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Franziska Schutzbach und die männliche Herrschaft

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Die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach setzt sich in ihrem neusten Text mit der männlichen Herrschaft auseinander – vermutlich in Anlehnung an das Buch von Pierre Bourdieu „Die männliche Herrschaft“.

Warum braucht es Feminismus?

gegenderte Sprache - Feminismus

Franziska Schutzbach schreibt:

Warum brauchen wir eigentlich Feminismus? Ist das Patriarchat nicht längst zu Ende? Seit der Wahl von Donald Trump stellt sich diese Frage wieder neu.

Hier wäre es wieder einmal interessant zu wissen, was unter dem Begriff bzw. Konzept „Patriarchat“ verstanden wird (Definition, Operationalisierung und fundierte repräsentativ empirische Untersuchungen). Gibt es überhaupt ein Patriarchat in den westlichen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften? Und wie würde eine Gesellschaft aussehen ohne Patriarchat (idealtypisch)?

Franziska Schutzbach schreibt:

Millionen Menschen haben sich an globalen Frauenmärschen beteiligt, weil – unter anderem – deutlich wurde: Wir leben in einer Welt, in der einer Präsident werden kann, der Frauen abwertet. Für viele schien so etwas bis vor kurzem undenkbar. Waren wir nicht gleichgestellt? Ja. Das sind wir. Zumindest gesetzlich. Allerdings spricht sich gerade herum, dass das vielleicht nicht ausreicht. Dass Sexismus vor Gesetzen nicht haltmacht. Und dass die Freiheit der Frauen vielleicht nicht so umfassend war, wie manche glauben wollten. Denn was bedeutete gleichgestellt eigentlich? Bedeutete es nicht vor allem, dass Frauen in den vergangenen Jahrzehnten „wie Männer“ werden sollten? Zum Beispiel, indem Berufstätigkeit und Erfolg zum alles bestimmenden Massstab weiblicher Emanzipation wurden?

Der Mann (vermutlich Trump) wurde übrigens zu einem großen Teil ebenfalls von Frauen gewählt, zudem: Dieser Mann hat nicht „nur“ Frauen abgewertet, sondern noch viele andere Menschen: Männer, Weiße, Schwarze, Medienleute, Politiker etc., usw. usf. Aber es ist interessant, dass Schutzbach dies einfach negiert und wiederum bloß Frauen zu Opfer oder Betroffenen macht? Also: Hier  Mann = ganz, ganz böse und hier Frau = Opfer und noch einmal ein Opfer? Übrigens: Auch die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat einen großen Teil der potenziellen Wählerschaft von Trump pauschal abgewertet, indem sie sagte:

Krass verallgemeinert: Man kann die Hälfte der Trump-Unterstützer da hineinstecken, was ich einen Sack von Kläglichen (basket of deplorables) nenne.

Macht eigentlich Terrorismus, Krieg, Rassismus, Kriminalität etc. vor den Gesetzen halt? Nicht? Weshalb sollte es bei der Gleichstellung, ein Begriff, der übrigens immer wieder hinterfragt werden sollte (insbesondere, wie er sich von Gleichberechtigung unterscheidet), anders sein?

Franziska Schutzbach schreibt:

Wir haben übersehen, dass die Prämissen der Freiheit zunehmend dem System entsprachen, aus dem Frauen sich einst befreien wollten. Die Freiheit der Frauen bedeutete eine Angleichung an eine von Männern vorgegebene Welt. Frauen wurden fit gemacht, um in der Männerwelt erfolgreich zu sein – wie zum Beispiel Sheryl Sandbergs Frauenprogramm „Lean In“ zeigt.

Aus welchem System wollten sich denn die Frauen befreien? Und wollten alle Frauen das Gleiche? Und wollten sich alle Frauen aus dem Gleichen befreien oder wollten sich überhaupt alle Frauen befreien? Von wem wurden die Frauen fit gemacht? Demnach, wer stand da dahinter? Das Patriarchat? Oder wer? Und welche Welt ist von den Männern vorgegeben? Und da sind sämtliche Männer mit daran beteiligt, zumal sie alle die gleiche Männerwelt wollen?

