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Eine rosa Mütze für Jesus Christus

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Vorgestern Morgen habe ich aus Versehen die Morgenandacht gehört. Weil mir die Musik in einem anderen Programm nicht gefiel, hatte ich beim Zubereiten des Frühstücks einen anderen Radiosender gesucht, war nichts Böses ahnend beim Deutschlandfunk gelandet – und stieß dort auf die Pastorin Annette Bassler aus Mainz.

jesus

Jesus war ein berühmter Mann, der u.a. Feministinnen Denkmäler gesetzt und den Facepalm erfunden hat.

Frau Pastorin Bassler wiederum trieb der Gedanke um, dass viele Menschen sich zum Frauentag fragen würden:

„Brauchen wir den Tag überhaupt noch? Klar, im Blick auf Bezahlung und Karriere ist auch bei uns noch Luft nach oben. Aber das mit der Gleichberechtigung ist doch ein Selbstläufer. Oder? So wie das mit der Demokratie!

Habe ich auch gedacht. Ist aber nicht so.“

Hat sie gewiss nie gedacht – das jedenfalls macht sie im weiteren Verlauf der Sendung klar.

 

Warum es besser ist, über Männer gar nicht erst zu reden

Nun ist es allerdings wichtig zu wissen, dass Frau Pastorin Bassler die „Verkündungssendungen im SWR“ verantwortet  und dass Verkündungsverantwortliche in der Evangelischen Kirche gemeinhin lernen, sie müssten am Beginn einer Predigt Menschen dort abholen, wo sie stehen. Deshalb fragen Pastoren in Predigten auch manchmal so seltsame Dinge wie „Aber brauchen wir Jesus Christus eigentlich noch?“ oder behaupten irritierende Sachen wie „Auch ich dachte einmal, ich könnte ohne Gott gut durch das Leben gehen.“ Am Ende der Predigt machen sie dann aber zur Erleichterung aller Anwesenden – man sitzt schließlich normalerweise in der Kirche, wenn man so was hört, und schneidet sich nicht gerade seine Frühstücksbanane – deutlich, dass wir Jesus Christus natürlich noch brauchen und ohne Gott eigentlich gar nicht gut durchs Leben kommen.

Von dort ist es natürlich nur ein sehr kleiner Schritt zum Feminismus. Frau Pastorin Bassler zitierte die Trump-Beraterin Kellyanne Conway, die neulich doch tatsächlich behauptet habe, keine Feministin zu sein, weil Feministinnen nämlich etwas gegen Männer hätten. Die Antwort darauf ist so schön, dass ich Frau Pastorin Bassler gern ausführlich zu Wort kommen lasse:

„Aber Frau Conway hat recht. Sie ist keine Feministin. Feministinnen schauen nämlich genau hin. Und sie differenzieren. Natürlich haben Feministinnen nichts gegen Männer. Aber sie haben etwas gegen ein bestimmtes Verhalten von Männern. Wenn die sich nämlich selbstgefällig und übergriffig Rechte herausnehmen, die sie Frauen verweigern. Wenn diese Männer die Kritik an ihrem Verhalten gleichsetzen mit einer Kritik an ihrer Person, wenn sie beleidigt sind, nur weil man sie kritisiert hat, dann haben diese Männer ein Problem. Und genau das zeigen Feministinnen auf.“

Das nun meint Frau Pastorin Bassler ganz ernst. Das behauptet sie nicht nur, um Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, um ihnen dann zu zeigen, dass sie ganz falsch lagen.

Was genau aber – so dachte ich mir übergriffig – wäre eigentlich so schlimm daran, wenn die Pastorin zugestehen würde, dass viele Feministinnen natürlich sehr viel gegen Männer haben? So ist es nun einmal – und Gegnerschaft in der Politik ist ja gar nichts Ungewöhnliches. Schließlich haben ja auch, zum Beispiel, viele AfD-Leute etwa gegen Grüne und nicht nur gegen grünes Verhalten, was immer das sein mag. Oder viele Werder-Fans haben etwa gegen HSV-Fans, und umgekehrt. Sie würden sich lächerlich machen, würden sie behaupten, die Gegnerschaft richte sich lediglich gegen bestimmte Verhaltensweisen, ansonsten wären die anderen prima Kerle.

