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Rape Culture gegen rechts!

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Wie Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski Werbung für die AfD macht

Eigentlich war ich ja der Meinung, über Margarete Stokowski schon genug geschrieben zu haben. Ihr Buch wird zudem von Anja Kümmel in der Zeit als „unendlich wichtig“ gefeiert, die Autorin selbst wird von der Süddeutschen Zeitung  als „deutsche Laurie Penny ins Gespräch gebracht – wobei nicht ganz klar ist, ob das eher als Lob oder als Beleidigung gemeint ist.

Sie hat eine wöchentliche Kolumne in Spiegel, die zumindest auf mich den Eindruck macht, dass Frau Stokowski große Schwierigkeiten hat, sich jede Woche erneut etwas dafür einfallen zu lassen. Solch eine Kolumne ist ja eigentlich ein ungeheures Privileg – und es tut mir leid für die so in Anspruch Genommene, dass sie es vorwiegend als Belastung empfinden muss.

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Gefängnisse waren eigentlich lange kein Mittel der politischer Auseinandersetzung mehr. Eine Spiegel-Kolumnistin hätte das gern geändert

In dieser Woche aber passt Frau Stokowskis Kolumne beunruhigend gut in eine politische Landschaft, in der die Auseinandersetzung mit dem Gegner nicht mehr mit Argumenten, sondern dem Versuch der persönlichen Schädigung geführt wird. Sie empfiehlt dafür „mal locker-flapsig, mal kühl-analytisch“ (Zeit) die Vortäuschung sexueller Straftaten. Aber nur ganz ironisch, natürlich.

Oder?

 

Ein perfektes Verbrechen ist ein großes Versprechen

„Gerade erst hieß es in einem ‚taz’-Interview, jemanden fälschlicherweise einer Sexualstraftat zu beschuldigen, sei ‚das perfekte Verbrechen, um einen Mann aus dem Weg zu räumen, ohne selbst ein Risiko einzugehen’. Wenn man eine Weile drüber nachdenkt: ein großes Versprechen.“

Und sowas in der taz! „Hieß es“: Die Autorin kalkuliert „im kolumnenhaften Plauderton“ (Zeit) empörte Reaktionen schon mit ein und vergisst praktischerweise den Hinweis darauf, dass der zitierte Satz über das perfekte Verbrechen von Jörg Kachelmann stammt. Es ist also ein Betroffener, kein distanzierter Wissenschaftler, der dort interviewt wird. Für Stokowski macht das keinen Unterschied – schlimm genug, irgendwie, dass die linksalternative taz so einen Satz überhaupt druckt.

Sehr viel harmloser ist natürlich ihr eigener Satz, ein perfektes Verbrechen sei ein „großes Versprechen“.

„Wenn es so wäre: Was hindert uns? Gibt es nicht genug ätzende Leute, die man auf diese Art loswerden könnte? Ist es nicht geradezu fahrlässig, Despoten, Rechtspopulisten und Ausbeuter an der Macht zu lassen, wenn man sie so einfach unschädlich machen könnte? Wäre es nicht unsere heilige weibliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie nicht noch mehr Schaden anrichten, bevor wir dann in Ruhe die Trümmer der letzten Jahre aufräumen? Aufräumen können wir doch auch gut.“

Stokowski kalkuliert hier wohl auf den Solanas-Effekt. Die hatte in einem irren Text den nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden zum Modell genommen und eine Auslöschung aller Männer gefordert. Obwohl die Forderung an keiner Stelle als Ironie markiert war, verstehen begeisterte Leserinnen und Leser ihn bis heute als Satire – ohne so recht sagen zu können, eine Satire worauf er denn dann sein sollte. Es wäre aber nun einmal sehr peinlich, spaßbremsend mit der Möglichkeit zu rechnen, die Holocaust-Forderung des jahrzehntealten feministischen Kultbuchs sei ernst gemeint gewesen.