Franziska Schutzbach schreibt:

Die Literaturwissenschaftlerin Hélène Cixous bemerkte schon in den 1970er-Jahren, dass Frauen sich oft an Männern oder männlichen Prämissen orientieren. Sie selbst habe anfangs für „den Vater“ geschrieben. Nicht für ihren realen Vater, sondern für den symbolischen – das heisst für das „väterliche System“. Sie wollte diesem System gefallen, es „bedienen“, um erfolgreich zu sein, an die Orte der Macht zu gelangen, dort aufgenommen zu werden.

Soll nun Hélène Cixous als exemplarisches Beispiel für alle Frauen herhalten? Für wie viele Frauen ist sie repräsentativ? Gibt es hierzu empirische Studien oder ist das einfach mal ein „gefühlter“ Eindruck? Und wie viele Frauen orientieren sich wohl an den Müttern und somit am „mütterlichen System“? Was ist übrigens das „väterliche System“ genau (Definition, Operationalisierung, empirische Befunde)?

Gibt es das traditionelle Patriarchat noch oder Ausdifferenzierung der phallozentrischen Ordnung

Franziska Schutzbach schreibt:

Aber trifft das heute noch zu? Ist das traditionelle Patriarchat nicht längst vom Thron gestürzt? Erleben wir nicht eine Aufweichung geschlechterstereotyper Verhaltensweisen, eine Gender-Flexibilisierung? Wir haben heute Frauen in Führungspositionen, wir haben Lady Gaga, Transgender-Models und lesbische Politikerinnen.

Wie gesagt: Was ist das „traditionelle Patriarchat“ (Definition, Operationalisierung, empirische Befunde)?

Franziska Schutzbach schreibt:

Gleichzeitig bedeutete all das aber nicht das Ende der phallozentrischen Ordnung, sondern ihre Ausdifferenzierung durch eine marktliberale Logik: Die Erschliessung immer neuer Märkte führte dazu, dass auch ausgefallene Queer-Köpfe von der Modeindustrie als „subversive Chic „vereinnahmt wurden (die letzte H&M-Kampagne zeigte erstmals eine Transfrau).

Ja, was ist denn nun wieder einmal eine phallozentrische Ordnung? Demnach, was muss man sich dabei vorstellen (Definition, Operationalisierung, empirische Befunde)? Die phallozentrische Ordnung wird demzufolge mithilfe einer marktliberalen Logik ausdifferenziert? Soll vermutlich so viel heissen wie: Der Markt hat auch Transgender als neuen „Hip“ bzw. Trend entdeckt und als verkaufsfördernd; und somit ist er ebenfalls auf die Diversity-Schiene aufgesprungen. Der Markt hat das vermutlich mit sämtlichen Subkulturen gemacht: wie Hip-Hop, Rap, Grunge, Hippies, Punk, New Wave, Techno, Psy-Trans etc., usw., usf. Also nix Neues auf der Welt. Aber weswegen sollte der Markt genuin „phallokratisch“ sein? Ich könnte mir gut vorstellen, das ist dem Markt bzw. dem digitalen Kapitalismus so ziemlich egal, ob männlich, weiß, schwarz, weiblich, intersexuell, Transgender etc.

Franziska Schutzbach schreibt:

Nicht zuletzt war der genderflexibilisierte Mensch dem Markt auch deshalb zuträglich, weil damit das „Modell Arbeiter“ – das heisst die Einbindung in den Prozess der monetären Wertschöpfung – auf alle ausgedehnt werden konnte. Globale Unternehmen setzen seither auf Diversity-Programme und versuchen, Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine solche Inszenierung von Vielfalt legt nahe, es gäbe keine Ungleichheitsstrukturen mehr.

Das dürfte möglichenfalls mit ein Grund sein, weshalb die Frauenemanzipation so rasch vorangetrieben wurde, zumal der digitale Kapitalismus gut ausgebildete Frauen brauchen konnte und dieses potenzielle „Humankapital“ keinesfalls einfach brach liegen, sondern genutzt werden sollte. Aber was ist nun erneut nicht richtig, wenn globale Unternehmen vielfältiger werden? Neee, wenn die Hierarchien und die Ausbeutungsverhältnisse gleich bleiben und bloß die Menschen darin vielfältiger werden, dann wird die Menschheit nicht viel gerechter, weil die Ungleichheits- und Machtstrukturen verschieben sich nur marginal. Wir haben dann ev. 100 Frauen mehr als vorher in den Führungsetagen der DAX-notierten Unternehmen, aber für die restlichen 99,9% der Frauen wird das keine Veränderung bewirken.