Das Problem ist hier aber wohl: Gegnerschaft gegen bestimmte Gruppen von Menschen gehört zwar in vielen Bereichen unbestritten zum Wettbewerb, gilt aber nun einmal nicht als uneingeschränkt gut. In einer Verkündigungssendung ist sie also leider deplatziert.

Besser wär’s gewesen, hätte Frau Pastorin Bassler gar nichts über Männer gesagt, die ja ohnehin meist breitbeinig in Verkündigungssituationen herumsitzen und meinen, alles müsste sich um sie drehen. So aber reitet sie sich, ohne es so recht zu merken, in eine unglückliche Position hinein. Würde jemand sagen „Ich habe natürlich nichts gegen Juden, sondern nur gegen ihr selbstgefälliges und übergriffiges Verhalten“ – dann würde jeder halbwegs vernünftige Mensch alarmiert sein, anstatt beruhigt „Na, denn ist ja gut“ zu murmeln und auf weitere Offenbarungen zu warten.

Es ist ja nicht einmal nötig, eingehend darauf hinzuweisen, dass Valerie Solanas‘ „SCUM“ seit Jahrzehnten und bis heute ein feministisches Kultbuch ist und dass darin die systematische Ermordung aller Männer gefeiert wird. Jasmin Tabatabei hat daraus vor einer Weile noch in Schwarzers Frauenmediaturm vorgelesen. Sicher hatte auch Solanas nichts gegen Männer, sondern nur gegen bestimmte Formen männlichen Verhaltens – die aber nun einmal zufällig bei sämtlichen Männern der Erde vorzufinden sind.

Die bis heute verehrte feministische Theologin Mary Daly wollte den Anteil der Männer an der Weltbevölkerung auf einen kleinen Teil begrenzen – was aber, genau genommen, Frau Pastorin Bassler in der Meinung bestätigen kann, sie hätte als Feministin ja nichts gegen ALLE Männer. Alice Schwarzer jubelte, als eine Frau ihrem schlafenden Mann das Geschlechtsteil abschnitt. Während sich hier die Feindschaft sich möglicherweise nicht gegen die ganzen Männer, sondern nur gegen einige Körperteile richtet, ist das bei einem Hashtag wie „killallmen“ etwas schwieriger. Es sei denn, Frau Pastorin Bassler versichert, alle Männer töten zu wollen bedeute ja nun nicht zwangsläufig, dass man etwas gegen sie habe.

Aber so genau wollte sie dann nun auch wieder nicht hinschauen. Dass Feministinnen nichts gegen Männer hätten, das mag aus weiter Ferne und mit zusammengekniffenen oder gleich ganz geschlossenen Augen so erscheinen. Wer sich aber ab und zu mal näher anschaut, wie feindselig viele Feministinnen über Männer denken, und wie wenig sie dafür von anderen Feministinnen angegriffen werden – der wird sich wünschen, er hätte sich lieber weiter die Hand vor die Augen gehalten.

 

Der Herr Tur Tur der deutschen Geschlechterpolitik

Ähnliches gilt für Überzeugungen wie die vom Gender Pay Gap. Der Glaube, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen würden als Männer, verschwindet um so vollständiger, je näher jemand sich die tatsächlichen Gegebenheiten anschaut – und je deutlicher dabei wird, dass zu unterschiedlichen Verdiensten eben auch eine unterschiedliche Arbeit gehört. In Michael Endes „Jim Knopf“ begegnen Jim und Lukas, der Lokomotivführer, dem Scheinriesen Herrn Tur Tur, der aus der Ferne riesig aussieht, aber kleiner wird, je näher sie ihm kommen. Der Gender Pay Gap ist der Herr Tur Tur der Geschlechterpolitik.

Wer einmal spaßeshalber das Aufschrei-Buch der bekannten deutschen Feministin Anne Wizorek mit dem Plädoyer für eine linke Männerpolitik von Arne Hoffmann vergleicht, wird sich endgültig fragen, wie eigentlich Frau Pastorin Bassler auf die Idee kommt, Feministinnen würden – und dies vor allem – „genau hinsehen, hinterfragen, Ungerechtigkeiten aufdecken“.

