, schrie und nicht wieder einschlafen konnte. Ich nahm in dann in den Arm, tanzte mit ihm, schaukelte ihn, und wenn der Kleine schließlich eingeschlafen war, setzte ich mich mit ihm im Arm in einen Sessel und las ein Buch. Denn sobald ich ihn hinlegte, wurde er wieder wach und fing an zu weinen.
Um drei oder um vier Uhr morgens war das jeweils – und mit unserem Jungen im Arm dazusitzen und zu lesen ist für mich bis heute eine der friedfertigsten und schönsten Situationen, die ich erlebt habe.
Plötzlich war es vorbei, und ich habe nie erfahren, warum. Die Mutter wollte nicht mehr, und in den kommenden Wochen hatte ich nur noch dann Kontakt zu dem Kleinen, wenn sie einen Termin hatte und ihn dabei nicht gebrauchen konnte. Ich konnte nicht verstehen, dass sie das einfach so tun konnte – dass es legal war, denn Kontakt zwischen Vater und Kind willkürlich zu verhindern, ohne dass etwas daran geändert werden konnte. Hätte ich mich umgekehrt so verhalten wie sie, dann wäre ich dafür wohl ins Gefängnis gegangen.
Sie hingegen hatte Anspruch auf meine finanzielle Unterstützung. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Eltern damals beinahe wütend auf mich waren, weil ich ihr diese Unterstützung zahlte: Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass sie einen Anspruch auf beträchtliche monatliche Zahlungen hatte, gerade weil sie unser Kind und mich voneinander trennte – und sie dachten, ich würde einen schlechten Scherz machen, als ich ihnen von diesem rechtlichen Anspruch erzählte.
Für mich bedeutet diese Situation eine doppelte, erhebliche Enttäuschung. Einerseits war ich natürlich unendlich von der Mutter unseres Kindes enttäuscht. Ich hätte ihr ein solches Verhalten niemals zugetraut – ich hätte überhaupt niemals einem Menschen, den ich kannte, zugetraut, so etwas zu tun. Hätte ich es, dann hätte ich ganz gewiss kein Kind mit ihr bekommen wollen. In dieser Hinsicht war meine Naivität ein Vorteil – denn ohne sie wäre unser Sohn heute gar nicht auf der Welt.

Damien Hirsts Verity: Seine Allegorie der Gerechtigkeit hat das Schwert hoch erhoben, kann aber mit der Waage nicht so recht etwas anfangen…
Zweitens war ich unendlich enttäuscht von dem Staat, in dem ich lebe. Ich wusste, dass nach dem Grundgesetz die Würde des Menschen unantastbar ist, dass die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz garantiert ist, dass Politiker dieses Staates sich selbst für die Förderung der Gleichberechtigung rühmen.
Nun aber erlebte ich, dass ich tatsächlich faktisch rechtlos war. Abgesehen vom Umgangsrecht alle zwei Wochen, das ich in den Folgejahren hatte und bis heute habe und das ich gegen deutliche Schwierigkeiten durchsetzen konnte, war ich rechtlos – so, als ob ich weiter keinerlei Beziehung zu unserem Kind hätte, ihm ein weithin fremder Mann wäre. Dass unser Sohn und ich von Beginn an eine sehr enge Bindung zueinander hatten und haben, hat nie jemanden interessiert.
Ich konnte und kann mir bis heute nicht vorstellen, wie Menschen diesen massiven Widerspruch rechtfertigen können: Werbewirksam für Gleichberechtigung einzutreten, dem Grundgesetz verpflichtet zu sein – und zugleich in einer für Kinder wie Erwachsene zentralen Lebensfrage stumpf darauf zu bestehen, dass einige Menschen recht- und schutzlos sein müssen, einfach aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit.
Zudem lernte ich dann im Laufe der kommenden Jahre Männer kennen, deren Situation noch verzweifelter war als meine – die ihre Kinder überhaupt nicht mehr sehen konnten, ohne dass sie ihnen oder der Mutter jemals etwas getan hätten.
Ich erlebte auch, dass es kleine rechtliche Verbesserungen für Väter gab: Nicht, weil es eine offene Diskussion in Deutschland gegeben hätte, sondern weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Verfassungsgericht die deutsche Politik dazu zwangen. Aus eigener Kraft heraus war und ist diese Politik reformunfähig, und die Verbesserungen wurden trotz eindeutiger Urteile zuständiger hoher Gerichte gegen verbissenen Widerstand durchgesetzt: Vor allem gegen den Widerstand der SPD übrigens, gegen die Partei, der meine Eltern seit vielen Jahrzehnten angehörten.