Die männlich konnotierten Maßstäbe und das Patriarchat ohne Patriarch

Franziska Schutzbach schreibt:

Konstruiert wurde der Traum vom „uncumbered self“, einem unbelasteten, freien und erfolgreichen Selbst jenseits von Geschlechter-, Klassen- und Migrationsverhältnissen. Anders ausgedrückt: Im neoliberalen Diversitätsversprechen durften die anderen zur Norm gehören und mitmachen – sofern sie den männlich konnotierten Massstäben entsprachen.

Was sind denn nun die männlich konnotierten Maßstäbe? Und weshalb sollten diese männlich konnotiert sein oder nur männlich konnotiert? Und was wären weiblich konnotierte Maßstäbe? Und wer genau soll diese „männlich konnotierten Maßstäbe“ so geschaffen haben?

Franziska Schutzbach schreibt:

Auf diese Weise ist ein „Patriarchat ohne Patriarchen“ entstanden, eine Welt der Vielfalt, deren Massstab phallokratisch blieb. Das Männliche – aber auch das Weisse – repräsentierte weiterhin das Allgemeine. Partikular waren nur die anderen. Männer spielen Fussball, Frauen spielen Frauenfussball. Der Punkt ist, dass es zur Aufrechterhaltung einer solchen Ordnung nicht einmal Patriarchen braucht.

Ein Patriarchat ohne Patriarchen? Was muss man sich denn nun darunter vorstellen? Folglich: Das Patriarchat funktioniert ausnahmslos auch ohne Männer? Aber dann wäre es doch eher ein Feminat bzw. Matriarchat – oder? Die Autorin hat offenbar bemerkt, dass es eigentlich keine Rolle spielt, wenn in wachsendem Maße Frauen Einzug in die Chefetagen des digitalen Kapitalismus erhalten, zumal sich die Prinzipien des Kapitalismus und des Neoliberalismus nicht verändern, ob dieser nun von Frauen oder von Männern betrieben wird. Da bedient man sich eben nun eines Kunstgriffs und aus dem digitalen Kapitalismus und dem Neoliberalismus wird eine phallozentrische Ordnung oder ein Patriarchat ohne Patriarchen und – oh Wunder: Die Frauen bzw. symbolisch das Weibliche sind wieder die Guten und vermutlich jetzt die Opfer eines Patriarchats ohne einen Patriarchaten als Mann und trotzdem ist das männliche Prinzip der Dämon und die Frauen real oder symbolisch die Guten und die Opfer. Eine Gesellschaft wird vermutlich erst dann als Matriarchat bezeichnet werden, wenn Friede, Freude, Eierkuchen herrscht und Honig und Milch fließt und bis zu diesem Zeitpunkt wird alles, was in der Gesellschaft nicht so läuft, wie es sollte, männlich konnotiert sein; Christoph Kucklick lässt grüssen.

Und immer wissen wir noch nicht, was ein phallokratischer Maßstab ist und weshalb dieser Maßstab so heißt. Und wie er sich von einem „vaginokratischen Maßstab“ unterscheidet. Und dieses Fußballspielen machen die Frauen oder die Männer nicht freiwillig? Sie werden demnach von einer solchen Ordnung dazu gezwungen?

Das bürgerliche Familienideal

Franziska Schutzbach schreibt:

Es ist wie mit dem bürgerlichen Familienideal: Statistisch gesehen leben mehr Menschen längst in Patchwork-Konstellationen, Einelternfamilien oder gleichgeschlechtlicher Elternschaft, gleichwohl ist die vorherrschende Beziehungskultur die bürgerliche Kleinfamilie. Die Wirklichkeit ist seit Jahrzehnten pluralisiert, dennoch orientieren sich die meiste Menschen – oft unbewusst – an einem ganz bestimmten Familienmodell.

