Kritik am Feminismus – mansplained to a feminist
Es mache sie fassungslos, „wie man sich heute nicht als Feministin bezeichnen könne.“ So zitiert der Spiegel gerade die Schauspielerin Ellen Page, für die der Feminismus – um das einmal mit einem Merkel-Begriff auszudrücken, der im Jahr 2010 zum Unwort des Jahres gewählt wurde – alternativlos ist.
Im Blog Alles Evolution gab es vor einer Weile eine lange Diskussion mit der Bloggerin Alice Greschkow. Greschkow hatte in einem Artikel darüber geschrieben, wie schwer sie es finde, mit Männern über Feminismus zu sprechen. Es sei wie ein „Eierlauf“, „als würde ich dem Mann einen unsichtbaren Schatz wegnehmen wollen“. Gerade nach den Ereignissen in Köln gehe sie aber oft offensiv auf Männer zu und frage – „sag mal, was hältst Du vom Feminismus?“
Die Frage erscheint hier als zeitgemäße Version der berühmten Gretchenfrage aus dem Faust, mit der Margarete herausfinden wollte, ob Faust tatsächlich ein ehrenhafter Mann ist – Wie hast du’s mit der Religion? Mit jeder andere Antwort als einem entschlossenen Ausdruck der Begeisterung diskreditiert sich dann der Antwortende selbst. Für Gretschkow ist ihre Frage aber möglicherweise als Auftakt eines offenen Gesprächs gemeint, nicht als dessen Ende.
Tatsächlich sind mir im Offline-Leben schon Frauen begegnet, die sich als Feministinnen bezeichnet haben und die im Hinblick auf Geschlechterthemen gesprächsbereit waren (im Netz natürlich seltener, da sind Menschen in der Regel entweder gesprächsbereit oder feministisch). Oft hat der Feminismus, so mein Eindruck, für sie eine erhebliche persönliche Bedeutung – als eine politische Bewegung, der sie ihre persönlichen Freiheiten zu verdanken hätten, oder die ihnen dabei geholfen habe, selbstbewusst zu leben.
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Beim Lesen der Diskussion mit Frau Greschkow kam mir dann die Idee, für Feministinnen einmal aufzuschreiben, warum es trotz allem Menschen gibt, die an feministischen Positionen Kritik üben – warum es also Menschen gibt, die trotz aller offenkundigen Alternativlosigkeit noch immer nach Alternativen suchen.
Kritik am Feminismus – Mansplained to a Feminist.
Was sind das eigentlich für Leute, die den Feminismus kritisieren? Eigentlich sind feministische Positionen politische Positionen wie andere auch und können damit selbstverständlich zum Gegenstand von Kritik werden. Dass diese Kritik legitim ist, bedeutet dann ebenso selbstverständlich nicht immer schon, dass sie auch sachlich treffend ist.
Wenn Positionen aber als alternativlos betrachtet werden, dann ist natürlich Kritik an ihnen zwangsläufig unvernünftig. Dann stellt sich auch nicht die Frage nach den – guten oder schlechten – Gründen der Kritiker, sondern nach den persönlichen Motiven, die sie bewegen. Ihre Kritik an feministischen Positionen sage also nichts über diese Positionen, sondern bloß etwas über die Kritiker selbst aus.
So ist es dann aber ein wesentliches Problem im heutigen Feminismus, dass seine Vertreterinnen in aller Regel schon alle Antworten kennen, bevor überhaupt eine Frage gestellt wurde. Warum es Menschen gibt, die sich von ihren Ideen distanzieren, ist beispielsweise immer schon geklärt, ohne dass diese Menschen überhaupt den Mund aufgemacht haben. Es liegt dann natürlich daran, dass sie an Privilegien gewöhnt sind, die sie sich nicht nehmen lassen wollen – oder dass sie Herrschaftspositionen nicht verlieren wollen – oder dass sie reaktionären Geschlechterbildern nachhängen – oder dass sie irgendjemanden brauchen, dem sie die Schuld für ihre persönlichen Probleme geben können.