Hoffmanns Buch ist voller Fakten, Hinweise, Belege, zusammengetragen über Lebenssituationen von Männern weltweit. Wizoreks Buch ist weitgehend belegfrei und beim Lesen irritierend, weil nie so recht deutlich wird, warum die über dreißig Jahre alte Autorin eigentlich beständig in einem so bemüht flott-jugendlichem Stil schreibt, als sei sie gerade intensiv mit ihrer Pubertät beschäftigt.

Für Frau Pastorin Bassler aber gehört Wizorek damit in eine

„Geschichte der Befreiung aus Ohnmacht und Abhängigkeit. Was mich an dieser Geschichte so besonders fasziniert? Es ist ein Befreiungskampf ohne Waffen und ohne Blutvergießen. Eine gewaltfreie Revolution.“

Auch bei dieser Aussage ist es besser, nicht so genau hinzusehen. Schon Margarete Mitscherlich hatte in ihrem einflussreichen Text „Die friedfertige Frau“ die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als Rückschritt für Frauen beschrieben, als „Welle konservativer und regressiver Konsolidierung der Familien- und Geschlechterverhältnisse“ – denn sie seien zuvor „während der Abwesenheit des Vaters im Kriege oder als Witwe selbst Familienoberhaupt“ gewesen. Dass damit das nationalsozialistische Deutschland als Motor der Frauenbefreiung dastand – dass diese Befreiung eben durch einen gigantischen Krieg möglich wurde, in dem die Männer zu Millionen als Kanonenfutter verheizt wurden: Das konnte Mitscherlich in den achtziger Jahren ebenso gleichgültig sein wie ihren begeisterten Leserinnen. Die Frauen profitierten im Text von einer Gewalt, die sie nicht selbst ausübten.

Das ist kein Einzelfall. Gerade feministische Mütterlobbyistinnen haben verbissen für die Fortsetzung erheblicher rechtlicher Benachteiligungen von Vätern gekämpft. Für die Folgen des hunderttausendfachen Vater- und Kindesverlusts müssen sie sich ebenso wenig verantworten wie dafür, dass damit Menschenrechte erheblich verletzt wurden. Die nötige Gewalt haben sie nun einmal delegiert – an staatliche Institutionen und insgesamt an einen staatlichen Gewaltapparat.

Wenn die britische Feministin Jessica Valenti zur hundertfachen Freude ihrer Anhängerinnen „I bathe in male tears“ verkündet,  dann ist das gleich auf zwei Ebenen gewaltsam.

Grundsätzlich ist es ein Ausdruck der Freude über das Leid anderer – und Hoffmanns Buch zeigt eindrücklich auf, dass Menschen in vielen Bereichen Leid erfahren, nur weil sie dem männlichen Geschlecht angehören.

Da es aber eigentlich ein großes Tabu ist, offen Freude über das Leid anderer Menschen auszudrücken, und da auch Valenti das sicher ebenso weiß wie ihre begeisterten Fans, wirkt der Male Tears-Slogan noch auf eine zweiten Ebene, einer Meta-Ebene. Gerade der offene, demonstrativ schamlose Ausdruck der Freude macht deutlich: Wenn es um Männer geht, dann ist Freude am Leid anderer ganz in Ordnung.

Das ist nicht direkt gewalttätig, wenn auch sehr verletzend. Es verdeckt aber durchaus mit Absicht menschliches Leid und erweckt den Eindruck, dieses Leid sei nicht der Rede wert, dürfe sogar zum Anlass für bewusst fade Witze genommen werden.

 

Auch Jesus würde heute rosa Mützen tragen!

Diese Ignoranz für Leid und Notlagen prägt nicht nur einen schrägen, wenn auch erfolgreichen Aktivismus, sondern auch die Politik. Gerade hat sich die deutsche Jugendministerin mit einem Kommentar zur Bildung von Kindern und Jugendlichen präsentiert.

schwesig mädchen

Die Vorstellung, Feminismus sei nicht gewalttätig, lässt sich nur halten, weil ersten Gewalt delegiert wurde und wird, und weil zweitens die Konsequenzen der Gewalt ignoriert werden. Es gibt aber nun vermutlich überhaupt keine große soziale Bewegung, die ganz gewaltlos blieb. Was ist dann so schlimm daran, einzugestehen, dass der Feminismus nicht anders ist? Weil Gewalt in Verkündigungszusammenhängen störend wirkt?