Nun weiß ich ja nicht, auf welche Grundgesamtheit sich die Autorin bezieht (Deutschland, Schweiz, Europa?), wenn sie behauptet, dass Patchwork-Konstellationen, Einelternfamilien und gleichgeschlechtliche Elternschaft statistisch die Mehrheit ausmachen. Wenn ich mir mal so die Zahlen aus der Schweiz anschaue, die im Jahre 2016 vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht wurden, dann heisst es dort:

Obwohl sich die Familienformen durch die Zunahme von Eineltern- und Fortsetzungsfamilien gewandelt haben, lebte die grosse Mehrheit (80,4%) der Kinder unter 25 Jahren nach wie vor in einer Erstfamilie.

Ein bisschen eine polemische Frage an die Autorin: Betreibt man eigentlich in den Gender Studies auch quantitative Forschungsmethoden und hier insbesondere das Studienfach Statistik? Oder ist Statistik doch ein wenig zuuu phallokratisch?

Franziska Schutzbach schreibt:

Auch Arbeitsmarkt, Produkte, Wohnungen, Familienrecht, Popkultur, Kinderbücher … alles ist an diesem Massstab orientiert, ohne dass dieser tatsächlich gelebt würde. Wir brauchen also keine Kleinfamilien, um ein Kleinfamilienideal zu haben. Und wir brauchen keine Patriarchen, um am Männlichen orientiert zu sein.

So so! Und aus welcher Statistik ist nun diese Information? Oder ist das auch nur einfach die subjektiv „gefühlte Wahrheit“ der Autorin?

Pierre Bourdieu und die männliche Herrschaft

Pierre Bourdieu

Franziska Schutzbach schreibt:

Gemäss dem Soziologen Pierre Bourdieu („Die männliche Herrschaft“, 1998) operiert das Patriarchat ohne Patriarchen nicht mit direktem Zwang und Gewalt, sondern mit dem Selbstverständlichen, Alltäglichen und Unbewussten. Damit soll nicht direkte Gewalt und Unterdrückung von Frauen verharmlost werden. Natürlich gibt es auch das. Aber die symbolische Gewalt ist ebenfalls wirksam.

Bourdieu hat in seinem Buch „Die männliche Herrschaft“ seine Konzepte der „symbolischen Gewalt“ bzw. „symbolischen Herrschaft“ quasi „freihändig“ auf das Geschlechterverhältnis appliziert, also ohne jegliche repräsentativ empirische Untersuchungen, die das, was er schreibt, ebenfalls bestätigen würden. Es ist also keine empirische Sozialwissenschaft, die dahinter steckt, sondern Sozialphilosophie, ohne jegliche empirische Absicherung und somit nicht mehr als Spekulation.

Franziska Schutzbach schreibt:

In der Schweiz wurde bis in die 1970er-Jahre gegen das Frauenstimmrecht argumentiert, Frauen seien nicht im gleichen Masse Subjekte. Und diese Anordnung wirkt bis heute. Sie zeigt sich zum Beispiel, wenn das Schweizer Fernsehen Dokumentarfilme wie „Die Schweizer“ (2014) produziert mit dem Anspruch, die „Geschichte der Schweiz“ zu zeigen, jedoch das Leben und Handeln von Frauen so gut wie gar nicht vorkommt.

Und zu diesen Aussagen gibt es wiederum empirisch repräsentative Untersuchungen, die genau das belegen, was die Autorin sagt? Woher weiß die Autorin, dass, sollte 1971 die Anordnung so gewesen sein, bis heute wirkt? Die Autorin hat u.a. Gender Studies studiert, sie arbeitet offenbar jetzt auch in den Gender Studies, sodass es für sie sicherlich problemlos wäre, ihre Aussagen mit repräsentativ empirischen Untersuchungen zu belegen.

Franziska Schutzbach schreibt:

Geschichte ist hier Männergeschichte. Erzählt wird eine Art Siegerkriegsschreibung, keine Sozialgeschichte. Es gibt keinen Alltag, keine Liebe, keine Abhängigkeit von Menschen, kein Gebären, keine Pflege. Erzählt wird der Mythos des autonomen Subjekts.

Und in dieser Geschichte werden dementsprechend alle Männer dargestellt und zwar die vom Land und die in der Stadt und von allen Schichten, Klassen und Milieus: solche mit Schweizerpass und ohne Schweizerpass, Behinderte und Nichtbehinderte, Alte, Junge, Kranke, Gesunde etc.? Oder könnte es nicht sein, dass auch hier viele Männer ausgespart bzw. nicht sichtbar werden?