— Ja, so etwas gibt es. So wie es auch Menschen gibt, die denken, Flüchtlinge seien Schuld an ihren Problemen – oder Männer – oder Maskus – oder Hersteller von Barbiepuppen, die unrealistische Schönheitsideale transportieren. Dass Menschen nach Sündenböcken suchen, ist recht normal – das aber rechtfertigt es nicht, vernünftigere Gründe für Kritik zu ignorieren.
Als Faustregel: Wenn dir Idioten widersprechen, bedeutet das nicht schon zwangsläufig, dass du im Recht bist.
Egalitäres Selbstbild, anti-egalitäre Praxis Die wesentliche Kritik am heutigen Feminismus, so kurz wie möglich formuliert: Er ist eine sehr einflussreiche anti-egalitäre politische Bewegung. Das wird für Feministinnen absurd klingen, weil nach ihrem Verständnis feministische Positionen definitionsgemäß egalitär sind und in jedem Fall für Gleichberechtigung stehen. Das kann aber eben auch bedeuten, dass Selbstverständnis und politische Praxis im heutigen Feminismus weit auseinanderklaffen.
Eben das stellt Kritiker wiederum vor ein seltsames Problem: Sie erleben überrascht, dass sie, gerade weil sie das egalitäre Selbstverständnis von Feministinnen ernst nehmen und teilen, als „Frauenhasser“ oder als reaktionäre Verfechter von Privilegien hingestellt werden.
Sind wir schon alle gleichberechtigt? Aus der Perspektive der meisten heutigen Feministinnen ist Gleichberechtigung bloß formell erreicht, tatsächlich aber seien Frauen weiter benachteiligt – etwa in der Bezahlung von Berufen oder der Besetzung von Spitzenpositionen. Dabei aber stimmt schon die Grundannahme nicht – eine formelle rechtliche Gleichberechtigung gibt es in Deutschland nicht.
Es gibt zwar kein einziges deutsches Gesetz, das Frauen rechtlich benachteiligt. Es gibt aber sehr wohl Gesetze, die Männer benachteiligen – allen voran die Gesetze zur Kindessorge und zum Unterhalt, die erhebliche Folgen für Betroffene haben können, für Väter und für Kinder. Die Wehrpflicht für Männer ist ausgesetzt, nicht abgeschafft – Posten wie der der Gleichstellungsbeauftragten werden nur an Frauen vergeben. Die Beschneidung von Jungen ist erlaubt, die von Mädchen nicht – obwohl beide die körperliche Integrität erheblich verletzen. Selbst die für die meisten Menschen unaufällige Tatsache, dass weiblicher Exhibitionismus im Unterschied zum männlichen erlaubt ist, kann für einige Betroffene erhebliche Folgen haben.
Ginge es um Gleichberechtigung, dann müsste heute vor allem die Position von Männern oder Jungen verbessert werden.
Sind Rechte von Männern wichtig? Aus ihrer Perspektive ist es allerdings in aller Regel nicht die Aufgabe von Feministinnen, sich auch noch um gesetzliche Benachteiligungen von Männern zu kümmern. Das Problem dabei: Wer sich auf Gleichberechtigung beruft, muss gleiche Rechte aller im Auge haben. Ich will gleiche Rechte, die anderen aber sollen keine gleichen Rechte haben – das ist offenkundig eine widersprüchliche Position.
Sie übersieht, zum Beispiel, dass die Erfolge des Feminismus immer auch deshalb möglich wurden, weil hinreichend viele Männer am Kampf gegen Benachteiligung von Frauen beteiligt waren: Warum sollte das umgekehrt ausgeschlossen sein?
