Was ist eigentlich dieser Feminismus? Erster Teil einer Reihe nach Empfehlungen der Süddeutschen Zeitung
Viele Schreihälse gäbe es,
„die sich an Feministinnen im Netz abarbeiten, doch dies sind meist Einzelkämpfer, die für ihr Unrecht Feministinnen im Allgemeinen verantwortlich machen.“
Das schreibt der Blogger Kai in einem offenen Brief an die Süddeutsche Zeitung. Diese Männer würden sich nicht nur „als Antifeministen sehen“, sondern würden auch „die programmatisch arbeitenden Männer- und Väterrechtler (…) als nicht hart genug betrachten,“ um Erfolge zu haben.
Gleich auf mehrfache Weise schießen sich die von Kai beschriebenen „Schreihälse“ ins Abseits. Einerseits lehnen sie eine politische Richtung radikal ab, die mit so positiven Zielen wie „Gleichberechtigung“ und „Emanzipation“ verknüpft ist. Andererseits sind sie fixiert auf ein Thema, das für viele nur ein Thema unter vielen ist: Der Glaube, gesellschaftliche Strukturen ließen sich vor allem über Geschlechterbeziehungen erklären, eint Feministinnen und Antifeministen, wird aber von den meisten anderen Menschen nicht geteilt.
Eine Auseinandersetzung mit feministischen Positionen hat nicht deshalb einen Sinn, weil Feministinnen wahlweise für alles mögliche Elend verantwortlich gemacht werden könnten oder aber Verkünderinnen einer menschlicheren, gerechteren Zukunft wären. Feministische Positionen haben sich heute in vielen Institutionen – staatlichen Institutionen, Parteien, Medien – fest verankert und haben so in einigen wichtigen Bereichen, insbesondere in der Familien- und Rechtspolitik, Einfluss auf das Leben vieler.
Allerdings bleibt notorisch unklar, was unter „Feminismus“ überhaupt zu verstehen ist. Wenn der Feminismus wesentlich die Überzeugung ist, dass kein Mensch aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit benachteiligt werden sollte, dann bin ich auch Feminist.
Wenn der Feminismus auf dem Glauben basiert, dass allein Frauen benachteiligt werden können, liegt er in meinen Augen offensichtlich falsch – ohne dass deswegen nun Männer prinzipiell als Unterdrückte wahrgenommen werden müssten.
Wenn der Feminismus im Kern gar die Überzeugung ist, soziale Strukturen ließen sich grundsätzlich als Männerherrschaft, als Patriarchat, als heterosexistische Ordnung beschreiben, dann ist er in meinen Augen nicht zu begründen. Soziale Strukturen sind nur zu einem Teil Herrschaftsstrukturen, Herrschaftsstrukturen sind nur zu einem Teil über Geschlechterverhältnisse organisiert, Geschlechterverhältnisse wiederum sind nur zu einem Teil von Herrschaftsstrukturen geprägt, und dort, wo sie es sind, ist diese Herrschaft nicht immer eine von Männern über Frauen.
Ein Feminismus in dem uneingeschränkt positiven ersten Sinne, als Bewegung für Gleichberechtigung, muss sich in meinen Augen keineswegs geschlechtsneutral als „Humanismus“ oder „Egalitarismus“ verstehen. Interessenvertretungen bestimmter Gruppen sind schließlich völlig legitim, wenn es auch fragwürdig ist, ob „die Frauen“ (oder wahlweise: „die Männer“) überhaupt als Gesamtgruppe vertreten werden können. Allerdings setzt das natürlich voraus, dass die Legitimität anderer Interessenvertretungen ebenso akzeptiert wird.
Es ist zudem verständlich, dass vielen Frauen die Situation von Frauen, vielen Männern die Situation von Männern präsenter ist als die Situation des jeweils anderen Geschlechts. Wir beurteilen soziale Sachverhalte aus bestimmten Perspektiven, und die werden unter anderem von unseren Geschlechter-Erfahrungen beeinflusst. Umso wichtiger aber ist es dann, diese Perspektiven zueinander in Beziehung setzen, gemeinsame Maßstäbe beschreiben, einen Dialog organisieren zu können.