Mittlerweile glaube ich, dass es grundsätzlich zwei Strategien gibt, mit denen Menschen sich den Widerspruch zwischen einem oberflächlichen Engagement für gleiche Rechte und dem verbissenen Festhalten an rechtlicher Ungleichheit kaschieren können.
Brauchen Herrscher keine Rechte?
„It’s like asking for kings‘ rights.“ Warren Farrell
Wer herrscht, braucht keine Rechte. Wer herrscht, kann seine Interessen jederzeit auch ohne staatlichen Schutz durchsetzen. Sicher, er hat gewiss auch öfter einmal mit Unannehmlichkeiten zu tun – doch erstens sind die gar nicht mit den gravierenden Diskriminierungen zu vergleichen, die andere Menschen erleben, und zweitens sind sie Resultate seines eigenes Verhaltens. Er herrscht ja – er könnte die Situation jederzeit beenden, wenn sie ihm wirklich gefährlich oder schmerzhaft wird.
Rechte haben aus dieser Perspektive die Aufgabe, Schwache vor Starken zu schützen, nicht umgekehrt. Rechte, die Starke vor Schwachen schützen, sind hier eher Instrumente der Repression. Sie würden auch noch den so dringend notwendigen Versuch der Schwachen, sich zu wehren, zum Unrecht erklären und bekämpfen.
Diese Haltung allerdings ist gleich mit einer ganzen Reihe von Problemen verbunden. Sie ist zunächst offenkundig nicht mit Menschenrechten vereinbar. Dort ist nicht die Rede davon, dass alle schwachen Menschen vor dem Gesetz gleich sind und die Starken für sich selbst sorgen sollen – sondern davon, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Punkt.
Vor allem aber ist die Frage, wer denn eigentlich Herrscher und wer Beherrschter ist, in einer hochmodernen Industrie- und Postindustriegesellschaft überhaupt nicht leicht zu klären. Möglicherweise ist das auch ein Grund, warum die Rede von „Herrschaft“ in einigen Milieus – von rechts nach links – sehr beliebt ist: Sie vermittelt den Eindruck einer irgendwie immer noch wohlgeordneten Welt, in der solche Fragen einfach zu beantworten seien.
Männer würden Frauen eine Macht zuschreiben, von der Frauen selbst nichts wissen: Das hat die französische Feministin Elisabeth Badinter einmal geschrieben, in ihrem Buch Die Wiederentdeckung der Gleichheit übrigens. Frauen nähmen sich selbst als deutlich machtloser wahr, als Männer sie sehen.
Vielleicht ist die Perspektive der Männer gar nicht einmal unbegründet: Da in Deutschland 55 Prozent der Frauen und 46 Prozent der Männer zufrieden mit ihrem Leben sind, und da das Erleben von Handlungsmacht und Selbstwirksamkeit ein wesentlicher Faktor von Zufriedenheit sind, erleben sich Männer im Vergleich zu Frauen möglicherweise gar als weniger handlungsmächtig.
Badinters Satz lässt sich jedenfalls mühelos umkehren: Auch Frauen schreiben Männern eine Macht zu, von der diese nichts wissen. Das liegt nun nicht daran, dass nach einer landläufigen und gängigen Legende privilegierte Gruppen von ihren Privilegien nichts wüssten. Es liegt eher daran, dass Männer und Frauen der Moderne gleichermaßen in Situationen leben, die für sie niemals völlig überschaubar sind, in denen Möglichkeiten des Handelns jeweils deutliche Grenzen gesetzt und Entscheidungen von Zwängen geprägt sind.
Problematisch wird diese Situation, wenn das Erleben der Hilflosigkeit und der fehlenden Handlungsmacht in gruppenbezogene Ressentiments einfließt: in die Vorstellung nämlich, die eigenen Mittel seien eben deshalb so begrenzt, weil die eigene Gruppe durch Mitglieder einer anderen Gruppe beherrscht werde.
Weiße Rassisten beispielsweise sehen sich so durch Schwarze beherrscht, überflutet, bis kurz vor die Auslöschung getrieben. Dass Schwarze von diesen Auslöschungsplänen überhaupt nichts wissen, sondern in der Regel ganz andere Sorgen haben, interessiert dabei nicht: In der Frontstellung zwischen Herrschern und Beherrschten wird die Perspektive der als Herrscher Phantasierten ohnehin nicht ernsthaft wahrgenommen, weil sie ja ohnehin nur der Aufrechterhaltung von Herrschaft diene.