Sie übersieht auch, dass viele Feministinnen gegenüber den gesetzlichen Benachteiligungen von Männern nicht nur indifferent sind, sondern auch aktiv und auch mit großem Einsatz dafür eintreten, dass diese Benachteiligungen bestehen bleiben. Ohne den durchaus verbissenen Widerstand feministischer Mütterlobbyistinnen in den rot-grünen Parteien und ihre Infrastruktur wäre es niemals möglich gewesen, dass die grund- und menschenrechtswidrige rechtliche Benachteiligung von Vätern über Jahrzehnte Bestand hatte und auch heute noch nicht ganz beseitigt ist. Auch und gerade hier ist der heutige Feminismus eine Bewegung für rechtliche Ungleichheit von Menschen.
Brauchen wir einen Opferwettkampf? Das ist aus der Perspektive vieler Feministinnen auch unproblematisch – denn die rechtlichen Benachteiligungen von Männern seien nicht einmal ein kleiner Ausgleich für die sozialen Benachteiligungen von Frauen in der Männergesellschaft: Gender Pay Gap, Besetzung von Aufsichtsratsposten, Alltagssexismus seien deutliche Symptome davon.
Während aber rechtliche Benachteiligungen klar benannt werden können, ist die Beurteilung sozialer Benachteiligungen immer auch eine Frage der Abwägung – und des Ausgleichs verschiedener Perspektiven und Interessen. Dabei geht es nicht darum, einen Wettkampf von Männern und Frauen um die die glaubwürdigste Darstellung der Opferrolle zu initiieren, und auch nicht darum, der Vorstellung einer umfassenden Unterdrückung von Frauen nun eine der umfassenden Unterdrückung der Männer entgegenzustellen.
Wer sich aber allein auf die Perspektive und die Situation von Frauen konzentriert, kann überhaupt nicht vergleichen, ob geschlechtsspezifische Benachteiligungen Frauen oder Männer stärker treffen – oder besser noch: entscheiden, in welchen Zusammenhängen Frauen und in welchen Männer geschlechtsspezifische Benachteiligungen erfahren. Das aber ist wohl einer der Kernfehler des heutigen Feminismus: Er öffnet sich nicht gegenüber den Perspektiven von Männern, sondern schottet sich gegen sie ab – und er interpretiert soziale Phänomene stereotyp als Hinweise auf die Benachteiligung von Frauen.
Wo bleibt eigentlich diese Männerherrschaft? Selbst die Tatsache, dass der weitaus überwiegende Teil der Obdachlosen männlich ist, wurde so von einer österreichischen Sozialdemokratin als männliches Privileg gedeutet – männliche Obdachlose würden ihre Situation „mit einem Doppelliter in der Öffentlichkeit“ feiern (und dabei, selbstredend, anständigen Menschen auf die Nerven gehen). Die exklusive Verpflichtung zum Wehrdienst konnte als Privileg einer militarisierten und natürlich gewaltvollen Männlichkeit gedeutet werden, die deutlich geringere Lebenserwartung hingegen als Schuld der ungesund lebenden Männer selbst. Häusliche Gewalt gegen Männer, statistisch betrachtet etwa ebenso häufig wie die gegen Frauen, wird entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder als Auflehnung gegen männliche Herrschaft umgedeutet.
Das alles wäre immer noch als Teil einer offenen Diskussion legitim, wenn es denn eine solche offene Diskussion gäbe. Doch auch dies scheitert an Doppelstandards.
Kritik am Feminismus nämlich sei eine Form des Hasses, des Frauenhasses natürlich. Das Eintreten für die Rechte von Männern sei tendenziell rechtsradikal und gar von Sympathien für den Massenmörder Breivik geprägt: Diese Position wird eben nicht einfach von ein paar obskuren Radikalfeministinnen bezogen, sondern von Institutionen wie der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Heinrich-Böll-Stiftung. Der amerikanische Soziologe Michael Kimmel nennt männerrechtliches Engagement völlig selbstverständlich in einem Atemzug mit rassistischem oder faschistischem Terrorismus – und wird dafür vom Bundesforum Männer zum Vortrag eingeladen. Auch Zeitungen wie die Zeit (die taz sowieso) oder öffentlich-rechtliche Sender greifen diese durchgehend haltlosen Darstellungen ungeprüft auf.