Zu einem solchen Dialog gehört, dass alle Beteiligten ihre Position formulieren können und auch alle Beteiligten bereit sind, den jeweils anderen zuzuhören.
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Alles nur Bestandteile einer Männerwelt? Bei Antje Schrupp ist die bestehende Ordnung, auch die des Rechtsstaats, eine männliche Ordnung, die Frauen eigentlich überhaupt nicht bräuchten. Dazu mehr im ersten Teil einer kleinen Serie über „Feministinnen, die Sie kennen sollten“.
Ob der Einfluss, den feministische Positionen heute in Institution haben, positiv oder eher kritisch zu bewerten ist, hängt also vor allem von der Frage ab, ob sie zu einem solchen Dialog beitragen oder ihn eher erschweren. Wie aber sollte diese Frage beantwortet werden können, wenn noch nicht einmal klar ist, von welchem Feminismus eigentlich die Rede ist?
Hier kann glücklicherweise ein Text der Süddeutschen Zeitung zu Hilfe genommen werden, die in der Recherche-Reihe „Gleichberechtigung heute“ – die hier allerdings sehr kritisch betrachtet wurde – nicht nur einen Text über „Maskulisten“ veröffentlichte, sondern vor allem Texte über Positionen des heutigen Feminismus. Dazu gehört eine Vorstellung von fünf deutschen „Feministinnen, die Sie kennen sollten“, die von der feministischen SZ-Journalistin Barbara Vorsamer ausgewählt wurden: Antje Schrupp, Bloggerin und Redakteurin einer Kirchenzeitung – Anne Wizorek, #Aufschrei-Initiatorin und Grimme-Preisträgerin – Margarete Stokowski, Kolumnistin beim Spiegel – Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau – und Stevie Schmiedel, Gründerin der deutschen Version von „Pinkstinks“, einer Organisation, der es unter anderem um die Kritik an rosafarbenem Mädchenspielzeug geht.
An diesen fünf repräsentativen Beispielen lässt sich dann die Frage beantworten, wie viel heutige Positionen des deutschen Feminismus zu einem offenen Geschlechterdialog beitragen. Daher werde ich in einer kleinen Serie alle fünf dieser Frauen, die Vorsamer als Repräsentantinnen des heutigen Feminismus beschreibt, vorstellen. Ich beginne mit Antje Schrupp, danach folgt ein Text über Anne Wizorek und Margarete Stokowski, schließlich einer über Bascha Mika und Stevie Schmiedel.
Der Text über Schrupp schließt sich dann gleich an ein Thema an, das hier im Blog gerade erst diskutiert wurde.
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Rinks und lechts – Antje Schrupps Differenzfeminismus
Die Umstände, unter denen ich zum ersten Mal einen Text von Antje Schrupp gelesen habe, machen es mir etwas schwer, sie unbefangen zu beurteilen. Ich war im Jahr 2011 darum bemüht, den Kontakt zu unserem Kind zu behalten, nachdem sich die Mutter zwei Jahre zuvor von mir getrennt hatte. Obwohl ich schon einmal zur Sicherung des Umgangs vor Gericht gegangen war, und trotz einer gerichtlichen Vereinbarung über die Ausweitung des Umgangs wurden die Möglichkeiten immer schlechter. Ich fahre immer eine ziemlich lange Strecke zu unserem Kind, etwa fünf Stunden Bahnfahrt für einen Weg – aber die Zeit, die von der Mutter für den Umgang eingeräumt wurde, wurde immer kleiner und unregelmäßiger.
Ich hatte den Eindruck, aus der Beziehung zu unserem Kind gleichsam ausgeschlichen zu werden, und ging dann in der zweiten Hälfte des Jahres deswegen noch einmal vor Gericht. Hoffnung machten mir die Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts, in denen die fast völlige Rechtlosigkeit von Trennungsvätern faktisch als menschenrechts- und grundrechtswidrig abgelehnt worden war.