Väter erleben das, bei allen Unterschieden, ähnlich. Alleinerziehen als Befreiung nannte die Feministin Anita Heiliger ihre Dissertation, die zu einem wichtigen Bezugstext der Väterausgrenzung wurde. Was Heiliger Alleinerziehen nennt, ist tatsächlich ein Hinausdrängen der Väter aus der Vater-Kind-Bezeihung – und die legitimiert sie in einer Rhetorik der Emanzipation, des Widerstands gegen eine zuvor übermächtige Herrschaft als Befreiung der Frau.
Das Kind, übrigens, spielt dabei keine Rolle.
Wer so als Herrscher phantasiert ist, von dem sich andere befreien müssen – der verliert dann eben seinen Anspruch auf staatlichen Schutz ebenso wie den auf Empathie. Warren Farrell hat das einmal so beschrieben, dass aus dieser Perspektive das Eintreten für Bürgerrechte von Männern wie das Eintreten von Rechten für Könige wirke.
Schon im Jahr 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das deutsche Kindschaftsrecht bei Nichtverheirateten nur dann verfassungskonform sei, wenn sich die ihr zu Grunde liegenden Annahmen der Bundesregierung bestätigen würden: Dass nämlich Mütter allein vom Interesse am Kindeswohl bestimmt seien, wenn sie Vätern die Möglichkeit der Kindessorge verweigerten. Was umgekehrt bedeutet: Die Väter seien selbst schuld, weil sie sich so verhielten, dass Mütter gar keine andere Möglichkeit als ihre Ausgrenzung hätten.
Die damalige Bundesjustizministerin Zypries nahm den Auftrag des Verfassungsgerichts zur Kenntnis, dass sie entsprechende Untersuchungen ihrer Annahmen durchführen müsse, und tat jahrelang: nichts. Als sie von Väterorganisation angeschrieben wurde, die sie immer dringlicher an den verfassungsgerichtlichen Auftrag erinnerten, tat sie: immer noch nichts. Als sie dann nach Jahren eine Befragung bei Jugendämtern durchführen ließ, berief sie sich hinterher darauf, dass ihre eigene Befragung wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genüge und so keiner weitergehenden Entscheidung zu Grunde gelegt werden könne.
Es ist keine unfaire Unterstellung, davon auszugehen, dass die Bundesjustizministerin lieber gar nicht so genau wissen wollte, ob ihre Gesetzgebung Grundrechte verletzte oder nicht. Oder auch: Die Justizministerin wusste sehr genau, dass ihre Gesetzgebung Grund- und Menschenrechte verletzt, und schob eben gerade daher die Feststellung dieses Sachverhalts so lange wie möglich auf. Lange genug übrigens, um unseren Sohn und mich zu trennen.
Brigitte Zypries mag also ein paar Probleme mit Vätern haben, aber immerhin ist sie kinderlieb genug, um solche weitreichenden Entscheidungen über das Leben anderer Menschen jederzeit begründet und verantwortungsbewusst treffen zu können. Die heute-show konnte das früh beweisen:
Glücklicherweise fand das Verfassungsgericht im Jahr 2010, und nach dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Menschenrechtswidrigkeit der deutschen Gesetzgebung, dass die Ergebnisse der Befragung stichhaltig genug waren, und kippte das deutsche Kindschaftsrecht.
Aus einer alten sozialdemokratischen Familie stammend habe ich niemals verstanden, wieso eigentlich niemals irgendein Sozialdemokrat auf die Idee gekommen ist, sich dafür zu entschuldigen, dass seine Partei wesentlich für erhebliche Grundrechts- und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Statt dessen versuchte eben diese SPD weiterhin, eine Änderung des Gesetzes so weit und so lange wie möglich zu verhindern.
Wie rechtfertigen Sozialdemokraten das vor sich? Gewiss denken sie nicht über sich, dass sie nun einmal Sexisten seien, die Menschenrechte und Grundrechte entsprechend der Geschlechtszugehörigkeit zugestehen oder verweigern. Sozialdemokratische Frauen legen sich die Situation vermutlich so zurecht, dass sie einen Anspruch auf Schutz vor den in ihren Augen mächtigen, wenn auch tatsächlich völlig hilflosen Vätern brauchen – und sozialdemokratische Männer verstehen sich vermutlich als Beschützer von Frauen vor einer männlichen Herrschaft.