Wo bleibt eigentlich diese „Herrschaft“, die Feministinnen Männern zuschreiben, wenn solche Angriffe bedenkenlos und institutionell abgesichert gegen ein paar Blogger, ehrenamtlich Aktive oder Kommentatoren im Internet gefahren werden?
Wer hasst hier eigentlich wen? Während aber etwa der feministische Autor Thomas Gesterkamp schon offene Zweifel am wissenschaftlichen Wert seiner Texte als Zeichen des „Hasses“ deutet, erscheinen selbst erhebliche Beschimpfungen von Kritikern als legitim und harmlos: Ein Journalist bezeichnet Männerrechtler offen als „menschlichen Abschaum“ und als „Nazis“ und wird dann von der Friedrich Ebert Stiftung als Experte zur Aufklärung über Internet-Hass eingeladen. Die Bloggerin Erzählmirnix macht sich in Comics über Männerrechtler und Feministinnen lustig, erntet dafür von Feministinnen einen enormen Shitstrom und wird von der ehemaligen Stern-Kolumnistin Yasmina Banaszczuk als „Scheiße“ beschimpft. Ebensowenig, wie Kritik am Feminismus frauenfeindlich ist, ist der Feminismus selbst also gegen Frauenfeindlichkeit immun.
Die Vorzeigefeministin Anne Wizorek veröffentlicht Bilder von der Verwüstung einer Berliner Apotheke und verbittet sich jede Kritik an dieser politischen Gewalt. Das Vergehen des Apothekers: Er hatte aus religiösen Gründen keine Pille danach verkaufen wollen, so dass Paare, die eine haben wollten, unbequemerweise eine der über siebzig anderen Apotheken in Neukölln aufsuchen mussten.
Gewaltphantasien haben traditionell einen festen Platz im Feminismus – nicht allein in der irren Zuspitzung von Valerie Solanas, die eine Ermordung aller Männer fordert, sondern auch in den wiederholten Forderungen, den Anteil von Männern an der Weltbevölkerung eugenisch zu reduzieren – etwa erhoben von der anerkannten feministischen Theologien Mary Daly.
Ich unterstelle Feministinnen nicht, dass sie allesamt diese Gewaltnähe teilen – ich verstehe aber nicht, warum sie sich nicht damit auseinandersetzen, dass sie einen so festen Platz im Feminismus hat.
Deutlich ist jedenfalls auch hier, dass der heutige Feminismus eine anti-egalitäre Bewegung ist. Es geht darin nicht um einen allen Menschen gemeinsamen Rahmen, der alle unterschiedslos vor Gewalt, Bedrohungen oder Beschimpfungen schützt – sondern um eine Gruppen- und Identitätspolitik, für die das, was die einen (WIR!) tun und erleiden, immer etwas ganz anderes ist als das, was die anderen tun und erleiden.
Warum sind traditionelle Geschlechterrollen feministisch? Auch die Behauptung, Geschlechterrollen öffnen zu wollen, kollidiert mit der feministischen Praxis. Der Hohn gegenüber Männern, die von eigenen Leiderfahrungen berichten (I bathe in male tears) – das verbissene Festhalten an der Ausgrenzung von Vätern – die Gleichgültigkeit gegenüber männlichen Gewalterfahrungen und die Erwartung, dass Männer damit bitteschön selbst klarkommen sollten, weil institutionelle Hilfen Frauen vorbehalten seien – der Anspruch auf Schutz und Versorgung, sei es im Unterhaltsrecht oder in HeForShe-Kampagnen, die eben nicht auf eine gegenseitige Sorge setzen: Fast durchgehend halten Feministinnen an hergebrachten Geschlechterrollen fest, machen Versuche von Männern, sich davon zu distanzieren, lächerlich oder skandalisieren sie.