In eben dieser Situation stieß ich auf Schrupps Text „Väter-Recht abschaffen, Kindererziehung steuerfinanzieren!“ Schrupp steigt ein mit der Verpflichtung für getrennt erziehende Mütter, selbst Geld zu verdienen und nicht allein vom Unterhalt des Vaters zu leben, sie kommentiert verärgert, Väter würden „zunehmend von Pflichten entbunden und bekommen gleichzeitig mehr Rechte“, und schlägt dann vor, „Kinderversorgung vom biologischen Erzeuger“ zu trennen.
„Wichtig ist nicht, wer biologischer Vater (oder Mutter) ist, sondern wer sich konkret um das betreffende Kind kümmert. Das kann natürlich auch ein Mann sein, es können beide Eltern sein, es kann eine Wohngemeinschaft oder sonstwer sein.“
Das ist, wie schon die Überschrift und andere Textpassagen deutlich machen, nur scheinbar geschlechtsneutral argumentiert. Das Problem von Vätern – und besonders von nicht-verheirateten – war ja gerade, dass sie faktisch keine Chance hatten, sich um das gemeinsame Kind zu kümmern: Sie hatten (und haben) schließlich grundsätzlich kein Sorgerecht. Was Schrupp vorschlug, war in dieser Situation nichts anderes als eine vollständige Entrechtung von Vätern, die in einer ohnehin schon schwierigen Situation versuchen mussten, irgendwie den Kontakt zu den Kindern zu bewahren – in vielen Fällen ohne Erfolg. Dafür sollten Väter dann eben auch von Unterhaltspflichten entbunden und sollte die Kindessorge generell aus Steuermitteln finanziert werden.
Schon im Jahr zuvor hatte Schrupp in der Jungle World spöttisch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert, mit dem die bis auf das Umgangsrecht umfassende Rechtlosigkeit nichtehelicher Väter beendet worden war. „Man könnte meinen, das Abendland sei vor dem Untergang gerettet worden.“ Das Urteil sei, so die Autorin in geübtem Bürokratendeutsch, der „Entwicklung postpatriarchaler Familienformen (…) nicht dienlich“.
Auch später bleibt Vaterschaft für Schrupp dubios: In einem Text aus dem Jahr 2015 spricht sie statt dessen von „Mutterschaft und Co-Elternschaft“, deren Part aber „ja auch nicht unbedingt die Väter übernehmen müssten.“ Elternschaft ist bei Schrupp grundsätzlich Mutterschaft.
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Co-Eltern neigen manchmal zu unnötig riskanten Verhaltensweisen.
Warum aber lässt es sie gleichgültig, dass das Gericht immerhin Grundrechtsverletzungen – so wie der EuGH im Jahr zuvor Menschenrechtsverletzungen – festgestellt hatte, und dass diese erheblichen Rechtsverletzungen einen großen Teil der Bevölkerung betrafen, Männer und auch Kinder?
Warum Frauen keinen Rechtsstaat brauchen
Kurz vor ihrem eingangs zitierten Artikel zur Abschaffung der Rechte von Vätern hatte Schrupp einen Text mit „Gedanken zum Prinzip der Rechtsstaatlichkeit“ veröffentlicht. Dort stellt sie eine „Unvereinbarkeit zwischen Frauen und dem Prinzip des Rechtsstaats“ fest. Das spricht nicht gegen Frauen – es zeigt für Schrupp lediglich, dass
„das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit eines [ist], das vor allem dazu erfunden wurde, um Konflikte unter Männern zu regeln“.
