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Argumentieren wie Schwesig

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Was wir alle von der Bundesfamilienministerin lernen können

Wenn die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig dem Spiegel ein großes Interview gibt, und wenn sich dann noch am selben Nachmittag eine ganze Horde von Männern bei Twitter darüber lustig macht, dann ist die Sachlage eigentlich klar: Hier können Männer es offensichtlich nicht ertragen, dass eine junge, selbstbewusste Frau ihren Weg in der Politik und bis an die Spitze des Ministeriums gegangen ist. Statt die Leistung dieser Frau anzuerkennen, machen sie männliche Privilegien geltend, setzen die Frau symbolisch in Tweets herab – und merken gar nicht, dass sie dabei wirken wie die alten Herren Waldorf und Statler aus der alten Muppet-Show.

waldorf

Quelle: m.gifford

Da ich aber zufällig einer dieser Männer bin, sieht die Situation für mich ein wenig anders aus. Zwar fänd ich es gut, wenn nach Heiner Geißler in den Jahren 1982-85 endlich einmal wieder ein Mann das Familienministerium leiten würde, damit der Eindruck zumindest irritiert wird, Familie und Kinder wären reine Frauenangelegenheiten. Dafür aber ist Schwesig ja nun nicht allein verantwortlich.

An ihr stört mich nicht ihr Geschlecht, sondern ihre Politik.

Als Trennungsvater merke ich nur zu gut, wie hart, kalt und einseitig diese Politik ist. Dass Väter mit mehreren hundert Euro Umgangskosten im Monat vielleicht einmal Hilfen gebrauchen könnten, um den Kontakt mit ihren Kindern nicht schon aus finanziellen Gründen zu verlieren – das interessiert die Ministerin gar nicht.

Stattdessen fordert sie laut, unterhaltssäumigen Vätern den Führerschein zu entziehen – wohl wissend, dass umgangspflichtige Mütter deutlich säumiger zahlen und dass viele Väter gar nicht mehr zahlen können. Anstatt zu überlegen, ob nicht eine Politik der Idealisierung von Alleinerziehung für die Betroffenen ruinös ist, macht die Ministerin Politik mit Ressentiments – mit Ressentiments gegen Menschen, für die sie eigentlich verantwortlich sein sollte.

Dazu die Neigung zu Schaufensterpolitik (Entgeltgleichheitsgesetz), zu irreführenden Informationen (Gender Pay Gap) oder zu einseitiger Bedienung winziger Klientels (#TeamGinaLisa): Wer glaubt, Schwesig habe nur deshalb Gegner, weil sie eine Frau ist, der hat sich noch nie ihre Politik angeschaut.

Da ist es wichtig, sich nicht in Bitterkeit oder Wut zurückzuziehen, sondern sich ab und zu einmal über eine solche Politik und die Wortblasen, mit denen sie verkauft wird, lustig zu machen. Solange da eben noch erlaubt ist.

seifenblasen

(Symbolbild)

Fußnoten zu Platon und Fußnoten zu Schwesig

Der britische Philosoph Alfred North Whitehead hat einmal behauptet, alle abendländische Philosophie sei eigentlich als eine Serie von „Fußnoten zu Platon“ zu verstehen.  Wer wüsste das besser als wir, die wir verstehen, wie wichtig Platons Grundsatz war, dass ein wohlgeordneter Staat von weisen Philosophenherrschern geleitet werden müsste.

Kaum war beispielsweise das Interview online, das die Familienministerin Manuela Schwesig den Spiegel-Journalistinnen Barbara Hans und Anna Reimann gegeben hatte – da bildete sich auf Twitter auch schon der Hashtag #ArgumentierenWieSchwesig. Sein Zweck: Die Essenz des Interviews zu konservieren und deutlich zu machen, was wir alle daraus lernen und mitnehmen können.