Stokowski ist im Vergleich dazu sehr bescheiden. Sie will nicht alle Männer auslöschen, sondern lediglich ein paar ausgewählte Existenzen vernichten. Dass sie offen davon träumt, die Vortäuschung von Sexualstraftaten als politisches Mittel zu verwenden, ist trotzdem so irre, dass jeder halbwegs wohlwollende Mensch das nur als Satire und Ironie verbuchen kann.

Denn schließlich nimmt sich Stokowski gleich im Anschluss an den zitierten Absatz selbst zurück.

„Leider nein. Es gibt für Leute, die mit Missbrauchs- oder Belästigungsvorwürfen konfrontiert wurden, Schlupflöcher von der Größe des Weißen Hauses.“

Das heißt: Es ist eine schöne Idee, aber ach, sie klappt nicht. In der Rape Culture, der Vergewaltigungskultur, in der wir nun mal leben würden, kämen Männer damit durch, trotz scharfer Anschuldigungen von Frauen ein ganz normales Leben weiter führen zu können.

Genau genommen ist das natürlich das schlechteste Argument gegen eine Rape Culture, das je formuliert worden ist: Eine Rape Culture wäre dann eine Kultur, in der ein Mann nicht einfach weggesperrt wird, weil eine Frau ihn fälschlicherweise einer Sexualstraftat beschuldigt.

Aber das ist nicht einmal der Aspekt, der Stokowskis Text so furchtbar macht.

Das einzige Argument, das die wöchentliche Kolumnistin überhaupt gegen die Verwendung von Vergewaltigungsvorwürfen als politischer Waffe anführt, ist – dass diese Taktik nicht funktionieren würde.

Das aber stimmt ja so gar nicht.

 

Gewalt ist super – wenn sie funktionert

Stokowski und sämtliche ihrer Leser werden mit Jörg Kachelmann das Beispiel eines Mannes vor Augen haben, der einige Monate im Gefängnis saß und dessen Karriere extrem eingeschränkt wurde – obwohl sich die Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn als Falschvorwürfe entpuppten. Viele kennen vermutlich auch das Beispiel des Fernsehmoderators Andreas Türcks, dessen Karriere sich trotz eines Freispruchs nie mehr von solchen Falschvorwürfen erholte.

Wer sich noch weiter einliest, findet auch sehr schnell die furchtbare und tragische Geschichte des Lehrers Horst Arnold, der aufgrund von falschen Vergewaltigunsgbeschuldigungen jahrelang im Gefängnis saß und der bald nach seiner Haftentlassung – die Vorwürfe hatten sich als haltlos erwiesen – an einem Herzinfarkt starb. Nadine Ahr schrieb dazu in der Zeit:

„Horst Arnold starb, weil er vom Unrecht zermürbt war, weil der deutsche Staat, dem er als Lehrer gedient hatte, ihn psychisch und physisch zugrunde gerichtet hatte.“ 

Selbst in Fällen also, in denen Falschvorwürfe sich als haltlos erwiesen haben, konnten sie existenziellen Schaden anrichten. Nach allem menschlichen Ermessen werden andere Fälle dazu kommen, in denen diese Beschuldigungen niemals als solche aufgeklärt wurden.

Das weiß Stokowski gewiss ebenso gut wie ihre Leser: Falschvorwürfe funktionieren durchaus, sie funktionieren nur nicht immer. Das haben sie mit anderen schweren Straftaten gemein. Auch ein Attentat mit Schusswaffen, beispielsweise, ist nicht immer erfolgreich. Trotzdem wäre es verrückt, wenn eine Spiegel-Kolumnistin solch ein Attentat offen empfehlen und dann herzig verkünden würde: Es sei alles Ironie, es gäbe schließlich eine Reihe von Fällen, in denen das nicht geklappt habe.

Das aber bedeutet: Das einzige Argument, dass Stokowski gegen die Nutzung von Vergewaltigungsvorwürfen als politischer Waffe anführt, ist ein Argument, von dem sie selbst ebenso wie jeder ihrer Leser weiß, dass es nicht tragfähig ist.