Und: „Würde es nur Frauen geben, bräuchten wir keine Justiz.“ Zwar sei „der derzeitige moderne Rechtsstaat“ in der von Männern und für Männer gemachten Geschichte besser als andere Organisationsformen, aber tatsächlich ginge es heute darum,
„auf der Grundlage der bisherigen Geschichte neue gesellschaftliche Formen zu erfinden, die nicht mehr auf den etablierten Fundamenten unserer politischen Strukturen beruhen können, die wesentlich auf dem Ausschluss der Frauen gründen.“
Wie diese anderen Formen aussehen könnten, beschreibt sie nicht. In einem anderen Text aber deutet sie an, warum diese Beschreibung so schwer ist. Der Blogger Sascha Pallenberg hatte auf eine grenzverletzend-sexualisierte Äußerung der feministischen Bloggerin Yasmina Banaszczuk ebenfalls offen sexualisiert gekontert, und nun stand er im Mittelpunkt von Vorwürfen, sexistisch zu sein. Schrupp stellte sich ganz auf die Seite Banaszczuks und schrieb:
„Wir können (…) nicht eine sexistische Ordnung zu Hilfe rufen, um diese Ordnung zu bekämpfen. Denn diese Ordnung findet sich selbst ja gar nicht falsch, sondern richtig und normal.“
Pallenbergs Verhalten sei also sexistisch, weil es eine sexistische Ordnung spiegele – Banaszuks nicht, weil es sich gegen diese Ordnung auflehne, der ebenso wenig zu entkommen sei wie einem großen Regen.
Natürlich ist diese Position kaum haltbar, weil sie eben das stillschweigend voraussetzen muss, was sie überhaupt erst beweisen soll: Wie sollte Schrupp denn die Behauptung einer sexistischen Ordnung empirisch belegen, wenn die Bewertung jeder einzelnen empirischen Beobachtung grundsätzlich davon abhängig ist, dass die Existenz einer sexistischen Ordnung immer schon vorausgesetzt wird? Doch das ist hier nicht einmal der Punkt.
Die männliche Ordnung stellt Schrupp sich als allumfassend vor, und was an sozialen Ordnungen zu finden ist, ist für sie männlich. Das Weibliche, die Welt der Frauen, ist in diesem Zusammenhang gleichsam nur als Utopie vorhanden, es hat im wörtlichen Sinn (ou topos – Nicht-Ort) hier keinen Platz. Natürlich sind Frauen immer da, und auch eine besondere weibliche Qualität ist real – aber sie finden sich in dieser Ordnung nicht repräsentiert.
So kann dann diese besondere Qualität – die sich für Schrupp übrigens wohl ganz besonders in einer Beziehungsfähigkeit und in der Care-Arbeit zeigt – zunächst auch nur angedeutet, aber noch nicht ausformuliert werden.
Dass Schrupp sich selbst im Interview als Anarchistin bezeichnet, passt zu dieser prinzipiellen Skepsis gegenüber bestehenden Institutionen. Nun sind es allerdings gewiss nicht anarchistische Traditionen, in denen sie sich verortet, wenn für sie das Kind grundsätzlich zur Mutter gehört, sie großen Gruppen von Menschen das Recht zur Sorge für ihre Kinder abspricht und die Pflicht zur Finanzierung der Kindessorge auf den Staat überträgt. Wie also landet sie von anarchistischen Überzeugungen bei einer Position, die eher an das entgegengesetzte Ende des politischen Spektrums gehört?
Engel machen keinen Müll
Im eben verlinkten Interview berichtet Schrupp darüber, wie sie zu Frauen in der Arbeiterbewegung geforscht und promoviert habe. Schon in der proletarischen Frauenbewegung spielte das Verhältnis einer linken Bewegung zur spezifischen Situation von Frauen eine Rolle. Für spätere kommunistisch orientierte Achtundsechziger gehörten spezifische Nachteile von Frauen dann zu den Nebenwidersprüchen einer kapitalistischen Ordnung, die zu lösen wären, wenn erst nur der Hauptwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit gelöst sei.
Es war ein wesentlicher Impuls eines linken Feminismus, dieses Spiel der Haupt- und Nebenwidersprüche nicht zu akzeptieren. Ein Satz von Schrupp aus diesem Jahr ist wie ein später Kommentar dazu:
„Die Frage nach dem Verhältnis der Geschlechter ist zentral, sie ist keine Nebensächlichkeit, niemals.“
So lässt sich das, was sie schreibt, auch als Versuch verstehen, eine linke, anarchistische Politik aus der Perspektive feministisch verstandener Geschlechterverhältnisse zu beschreiben, die nun eben nicht mehr Nebenwiderspruch, sondern Kern der Überlegungen sind.