Da geraten Jungen seit Jahrzehnten schulisch in  Not – die Jugendministerin aber sorgt sich allein um die Mädchen. Das wäre ebenso gewaltsam, wenn es umgekehrt wäre – denn es ist gewaltsam, Kinder entsprechend ihrer Geschlechtszugehörigkeit zu selektieren und zu unterscheiden, wer von ihnen Anspruch auf Schutz und Hilfe hat und wer nicht. Möglich wird das wohl eben durch Schwesigs feministische Überzeugung, dass Jungen einem privilegierten Geschlecht angehörten und daher – gegen alle empirischen Daten – keine Hilfe nötig hätten.

Nun würde Frau Pastorin Bassler aus Mainz mich sicher abholen und mir erklären, dass es doch nicht gegen Jungen gerichtet sei, wenn Frau Ministerin Schwesig etwas für Mädchen täte. Mir aber käme ein einfaches Beispiel in den Kopf, bei dem ich nicht weiß, wie sie darauf reagieren würde. Wenn jemand sähe, wie ein Schwarzer und ein Weißer verprügelt werden – und wenn er dann rufen würde: „Helft dem Weißen! Helft dem Weißen!“ – wäre es dann nicht gerechtfertigt, ihn als Rassisten anzusehen?

Ist es aber andererseits überhaupt denkbar, dass die Familien- und Jugendministerin eine Sexistin ist, und das sogar, obwohl sie Feministin ist? Denn soviel sollte doch wohl klar sein: „Schon Jesus hat diesen Feministinnen ein Denkmal gesetzt.“

Ich weiß zwar nicht so recht, ob Jesus etwas davon weiß, aber er kann sich da ganz gewiss auf die Mainzer Pastorin verlassen. Er habe nämlich in seinem „Gleichnis von der bittenden Witwe“ etwas über eine Frau erzählt, die vor Gericht erschien, obwohl eine „Frau kein Recht hat, vor Gericht zu erscheinen. Nur Männer konnten Rechte einklagen.“

Ich weiß nicht, ob der Frau Pastorin Bassler dabei so wie mir einfiel, dass bis vor ganz kurzer Zeit Männer in Deutschland kein Recht hatten, im Sinne der Sorge für ihre Kinder vor Gericht zu gehen – aber so genau muss sie ja nun auch wirklich nicht hinschauen.

Lieber erzählt sie über die Frau, die immer wieder laut protestieren würde und damit genau dasselbe machen würde „wie die Frauen, die derzeit in Amerika mit rosa Mützen auf die Straße gehen“ (Jesus hatte auch etwas gegen Trump).

„Und Jesus sagt: ‚Genau so sollt ihr bitten. Seid euch nicht zu schade, immer wieder zu schreien und zu klagen. Seid euch nicht zu schade, auf die Nerven zu gehen, wenn man euch euer Recht vorenthält. (…)“

Hier ist nun endgültig nicht mehr klar, ob Jesus eigentlich weiß, was er da über die „Fähigkeit zur Penetranz“ gesagt hat – oder ob Frau Pastorin Bassler hier einfach nur selbstbewusst herausarbeitet, was Jesus eigentlich sagen wollte, aber nur eben nicht so gut ausdrücken konnte wie eine Verkündigungsverantwortliche des SWR.

Kurz dachte ich, dass wir uns zumindest daran ein Beispiel nehmen könnten: Menschen nicht ich Ruhe zu lassen, wenn sie Inhumanes verkünden – ihnen auf die Nerven zu gehen – sie in Gespräche zu drängen – auf Rechtfertigungen zu bestehen. Dann aber wurde mir schnell klar, dass das natürlich eine erhebliche Belästigung wäre. Harassment. Stalking. Hate Speech.

Also höre ich lieber einfach weiter zu und erfahre auch dabei viel. Jesus hat zum Beispiel Feministinnen Denkmäler gesetzt. Manche Männer reagieren schon beleidigt, wenn man ihnen einfach den Tod androht oder ihnen ihre Kinder nimmt. Die evangelische Verkündigung schließt den Glauben an die Kraft des Feminismus ein. Feministinnen schauen genau hin, jedenfalls, wenn man nicht so genau hinschaut. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllt seinen Bildungsauftrag auf beeindruckende Weise.

Und Frau Pastorin Annette Bassler aus Mainz ist ein sehr ehrenwerter Mensch.


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