Maskulistische Überlegenheitsphantasmen und die Toxic Masculinity

Franziska Schutzbach schreibt:

Spätestens seit der Wahl von Donald Trump ahnen viele, wie schnell dieser Mythos in maskulistische Überlegenheitsphantasmen umschlagen kann.

Von welchem Mythos ist denn nun jetzt die Rede? Und was sind maskulistische Überlegenheitsphantasmen (Definition, Operationalisierung, empirische Befunde)? Und feministische Überlegenheitsphantasmen gibt es nicht? Wiederum: Frau nur gut, lieb und nett und kann niemandem ein Härchen krümmen?

Franziska Schutzbach schreibt:

Besonders, wenn sie sich mit weisser Suprematie verbinden. Die sich aktuell aufbäumende aggressive Männlichkeit zeigt, wie oberflächlich Diversity war. In amerikanischen Medien ist derzeit oft die Rede von einer „Toxic Masculinity“, einer Art neu erstarkter und gefährlicher Männlichkeit, die sich auf traditionelle Ideale besinnt, sich Frauen einfach „greift“ und auf die Vorherrschaft der Weissen pocht.

Was genau ist nun weiße Suprematie (Definition, Operationalisierung, empirische Belege)? Gibt es desgleichen schwarze oder gelbe oder rote Suprematie? Und was ist eigentlich mit den Frauen? Alle lieb, nett, friedlich, sanft, gutmütig und alles nur Opfer oder Machtlose?

Franziska Schutzbach schreibt:

Ein Machismo, der nachts Hassbotschaften ins Internet schreibt – aber auch die zahlreichen Gewaltanschläge und Schiessereien werden als Ausdruck dieser neuen Männlichkeit gesehen. (Nicht zuletzt wird auch verhandelt, inwiefern „Toxic Masculinity“ vor allem den Männern selbst schadet, ihrer Gesundheit, ihrer Lebensqualität.)

Woher weiß die Autorin, dass die Hassbotschaft ein Machismo war? Ist das eine Ferndiagnose? Und was genau ist eine Hassbotschaft (Definition, Operationalisierung, empirische Befunde)? Und gibt es keine Frauen, die Hassbotschaften versenden, also eine „Toxic Feminity“? Infolgedessen alle Frauen friedliebend, gutmütig, ohne Hass, ohne Aggressivität, ohne Gewalt? Und diese Gewaltanschläge und Schießereien gab es vorher nicht? Gibt es dazu repräsentative empirische Untersuchungen? Und seit wann gibt es nun diese „neue Männlichkeit“? Also quantitativ und qualitativ etwas Neues, was es offenbar vorher nicht gab?

Zu dieser toxischen Maskulinität hat Lukas Schoppe bereits einmal folgendes festgehalten:

Anders Stokowski, die unbekümmert mit dem Begriff der „toxic masculinity“ hantiert, als wäre es belanglos, dass die Gift-Metapher schon lange wichtiger Bestandteil rechtsradikaler, antihumaner Politik ist. Für die Nationalsozialisten war schon die bloße Existenz von Juden – anknüpfend an die Brunnenvergiftungs-Legenden des Mittelalters – eine Volksvergiftung. Gift wiederum ist etwas Fremdes, das in das Eigene eindringt – es zerstört den reinen, gesunden „Volkskörper“ – es breitet sich aus, wenn es nicht gestoppt wird – und die Vergiftung ist heimtückisch. Die offenkundige Eignung der Metapher für rechtsradikale Propaganda müsste eigentlich ein Grund sein, mit ihr in demokratischen Diskursen vorsichtig umzugehen.

Zudem ist der Begriff der toxic masculinity, der vergiftenden Männlichkeit, auf gefährliche Weise mehrdeutig. Er lässt sich leicht so verstehen, dass es sich auf Männlichkeit generell bezöge – aber kann zugleich einschränkend immer dadurch entschärft werden, dass es sich keineswegs auf alle Männer bezöge, sondern nur auf eine bestimmte, besonders destruktive Spielart der masculinity. („Milliarden Männer haben noch nie jemanden umgebracht oder auch nur verletzen wollen. Aber…“) Gerade diese Mehrdeutigkeit würde Menschen wohl davon abhalten, etwa von einer vergiftenden Weiblichkeit oder einem vergiftenden Islam zu sprechen.“

Verändern Pussyrevolutionen die Welt?