Das Ergebnis aber ist entmutigend – und dies nicht nur, weil damit das Spiel mit Haupt- und Nebenwidersprüchen keineswegs beendet, sondern einfach nur ein neuer Besetzung fortgeführt wird. Dass Schrupp Versatzstücke linker oder überhaupt aufklärerischer Traditionen durch ihre Interpretationen der Geschlechterdifferenz hindurchschleust, lässt von diesen Traditionen nicht viel anderes übrig als Ressentiments.
Ihre Darstellung eines umfassenden, allanwesenden Sexismus greift beispielsweise auf ein Muster der Frankfurter Schule zurück. Mit dem mittlerweile zum Pop-Slogan abgesunken Satz, dass es kein richtiges Leben im falschen gäbe, schließt Theodor Adorno auch die Möglichkeit aus, dass sich eine positive Gegenwelt zum falschen Leben etablieren könnte. Nach Auschwitz, so schreibt er in seiner Negativen Dialektik, sei alle Kultur Müll – und das betreffe auch die so dringend nötige Kritik daran.
Von dieser Aussichtslosigkeit, die immer auch der eigenen Position den Boden wegzieht, befreit sich Schrupp durch eine simple Geschlechterzuordnung: Die falsche Welt ist die der Männer, aber Frauen stehen für etwas anderes, vielleicht gar für eine richtigeres, gelingenderes Leben.
Ihre Skepsis gegenüber dem Rechtsstaat schließt an durchaus klischeehafte Positionen Carol Gilligans an, die eine spezifisch weibliche, nämlich beziehungsorientierte Moral der männlichen regelorientierten Moral gegenüberstellte.
Schon bei Kant aber findet sich die Vorstellung eines „heiligen Willen“, für den „keine Imperativen“ gelten würde: Der heilige Wille brauche keine Gesetze, weil er ohnehin immer das Gute wolle. Auch wenn Schrupp verneint, „dass Frauen die besseren Menschen und generell brave Lämmchen sind“, ist eben das die Logik ihres Artikels: Rechtsstaatliche Gesetze seien Frauen fremd, weil sie solche Gesetze nicht bräuchten.
Kant allerdings dachte beim heiligen Willen wohl eher an Engel, nicht an Frauen.
Typische Widersprüche und Ambivalenzen moderner Gesellschaften löst Schrupp so ohne Aufwand über die Geschlechterdifferenzen auf. Zu diesen Widersprüchen gehört es etwa, dass wir auf einen Rechtsstaat angewiesen sind, der sich allein durch abstrakte Regeln als „gerecht“ legitimieren kann – der aber zugleich gerade durch diese Abstraktheit konkreten Situationen kaum jemals ganz gerecht werden kann.
Schrupp schlägt die Abstraktheit Männern, das Agieren in Beziehungen Frauen zu und hat den Widerspruch damit schon geklärt, bevor sie ihn überhaupt erwähnt. Die für die Moderne so typischen großen Institutionen interpretiert sie als Bestandteile einer männlichen Ordnung, die aber eben deshalb für Frauen gar nicht interessant seien und die sogar – wie im umfassenden staatlichen Kindesunterhalt – beliebig ausgebaut werden können, wenn dies Möglichkeiten des Handelns von Frauen vergrößere.
So aber schließt sie sich an klassische antimoderne Ressentiments an, an Vorstellungen, dass die Abstraktheit der modernen Welt sich vom konkreten Lebendigen entferne, dass ihre Unübersichtlichkeit das Vertraute zerstöre, dass sie Menschen Prozessen unterwerfe, für die ihre Möglichkeiten des Handelns gar nicht ausgestattet seien.
Schrupp kann diese Ressentiments ausgerechnet deshalb als links oder emanzipatorisch darstellen, weil sie Geschlechterressentiments damit verbindet. Was belastend, unübersichtlich und überfordernd an modernen Strukturen ist, bucht sie auf das Konto einer Männerherrschaft – was positiv an modernen Entwicklungen ist, schreibt sie als Verdienst emanzipatorischen Entwicklungen zu.
