Kurz nachdem ich hier den ersten Teil einer kleinen Serie zu den von der Süddeutschen Zeitung empfohlenen Feministinnen veröffentlicht hatte, überlegte ich mir auch schon, ob diese Veröffentlichung nicht ein Fehler war. Schließlich geht es bei der Süddeutschen um Personen, nicht um Thesen und Positionen. Daran anzuknüpfen, kann den Eindruck nahelegen, kritikwürdig wären nicht politische Positionen oder ihre distanzlose Unterstützung – sondern eigentlich wären ein paar Personen das Problem, und alles wäre besser, wenn die einfach die Klappe halten würden.
Nach den Kommentaren zu urteilen, ist der Text so bei den meisten glücklicherweise nicht angekommen – aber immerhin einen Kommentar habe ich gelöscht, in dem eine offene, scharfe, gewaltsam wirkende Wut gegen Antje Schrupp als Person formuliert wurde. Deren Positionen wiederum waren eher zufällig Gegenstand meines Textes – einfach nur deshalb nämlich, weil die Süddeutsche Zeitung ihre Vorstellung mit ihr begonnen hatte.
Ich möchte solche Kommentare nicht nur deswegen nicht, weil sie potenziell strafbar sind, sondern auch, weil ich ich einen solchen Umgang mit Menschen nicht möchte und weil sie eine offene Debatte verhindern. Offene Debatten nämlich sind nun einmal nur möglich, wenn die Beteiligten es ertragen, dass Positionen formuliert werden, die sich von ihren eigenen erheblich unterscheiden – ohne darauf gleich mit scharfen, auf die Person gerichteten Aggressionen zu reagieren.
Außerdem tragen (auch verbal) gewaltsame Grenzverletzungen möglicherweise dazu bei, eben die Positionen zu immunisieren, die eigentlich kritisiert werden sollen – der Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht ist ein aktuelles Beispiel für eine solche Dynamik. Seit diesem Wurf ist die Kritik an ihrer Position parteiintern ruhig geworden: Der wackere Aktivist hat sich die Torte gleichsam schwungvoll und demonstrativ selbst ins Gesicht geworfen.
Wenn ich lediglich die Wahl hätte, mich entscheiden zu müssen zwischen bedingungsloser Anerkennung einer Position, die Vätern basale Menschenrechte abspricht – oder auf der Seite von jemandem zu stehen, der Feministinnen am liebsten etwas aufs Maul geben würde – oder einfach die Klappe zu halten: Dann würde ich vermutlich die Klappe halten. Es ist mir also wichtig, dass es noch andere Alternativen gibt.
Kritisch nämlich ist beides nicht: Werbeschriften im Stile des SZ-Artikels ebenso wenig wie ungefiltert wütende Ablehnung. Beides unterscheidet nicht, sondern urteilt pauschal. Wer Positionen allein schon deshalb ablehnt, weil sie von Feministinnen vertreten werden, verhält sich ebenso unkritisch wie jemand, der diese Positionen allein schon deshalb unterstützt.
Bei Schrupp zum Beispiel hatte mich interessiert, wie sie von einer anarchistischen Position zu einer familienpolitischen Haltung kommt, die historisch ganz weit rechtsaußen steht: nach der Kinder zur Mutter gehören, ansonsten der Staat die Erziehung und Kindessorge übernimmt und die Väter anderweitig gebraucht werden. Wie ist es möglich, dass sie bei anarchistischen Positionen startet und dann eine solche Politik fordert und legitimiert, von der sie und auch ihre Anhängerinnen zudem wissen, dass sie Grund- und Menschenrechte verletzt?
Ich würde solche Fragen gern als echte Fragen stellen, nicht nur als rhetorische. Natürlich macht auch mich eine solche Position wütend – aber Wut ist erst einmal ein Impuls, ein Gefühl, aber an sich noch nicht politisch. Eine Rhetorik der unvermittelten Äußerung von Wut gehört in ein unpolitsches Ethos der Gefühligkeit, nicht ganz anders als die naiv-anmaßende Vorstellung Kübra Gümusays, sie würde für die Liebe stehen, ihre politischen Gegner für den Hass.
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Alles nur Slacktivism?
Das aber ist ein Thema, mit der ich die kleine Serie für einen Moment unterbrechen möchte, weil sie mich auch aus anderen Gründen schon länger beschäftigt. Es gibt tatsächlich schon seit einer Weile eine „Männerbewegung“ im Netz – EINE Bewegung in dem Sinn, dass hier unterschiedliche Männer und zunehmend auch Frauen nicht völlig isoliert voneinander vor sich hin bloggen, lesen oder kommentieren. Sie beeinflussen sich gegenseitig, stellen sich Informationen zur Verfügung, argumentieren. Das ist, trotz aller Spannungen und Unterschiede, durchaus eine gemeinsame Bewegung.
Aber politisch ist diese Bewegung nicht.
Gibt es eigentlich unverbindliches Engagement?
Zu einer politischen Bewegung fehlt es mindestens an zwei wichtigen Eigenschaften.
Erstens fehlt es an der allgemeinen Bereitschaft, für ein gemeinsames Ziel eigene Interessen zurückzustellen.