Women's March

Franziska Schutzbach schreibt:

Ich bin nicht sicher, ob die Analyse eines sich aufbäumenden Patriarchats zutrifft. Sicher bin ich aber, dass es globale Women’s Märsche und „Pussyrevolutionen“ braucht. Bewegungen, die der anhaltenden phallozentrischen Logik – ob toxic oder neoliberal – etwas entgegenhalten, die den Mythos vom allmächtigen, unverletzlichen, souveränen Selbst infrage stellen. Es geht um nichts Geringeres als um die Verschiebung der vorherrschenden Kulturgeschichte, darum, ihr die Autorität zu entziehen.

Ich frage mich ein bisschen, wo all die Pussyrevolutionen gewesen sind, als die USA und ihre europäischen Adepten den Irak angegriffen haben und u.a. in Syrien, Libyen, Irak primär Chaos und Verwüstung hinterlassen (failed state) bzw. den Islamisten in diesen Staaten so richtig Auftrieb gegeben haben. Hören wir von den postmodernen Linken und ihren Pussyrevolutionen etwas davon, dass die USA beinahe 1000 Militärstationen in aller Welt führen, um Absatzmärkte und Rohstoffe zu sichern  und dabei fast 600 Milliarden USD pro Jahr für das Militär ausgeben. Hören wir etwas von völkerrechtswidrigen Drohnenkriege und verdeckten Kriege der USA und den zahllosen Kriegen seit dem 2. Weltkrieg, die zwischen 6 bis 30 Mio Menschen direkt das Leben gekostet haben. Hören wir etwas von den Feministinnen, wenn Rot-Grün mit der Agenda 2010 den größten Niedriglohnsektor in Europa eingeführt hat?

Und wenn Kriegsminister Ursula von der Leyen in vielen Medien fordert, Deutschland müsse jetzt mehr aufrüsten, dann kann das selbstverständlich auch bloß mit der phallokratischen Ordnung oder dem Patriarchat ohne Patriarch zu tun haben, zumal das Weibliche, auch wenn es bloß symbolisch gemeint ist, ja das Gute und Edle ist. Und das Böse auf der Welt hat sowieso bloß mit der Kulturgeschichte zu tun:, weil Gender Studies sind ja vorrangig eine Kulturwissenschaft und da erklärt man halt am liebsten die gesamte Welt mit Geschlecht und Kultur: Ökonomie? Politische Ökonomie? Makroökonomie? Geopolitik? Internationale Beziehungen? Globalisierung? Sozialer Wandel? Modernisierung,? Individualisierung? Politische Institutionen?  Global Governance? Fehlanzeige: Phallokratie und Patriarchat ohne Patriarch sind die analytischen Begrifflichkeiten, mit denen man die Welt analysiert und damit das Böse besiegen will und folglich braucht es eben Pussyrevolutionen: zumal die Pussy, natürlich nur symbolisch gemeint, das Edle und Gute ist. Strukturlogisch begibt man sich damit in die Nähe von Verschwörungstheorien, die beispielsweise das gesamte Übel auf der Welt desgleichen entweder mit den Juden oder den Freimaurern, oder den Jesuiten oder Illuminaten erklären wollten: also Monokausalität und Manichäismus sind bei der Autorin groß angesagt.

Franziska Schutzbach schreibt:

Eine wichtige Arbeit der Unterworfenen ist, ihre Zustimmung zur Unterwerfung innerlich aufzukündigen, die eigene Unterschiedlichkeit gegenüber dem Massstab zu betonen und versuchen, diese Unterschiedlichkeit in gesellschaftlichen Umlauf zu bringen.