Damit aber geht es hier nicht mehr um Gleichberechtigung – sondern darum, dass staatliche Institutionen ein bestimmtes, verhärtetes Bild von Männern und Frauen haben und auf der Grundlage dieses Bildes, nicht auf der von Grundrechten, agieren.
Dienen ungleiche Rechte der Gleichberechtigung?
„[…] unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“
Das Zitat von Anatol France kann vielleicht, neben der Herrschaftsunterstellung, einen zweiten Grund erklären, warum Menschen keine Probleme mit einem Widerspruch zwischen Lippenbekenntnissen zur Gleichberechtigung und dem Festhalten an rechtlicher Ungleichheit haben.
Im France-Zitat sind gleiche Rechte etwas bloß Formales, aber tatsächlich ist die Situation der beschriebenen Menschen hier so ungleich, dass rechtliche Gleichheit selbst zu einem Instrument der Repression wird. Gerechtigkeit wäre aus dieser Sicht erst dann möglich, wenn nicht nur eine rechtliche Gleichheit installiert, sondern eine „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung“ angestrebt würde.
Als Germanist kam mir diese Grundgesetz-Formulierung immer etwas seltsam vor – wovon sollte sich diese „tatsächliche Durchsetzung“ denn abgrenzen? Von einer nicht-tatsächlichen, oder von einer virtuellen?
Einerseits erweckt die Formulierung den Eindruck, eine formale Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern sei weitgehend erreicht. Das aber ist nicht der Fall. Die Bloggerin Anne Nühm listet eine Reihe von geschlechtsbedingten Ungleichheiten auf, die fast durchweg zu Lasten von Männern konstruiert sind: von der bloß ausgesetzten Wehrpflicht für Männer über das Kindschafts- und Sorgerecht bis hin zu staatlichen Gewaltschutzinstitutionen, die es fast ausschließlich für Frauen gibt. Das Männerhaus in Oldenburg beispielsweise, eines der ganz wenigen in Deutschland, musste seine Beratung gerade erst beenden, weil es keine finanziellen Unterstützung bekam.
Mit der Formulierung der „tatsächlichen Durchsetzung“ von Gleichberechtigung werden ungleiche Rechte zugleich nicht nur legitimiert, sondern sogar gefordert. Da die soziale Situation ungleich sei und Frauen benachteilige, müssten Gesetze sie zum Ausgleich bevorzugen, um eine echte Gleichberechtigung herzustellen. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl die Frauenquote in Aufsichtsräten – und die Tatsche, das ausgerechnet Gleichstellungspositionen allein an Frauen vergeben werden.
Warum aber ist es wichtig, staatlich einzugreifen, wenn Aufsichtsratsposten häufiger von Männern als von Frauen besetzt werden – aber nicht, wenn 97% Kindergärtnerinnen nur 3% Kindergärtnern gegenüberstehen? Plausibel wäre es eher umgekehrt: Für das, was ein Aufsichtsrat entscheidet, ist die Geschlechtszugehörigkeit zweitrangig – für Kinder aber ist es keineswegs zweitrangig, ob die Erwachsenenwelt, die sie erleben, eine homosozial weibliche ist, oder ob sie gleichermaßen von Frauen und Männern bevölkert ist.
Da der größte Teil der Getrennterziehenden weiblich ist, wäre es nach der Logik eines Ausgleich sogar wichtig, eher mehr Plätze in den Kindergärten durch Männer zu besetzen als durch Frauen.
Warum schließlich sollten Kindergärten homosozial weiblich bleiben, obwohl davon viele Tausende betroffen sind – aber bei Plätzen in Aufsichtsräten, die nur von einer winzigen Schicht ohnehin schon privilegierter Frauen besetzt werden können, ein staatliches Eingreifen unbedingt nötig sein? Kindergärten betreffen viele, und fast alle Kinder – von Aufsichtsratsposten aber sind die allermeisten Männer ebenso weit entfernt wie die allermeisten Frauen.
Ich möchte damit die Quote in Aufsichtsräten weder verdammen noch eine Quote in Kindergärten fordern. Das Beispiel zeigt aber etwas Wichtiges: Wo staatliche Institutionen die Notwendigkeit sehen, durch rechtliche Ungleichheiten soziale Ungleichheiten auszugleichen, da ist diese Sichtweise auf die soziale Ordnung abhängig von der jeweiligen Perspektive und von der jeweiligen Einschätzung einer Situation.