Mächtig? Ich doch nicht… Dazu gehört auch, die eigene Machtposition nicht wahrzunehmen oder konsequent herunterzuspielen – Macht würden eben allein Männer ausüben. Institutionell sind Feministinnen heute deutlich besser verankert als ihre Kritiker, haben – beispielweise über Parteistiftungen oder das Frauenministerium – Millionen an Steuermitteln zur Verfügung und nutzen sie auch.
Frauen hätten eine Macht, von der sie selbst nichts wissen – das schreibt die französische Feministin Elisabeth Badinter in ihrem Buch zur Wiederentdeckung der Gleichheit. Möglicherweise ist das ein wesentlicher Grund, warum heutige Feministinnen in aller Regel zum offenen Dialog mit Menschen anderer Meinung nicht bereit sind: Sie haben institutionell abgesicherte Möglichkeiten, Interessen auch ohne diesen Dialog durchzusetzen.
Die Ignoranz gegenüber eigener Macht jedenfalls ist gefährlich – denn zur Kontrolle von Macht gehört es selbstverständlich, diese Macht auch wahrzunehmen und sie offen zur Diskussion stellen zu können.
Deutlich wird diese Macht insbesondere im Verhältnis gegenüber Kindern. Die prekäre Situation von Jungen in der Schule, ihre offenkundigen Nachteile gelangen auch deswegen nicht in den Mittelpunkt schulpädagogischer Diskussionen, weil Vertreter einer feministisch orientierten, institutionell stark geförderten Pädagogik sie kleinreden oder den Jungen selbst die Verantwortung dafür zuweisen.
Besonders bitter war das Verhalten von Berliner Feministinnen der dortigen grünen Alternativen Liste: Die systematische sexuelle Gewalt gegen Jungen im Umfeld der Grünen war über mehr als ein Jahrzehnt lang durchaus ein offenes Geheimnis, wurde aber auch deshalb nicht offen thematisiert, weil feministische Frauen eine solche offene Diskussion nicht wünschten: In ihren Augen hätte es von der Fokussierung auf Mädcheninteressen abgelenkt, wenn die sexuellen Verbrechen an Jungen deutlich angesprochen worden wären.
Dies wiederum ist keine Erfindung böswilliger Männerrechtler, sondern findet sich so im Bericht der Berliner Grünen zur Aufarbeitung der Pädosexualität im Umfeld der Partei.
Wozu brachen wir eigentlich ein Patriarchat? Durchgehend prägt den heutigen Feminismus also ein erheblicher, eigentlich gar nicht zu übersehender Widerspruch zwischen einem egalitären Selbstbild und einer anti-egalitären Praxis. Dieser Widerspruch ist behelfsmäßig nur über die Vorstellung zu überbrücken, dass unsere Gesellschaft ein Patriarchat, eine Männerherrschaft sei. Eben weil diese Gesellschaft gegenüber Frauen so durchgehend diskriminierend sei, müsse der Staat Frauen anders als Männer behandeln, um diese Diskriminierungen auszugleichen: Eine anti-egalitäre Haltung, die sich auf egalitäre Ziele beruft.
Da also die Annahme eines Patriarchats im heutigen Feminismus eine zentrale Funktion erfüllt, ist es in aller Regel auch völlig aussichtslos, zumindest eine Diskussion darüber zu führen, ob eine moderne Massengesellschaft tatsächlich sinnvoll als „Patriarchat“ beschrieben werden kann. Dabei hat diese Zuschreibung mindestens zwei gravierende Folgen.