Die Entseuchung der Erde
Widersprüche verschwinden so gerade deswegen, weil es für beide Seiten der Geschlechterdifferenz keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Deutlich wird das beispielsweise an Schrupps Lob für die feministische Theologin Mary Daly. Die hatte in einem Interview gesagt:
„Wenn das Leben auf diesem Planeten bestehen soll, dann muss es eine Dekontamination der Erde geben. Ich denke, dies wird von einem evolutionären Prozess begleitet sein, der zu einer drastischen Reduzierung der männlichen Bevölkerung führt.” (1)
Die eugenische Idee einer Reduktion des männlichen Bevölkerungsanteils, verstanden als Dekontamination der Erde – die Männer also als verseuchender Giftstoff – und ihr weiträumiges Verschwinden als Entseuchung der Erde und Bedingung des Überlebens: Das ist eine unverblümt faschistische Gewaltfantasie.
Ohne diesen Flirt mit dem Faschismus zu erwähnen, schreibt Schrupp Daly ganz allgemein „den Mut zu einer denkerischen Radikalität [zu], die es heute im Feminismus viel zu selten gibt“. Immerhin moniert sie an einem Auftritt Dalys im Bürgerhaus Bornheim, Ende der neunziger Jahre:
„Wie ein Popstar kam sie damals auf die Bühne, umjubelt von Hunderten von begeisterten Frauen, die ohne jede kritische Nachfrage jedes Wort von ihr in sich aufsogen.“
Aus Schrupps Perspektive ist das, was die feministische Theologin sagt, wohl deshalb nicht faschistisch oder faschistoid, weil es eine bestehende patriarchale Ordnung angreife, sie aber – anders als der Nationalsozialismus – nicht verlängere. Die Aufteilungen der Geschlechterdifferenz erlauben es auch unabhängig davon jederzeit, klassische antimoderne Ressentiments als anti-patriarchale Positionen zu verklären.
Dass wiederum ein großer Teil von Männern in Situationen lebt, die mit der Annahme eines Patriarchats offenkundig nicht vereinbar sind, kann Schrupp im Anschluss an die italienische Differenzfeministin Luisa Muraro leicht erklären: Das Patriarchat gehe eben gerade zu Ende – was selbstverständlich wesentlich auch eine Folge emanzipatorischer Arbeit sei.
„Warum klatscht du eigentlich ständig in die Hände?“ – „Um die Elefanten zu verscheuchen.“ – „Aber hier gibt es doch gar keine Elefanten.“ – „Siehst du, es klappt.“
Vor diesem Hintergrund erklärt sich dann eben auch die Verachtung, die Schrupp für die vorsichtige Humanisierung der verzweifelten rechtlichen Situation von Trennungsvätern hat. Was tatsächlich eine lange verzögerte und äußerst vorsichtige Korrektur menschen- und grundrechtsverletzender Gesetze war, erscheint aus ihrer Perspektive als ein Aufbäumen des untergehenden Patriarchats – als ein Versuch von Männern, eine väterliche Herrschaftsposition wieder zu etablieren, die sie in emanzipatorischen Prozessen verloren hatten.
In der rückhaltlosen Verweigerung von Empathie zeigt sich ein Geschlechterressentiment, das Schrupp als Element einer freiheitlichen, befreienden Politik darstellt. Tatsächlich prägen sich darin Ressentiments aus, mit denen ganz unabhängig von Geschlechterverhältnissen die Entwicklungen der Moderne von Beginn an begleitet und bekämpft worden sind.
Das Zitat Mary Dalys habe ich selbst übersetzt. Hier ist das Original:
(1) If life is to survive on this planet, there must be a decontamination of the Earth. I think this will be accompanied by an evolutionary process that will result in a drastic reduction of the population of males.
Über den eingangs erwähnten Schrupp Text „Väter-Rechte abschaffen, Kindererziehung steuerfinanzieren“ gab es hier im Blog schon einmal eine Diskussion mit einer Kommentatorin, die den Text anders gelesen hat als ich.
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