Also, wir landen wieder bei der Diversity oder dem Normalismus (vgl. Link Jürgen: Versuch über den Normalismus). Bloß, damit verhindert man weder Krieg, noch Armut, noch ungerechte Handelsbeziehungen, noch Ausbeutung, das verändert ebenfalls nicht die vorherrschende Makroökonomie oder Politische Ökonomie, auch die Geopolitik wird damit nicht verändert: daraus resultiert höchstens, dass das Kriegsministerium pluralistischer geworden ist und nun ebenso Frauen, Lesben, Schwule, Transgender, Schwarze etc. in den Chefetagen Befehle ausführen und mehr Verantwortung tragen dürfen.

An den weiblichen Subjektformen soll die Welt genesen

Franziska Schutzbach schreibt:

Aber worin könnte diese Unterschiedlichkeit bestehen? Ich denke, es geht darum, andere, ‚weibliche‘ Subjektformen zu erfinden. Subjektivitäten, die sich nicht selbst manifestieren, indem sie andere abwerten, kategorisieren oder gar auslöschen.

Und „weibliche“ Subjektformen werten also nicht ab und kategorisieren ebenfalls nicht und löschen nicht aus? Woher weiß das die Autorin? Gibt es hierzu repräsentativ empirische Studien? Und wenn die Autorin nun eben gerade nicht kategorisieren will, weshalb soll nun das Gute und Edle wiederum mit der einen Kategorie des „Weiblichen“ zusammenhängen? Die Autorin möchte doch Diversity und nun wird dennoch wieder alles monokategorial auf eine Kategorie reduziert!

Franziska Schutzbach schreibt:

In der Pussyrevolution geht es darum, eine Vorstellung von Unterschiedlichkeit zu entwickeln, die nicht auf einer hierarchisierten Ordnung fusst.

Hört sich ja alles sympathisch an, aber ich vermute, außer, dass die Leute dort gleichsam alle uniformiert daherkommen (rosa Strickmützelchen) und eben keine Unterschiedlichkeit symbolisieren, wird das vornehmlich eine riesige Selbstbeweihräucherungs-Veranstaltung, aber greifbare politische Veränderungen werden daraus nicht entwachsen.

Fazit

Eigentlich müsste man einmal die Methode Schutzbach sorgfältig analysieren, aber jetzt nur soviel:

  • Es werden Begrifflichkeiten eingeführt (Phallokratie, phallozentristische Ordnung, Patriarchat, Patriarchat ohne Patriarch, väterliches System, Gender-Flexibilisierung, Modell Arbeiter, männliche Maßstäbe, symbolische Gewalt etc.), ohne diese Begriffe auch nur ein klein wenig zu definieren und anzugeben, was man sich darunter im Alltag oder in der realen Welt überhaupt vorstellen muss. Und man sollte sich fragen, ob die Begriffe überhaupt irgendeinen realen Gehalt in der sozialen Welt besitzen. Meine Vermutung ist viel mehr, dass es eben keine deskriptiven oder analytischen Begriffe sind, sondern vorrangig Kampfbegriffe mit vielfach wenig Realitätsgehalt, bei denen es primär um politische Rhetorik geht.
  • Für ihre Aussagen bringt Schutzbach keine repräsentativ empirischen Belege, und wenn einmal eine Aussage kommt, die einen statistischen Beweis erbringen soll, ist er erst noch falsch.
  • Neben den empirischen Belegen die fehlen, fehlen vielfach ebenso argumentative Begründungen für ihre Aussagen: Das heißt, dass man eben nicht nur etwas behauptet, sondern diese Behauptungen außerdem mit Gründen stützt, infolgedessen einen argumentativen Diskurs führt und daneben sollten die Gründe zudem noch relevant sein und nicht bloße Polemik bzw. Rhetorik.
  • M.E. hat der Duktus der Schutzbachschen Texte vielfach Strukturmerkmale, wie sie bei Verschwörungstheorien vorkommen: die Monokausalität (Patriarchat oder Patriarch oder Phallokratie ist quasi für das gesamte Elend auf der Welt verantwortlich) und der Manichäismus: Das männliche Prinzip, auch wenn es nur symbolisch gemeint ist oder nicht auf alle Männer zutrifft, ist das Böse und das Weibliche das Gute.

Ich empfehle der Autorin übrigens einmal folgende zwei Texte:

Nancy Frazer:Für eine neue Linke oder: Das Ende des progressiven Neoliberalismus

Diego Fusaro: Der scheinheilige Dissens gegen Trump

Weitere Texte zu Franziska Schutzbach:


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