Damit aber verändert sich der Charakter des Rechts. Anstatt einen formalen Rahmen zu bilden, innerhalb dessen sich alle Menschen frei entscheiden und verhalten können, wird das Gesetz jetzt selbst zu einem Instrument der Lenkung menschlichen Verhaltens.
Es ist damit zudem stark abhängig von den Interpretation derjenigen, die jeweils politische Macht besitzen. Das Kindschaftsrecht war und ist ein Beispiel dafür, wie stark – und wie grundrechtswidrig – eine Gesetzgebung beeinflusst sein kann von niemals bezweifelten, starren Geschlechterbildern, von der Idee, Männer wären potenziell böswillige Störfaktoren der Sorge von Müttern für Kinder.
Wer braucht schon gleiche Rechte, wenn er bereits einen gütigen Staat hat?
Das spielt übrigens nur auf den ersten Blick Frauen gegen Männer aus. Tatsächlich profitieren von der fortbestehenden rechtlichen Ungleichheit Mütter, die ihren Kindern die Väter ganz oder weitgehend entziehen – und es profitieren Väter, die sich selbst entziehen und denen staatliche Institutionen bestätigen, dass ihre Sorge für das Kind ohnehin erlässlich ist.
Dagegen leiden potenziell eben die Eltern beiderlei Geschlechts, die sich konstruktiv verhalten und die kooperieren wollen.
Von den Müttern wiederum, die Kinder und Väter voneinander fernhalten, profitieren nur diejenigen, die in einer relativ privilegierten Situation leben: Wenn der abgeschobene Mann zahlungskräftig ist, kann sich die Mutter mit Betreuungsunterhalt in der Höhe ihres vorherigen Einkommens, Kindesunterhalt und Kindergeld über Jahre hinweg gleichsam selbst eine erhebliche Gehaltserhöhung organisieren. Voraussetzung ist lediglich die Trennung von Vater und Kind.
In weniger zahlungskräftigen Verhältnissen gilt das allerdings nicht: Die sogenannte Alleinerziehung ist europaweit das größte Armutsrisiko für Kinder (Dossier Kinderarmut, S. 22).
Natürlich ist es kein Zufall, dass von rechtlichen Ungleichheiten Menschen profitieren, die ohnehin schon privilegiert sind. Denn wer könnte schon solche Ungleichheiten aus einer unterprivilegierten Situation durchsetzen?
Die für einen Rechtsstaat so wesentliche Idee der Gleichheit vor dem Gesetz hingegen schützt zwar nicht vor Ungerechtigkeiten, aber sie macht diese Ungerechtigkeiten kontrollierbarer. Die Idee der Gleichheit vor dem Gesetz stellt einen abstrakten, jederzeit zugänglichen Maßstab bereit, an dem das Verhalten aller, der Starken wie der Schwachen, gemessen werden kann.
Zur Idee der rechtlichen Gleichheit gehören reziproke Strukturen einer zivilen Gesellschaft: Was ich von Dir erwarte, kannst Du auch von mir erwarten – und was Du beanspruchst, kann ich prinzipiell auch beanspruchen.
Zur Politik der Ungleichheit hingegen gehören Gruppen, deren jeweilige Interpretation sozialer Situationen für politische und andere wesentliche Entscheidungen ausschlaggebend ist – und Gruppen, deren Perspektive nicht berücksichtigt wird. Die rechtliche Ungleichheit ist so immer auch verbunden mit einer gestörten Kommunikation, sei es zwischen Eltern oder zwischen politischen oder sozialen Gruppen.
Aus dieser Perspektive ist der Staat dann auch keine mächtige Struktur, die von der Zivilgesellschaft ebenso legitimiert wie kontrolliert werden muss. Er inszeniert sich ganz im Gegenteil als Heiler dieser Gesellschaft, als ordnende Struktur, die wohlwollend und gütig gesellschaftliche Ungleichheiten korrigiert. Die Fantasie eines solchen Verhältnisses zwischen wohlgeordnetem Staat und wilder, immer irgendwie unzivilisierter Gesellschaft führt allerdings eher in die Kaiserzeit zurück als voran in einer gerechtere Zukunft.
Es ist wohl Allgemeingut, dass Ungerechtigkeiten auch angesichts der Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz bestehen können. Wer deshalb aber die Idee rechtlicher Gleichheit aufgibt und durch eine der vermeintlich wohlwollenden Ungleichheit ersetzt – der betoniert und der verschärft die Ungerechtigkeiten, die zu beseitigen er vorgibt.
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