Warum ist Kaiser Wilhelm plötzlich modern? Erstens steht im politischen Denken des heutigen Feminismus ein irgendwie immer aufgeklärter, humaner, korrigierend eingreifender Staat einer immer irgendwie reaktionären, inhumanen und fehlerhaften Gesellschaft gegenüber. Die Frage, wie sich dieser gute Staat eigentlich auf der Basis der schlechten Gesellschaft entwickeln konnte, bleibt dabei auffällig irrelevant. Die Folge: Nicht etwa die Machtausübung staatlicher Institutionen ist gesellschaftlich zu legitimieren, sondern gesellschaftliche Prozesse und Strukturen müssen gegenüber staatlichen Institutionen legitimiert werden. Diese Gegenüberstellung eines besseren, geordneten Staates und einer irgendwie immer mangelhaften, dumpfen Gesellschaft gehört nicht in ein demokratisches, sondern in ein monarchistisches oder autoritäres Staatsverständnis: Zurück zu Kaiser Wilhelm.
Warum sehen mich nicht alle so, wie ich mich sehe? Zweitens verhindert die Fantasie eines Patriarchats eine offene Debatte zwischen Männern und Frauen nachhaltig. Da unsere Gesellschaft patriarchal strukturiert sei und Beiträge von Männern also bloß Privilegien reproduzierten, erscheint es gerechtfertigt, diese Beiträge als Derailing abzutun, also als Ablenkung von Wichtigerem, und aus Debatten auszugrenzen. Da wiederum männliche Perspektiven, soweit sie nicht feministisch sind, dann gar nicht wahrgenommen werden, lässt sich die Vorstellung eines Patriarchats ungestört aufrechterhalten: Eine in sich geschlossene Haltung, die von außen nicht mehr erreichbar ist.
So erklärt sich der durchgehende Widerspruch zwischen dem egalitären feministischen Selbstbild und der anti-egalitären feministischen Praxis eben auch dadurch: Wer feministische Positionen vertritt, sieht sich selbst – das zumindest ist meine Erfahrung – nach einer Weile nicht mehr aus der Perspektive anderer.
Damit aber verschwindet eine Basisübung zivilen Verhaltens aus dem Repertoire, nämlich der Perspektivwechsel. Soziales Verhalten ist dann kein Wechselspiel mehr, sondern eine beständige Ausübung von Herrschaft, die Gegenwehr erfordert.
Warum sind überall Feinde? Da aber auf diese Weise gesellschaftliche Strukturen immer als Strukturen der anderen, als fremde Strukturen erscheinen und der eigene Anteil daran geleugnet wird, bleibt der Eindruck einer umfassend feindlichen gesellschaftlichen Ordnung erhalten.
Die Gutwilligen seien dort auf Safe Spaces angewiesen, in die sie sich zurückziehen können. Diejenigen wiederum, die als Träger dieser Ordnung identifiziert werden, verlieren damit ihren Anspruch auf Empathie. Die Verweigerung des Perspektivwechsels verfestigt die Idee eines Patriarchats, und die Idee eines Patriarchats legitimiert die Verweigerung des Perspektivwechsels.
Wer sich so abschottet, leugnet schließlich ebenso die eigene Macht wie die eigene Möglichkeit zur Gewalt und weist beides jeweils nur denen zu, die als Feinde identifiziert sind.
Wer heute allerdings feministische Positionen kritisiert, wer – als Mann oder auch als Frau – die eigene Perspektive ohne den Rückgriff auf feministische Annahmen formuliert, hat in aller Regel überhaupt kein Interesse an einer solchen Feindschaft, dafür aber ein Interesse an einer offenen Diskussion.
Wenn es bei Feministinnen ankommen würde, wäre das, was ich ihnen sagen wollte, daher eigentlich ganz kurz. Da es dann auf ein paar bekannte Zitate anspielt, versuche ich es einfach mal auf Englisch:
Come out of your closet. It’s a big world outside.
And it’s not a man’s world.
Zum Weiterlesen: Eine enorme Menge an Informationen findet sich in den einführenden Texten, die der Blogger man.in.th.middle für sein Blog Maskulismus für Anfänger geschrieben hat. Darin findet sich auch ein Kapitel Maskulismus für Anfängerinnen, das sich ebenso wie der oben stehende Text direkt mit der Kritik am heutigen Feminismus beschäftigt.
Einsortiert unter:Männer Frauen, Politik Image may be NSFW.
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