„Wenn es so einfach wäre, jemanden wegen Belästigung, Missbrauch oder Vergewaltigung verurteilen zu lassen oder zumindest im großen Stil unbeliebt und machtlos zu machen, dann müssten Frauen mit einem Mindestmaß an krimineller Energie das doch tun. Dann hätten linksextreme Feministinnen längst die AfD zerstört. Ich schwöre: längst.

Zack, eine Gang gegründet, zack, Flaschendrehen: Eine muss mit Höcke Frühsport machen und sich nur noch merken, ob der jetzt Bernd oder Björn heißt. Die nächste muss ihren Hintern in der Nähe von Gaulands Hand platzieren und so weiter.

Es wäre kein so großes Opfer, wenn man die dadurch loswerden könnte. Hätte, wäre, könnte, wenn: Es geht nicht.“

Am Ende ihres Textes nennt Stokowski dann also auch noch einmal ein paar Männer namentlich, die im Interesse des Gemeinwohls per Vergewaltigungsvorwurf aus dem Spiel genommen werden sollten. Spätestens hier habe ich mich dann auch gefragt, ob der Spiegel eigentlich Juristen beschäftigt, die Texte ab und zu auch mal vor ihrer Veröffentlichung durchlesen.

 

Queerfeministisch für die AfD

Doch natürlich: Es ist alles ironisch, es ist alles gar nicht ernst gemeint, und wer das trotzdem ernst nimmt, hat wohl Angst vor starken Frauen. Im gegenwärtigen politischen Klima aber muss Stokowski damit rechnen, dass jemand diesen Text als Handlungsaufruf versteht.

Ich kenne allein zwei Situationen, in denen SPD-Politiker öffentlich Druck auf Arbeitgeber ausgeübt haben, um sie zu Konsequenzen gegen Angestellte zu bewegen, die sich öffentlich für die AfD ausgesprochen hatten.

Der konservative Publizist Ronald Tichy trat von seinem Herausgeberposten bei Xing zurück, unter anderem aufgrund von Morddrohungen, die er erhalten habe – was sogleich bei Gegnern Triumphgesten provozierte.

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Ein Politiker der Grünen bezeichnete seine Zeitung rundweg als „rechtsradikal“.

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In diesem politischen Klima wäre es naiv zu glauben, dass Stokowskis kaum verhohlene Aufrufe zu Straftaten und zur Vortäuschung von Straftaten bloß als Ironie verstanden werden. Denn dieser Punkt zumindest ist ganz sicher nicht ironisch gemeint: Stokowski stellt klar, dass gegen Politiker und Anhänger der AfD jedes Mittel recht ist – solange es nur dazu dient, ihnen persönlich zu schaden.

Ich habe keinerlei Sympathien für diese Partei, würde die auch niemals wählen – finde aber solch ein Vorgehen gegen ihre Mitglieder oder Sympathisanten gleichwohl irre. Einmal ganz abgesehen von den offenkundigen Schwächen im zivilen menschlichen Umgang: Wenn schon ich, als jahrzehntelanger Rot-Grün-Wähler, die Skrupellosigkeit von Stokowski und anderen im Umgang mit dem politischen Gegner abstoßend finde – wie werden dann darauf erst Menschen reagieren, die heimlich oder offen mit der AfD liebäugeln?

Wer so agiert wie Stokowski et.al., der signalisiert unweigerlich, dass ihm im politischen Disput die Argumente fehlen und dass er gegen politische Gegner nur noch auf dem Weg der persönlichen Schädigung ankommt.

Wer aber nicht einmal gegenüber einer Knalldeppenpartie wie der AfD Argumente hat – der hat generell keine.

Zweifelnde AfD-Anhänger wiederum werden bestärkt – niemand muss ihnen erzählen, dass der politische Gegner gewissenlos und hilflos agiert, das führt ihnen die queerfeministische AfD-Wahlkampfhelferin Margarete Stokowski in Deutschlands größtem Nachrichtenmagazin kostenlos vor.

Wenn von Gauland oder Höcke Strafanzeigen bei Stokowski eintreffen, dann kann sie also mit guten Gründen und treuherzig antworten, dass sie eigentlich eher mit Dankschreiben gerechnet hätte.


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