Ich habe mich daran gern selbst beteiligt und werde im folgenden Text vor allem auf meine eigenen Überlegungen stützen, die ich in der bei Twitter üblichen Komplexität angstellt habe. Dazwischen werde ich mich so weit wie nur möglich zurückhalten und lediglich Passagen aus dem Interview mit der Ministerin zitieren, damit sich alle selbst ein Bild davon machen können, ob und inwieweit ich ihren Überlegungen gerecht zu werden vermochte. Los geht’s :

 

Wie viel verdienen Kollegen? „Das Recht zu erfahren, ob man im Vergleich mit mindestens sechs Kollegen gleichermaßen eingestuft ist oder ob es da Unterschiede gibt, ist […] ein zentrales Instrument.“

Victim Blaming „Statt strukturelle Ungleichheiten zu bekämpfen, versucht man lieber die Schuld den einzelnen Frauen in die Schuhe zu schieben. […] Die Frau ist ja selbst schuld, wenn sie als Altenpflegerin statt als Automechanikerin arbeitet und deshalb weniger verdient.“

Wer mir widerspricht, beweist damit nur, dass ich recht habe „Das Gesetz bietet mit dem Auskunftsanspruch und den Berichtspflichten konkrete neue Instrumente. Sonst hätte es ja auch nicht diesen massiven Widerstand gegeben.“

Oder auch:

Wirksam ist immer gut „Die Gesetze, die ich auf den Weg gebracht habe, sind wirksam. Nur deshalb hat es diese harten Auseinandersetzungen ja gegeben.“

Mehr Härte Spiegel: „In einem anderen Fall hat ein weich gestaltetes Gesetz das Gegenteil dessen bewirkt, was Sie bezweckt haben. […]“ Schwesig: „Ich bin überrascht, dass diese Firmen härtere gesetzliche Regelungen geradezu provozieren.“

Lebensferne „Das Gesetz ist nicht lebensfern, sondern wichtig für viele Frauen.“

Weniger arbeiten „Daher schlage ich die Familienarbeitszeit vor. Mit ihr gibt es einen finanziellen Ausgleich, wenn beide Partner ihre Arbeitszeit ein wenig reduzieren und sich die Familienarbeit gerechter teilen.“

Populismus Spiegel: „Einige Ihrer Vorstöße klingen sehr plakativ und ziemlich populistisch. So wollen Sie zum Beispiel Vätern, die keinen Unterhalt zahlen, den Führerschein entziehen.“ Schwesig: „Ich sehe darin keinen Populismus und meine den Vorstoß vollkommen ernst. Es bringt mich auf die Zinne, wenn sich Eltern aus der Verantwortung stehlen.“

Empathie „Man muss sich in die Lebenslagen der Menschen hineinversetzen können. Man braucht Empathie.“

Gute und böse Populisten „Wir dürfen Rechtspopulisten nicht das Feld überlassen, indem wir die Emotionen der Menschen nicht mehr ansprechen.“

Wir und die „Rechtspopulisten benutzen die Sorgen der Menschen und schüren sie. Wir wollen die Ängste ernst nehmen und Lösungen finden.“

Entfremdung von der Politik „Merkels nüchterner Politikstil spricht die Menschen nicht mehr an. Die Menschen fühlen eine Entfremdung von der Politik.“

Ängste und Fakten „Es reicht jedenfalls nicht, einem Menschen, der Angst hat seinen Job zu verlieren, Fakten entgegenzuhalten.“

Alphamänner „Wir dürfen auch nicht den Eindruck erwecken, dass es nur noch um Putin, Erdogan und Co. geht.“

Weinerlich Spiegel: „Der CDU-Mann Volker Kauder hat Ihnen vor einiger Zeit in Bezug auf Ihren Einsatz für die Frauenquote Weinerlichkeit vorgeworfen.“ Schwesig: „[Es gibt] immer viele ältere Herren […], die versuchen, die Benachteiligung von Frauen herunterzuspielen und Frauen klein zu machen.“

SPD „Anders als bei den vergangenen Bundestagswahlen gibt es dieses Mal die reale Option, dass die SPD stärkste Partei wird.“


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