Zweitens sind nur wenige überhaupt damit beschäftigt, Kontakt zu etablierten politischen Institutionen herzustellen, mit ihnen in die Diskussion zu kommen, gar Lobbyarbeit zu betreiben. Das ist für eine politische Bewegung aber unverzichtbar – denn schließlich agieren wir nicht in einem offenen Terrain, sondern in einer rundum zugestellten politischen Landschaft. Wer dort Bewegungsräume haben möchte, wird sie ohne Kontakt zu bestehenden Institutionen nicht etablieren können.
Beides hängt damit zusammen, dass diese Bewegung sich weitgehend im Internet organisiert. Christian Schmidt macht bei Alles Evolution zwar darauf aufmerksam, dass das Netz die Möglichkeiten vergrößert habe, Politiker oder Journalisten direkt anzusprechen.
„Abseits vom direkten Gespräch ist man kaum näher an jemanden dran, wenn man ihn über Twitter anspricht. Denn dort ist es anders als bei einer Email öffentlich und er antwortet ‚Live‘ und ebenso öffentlich.“
Lobbyarbeit aber ist trotzdem nicht möglich, wenn sie nur über das Netz und womöglich noch anonym erfolgt – wer so vorgeht, wird immer im hoffnungslosen Nachteil sein gegenüber Menschen, die das direkte Offline-Gespräch suchen, das wiederum keineswegs immer öffentlich geführt werden muss. Die Organisationen wie MANNdat, agens, Gleichmaß, oder das Forum Soziale Inklusion, die so etwas organisieren, haben allerdings nur punktuell Verbindungen zu den Bloggern und Kommentatoren im Netz.
Die Konzentration auf Online-Aktivitäten macht zudem die Etablierung von Selbstdisziplin zugunsten eines gemeinsamen Zieles unwahrscheinlicher: Nicht nur Beleidigungen oder Drohungen, auch blinde Unterstellungen oder egozentrisches Verhalten liegen näher, wenn Menschen sich zwar netzöffentlich äußern, aber zugleich privat am Computer sitzen und die Öffentlichkeit, in der sie sich bewegen, gar nicht vor Augen haben.
Aus dem Versagen der netzbasierten Piratenpartei haben wir dabei kaum gelernt – vielleicht auch, weil dieses Versagen allzu leicht auf das Konto von Autonomen und Feministinnen gebucht wurde, die diese Partei zur Zeit ihres Erfolges unterwandert hätten. Natürlich: Diskursive Amokläuferinnen wie Anne Helm oder Julia Schramm haben der Partei geschadet, als sie etwa die Bombenangriffe auf Dresden offen begrüßten und die Opfer verhöhnten („Thank you, Bomber Harris“). Aber tatsächlich hatten die Piraten schon lange vorher ernste Schwierigkeiten – zum Beispiel, weil sie infantil und durchaus zwanghaft die exponiertesten Personen der Partei beschädigten.
Ohnehin hat sich kaum etwas in dieser Männer-Bewegung institutionalisiert. Die wichtigsten Blogs – Arne Hoffmanns Genderama als wichtigste Informationsplattform, Christian Schmidts Alles Evolution als wichtigstes Diskussionsforum – sind Privatblogs. Wenn die Betreiber morgen keine Lust mehr hätten, sie weiter zu führen, dann würden diese zentralen Anlaufstellen einfach verschwinden, ohne dass irgendjemand bereit stünde, ihre Funktion zu übernehmen. Beide Blogger posten verlässlich – aber das ist ihre eigene, persönliche Entscheidung. Es gibt keine verbindlichen Strukturen.
Unverbindlichkeit und Engagement allerdings vertragen sich nicht, denn der Begriff Engagement bezeichnet ja gerade eine Verpflichtung – auch wenn es für diese Verpflichtung im Unterschied zur ursprünglichen Wortbedeutung keine Gage gibt.
Die Unverbindlichkeit hat vermutlich viel mit dem politischen Feld zu tun: Dass Männer über Geschlechterverhältisse debattieren und sich dabei nicht der Leitung durch Frauen überlassen, dass sie also feministische Diskussionen nicht schlicht und unkritisch fortführen, ist noch immer ungewöhnlich. Sowohl die Konzentration auf das Netz als auch die fehlende Verbindlichkeit haben dabei auch erhebliche Vorteile: Wer zudem noch anonym postet, kann hier über Monate, vielleicht Jahre mitdiskutieren und hat zugleich jederzeit die Möglichkeit, sich zur Not wieder ganz in sein Offline-Leben zurückzuziehen, das von den Tätigkeiten im Netz gar nicht berührt werden muss.
Ich meine das überhaupt nicht vorwurfsvoll, auch wenn ich die Erfahrung mit Versuchen, die im Netz Aktiven auch einmal außerhalb des Netzes zusammenzubringen, eher ernüchternd fand.
Kein Aufschrei, aber auch kein Schweigen mehr
In der oben schon verlinkten Diskussion bei Alles Evolution verteidigte Christian Schmidt das Bloggen und Kommentieren im Netz zum wiederholten Mal gegen den Vorwurf, solange Männer dort einfach nur Dampf abließen, würde „sich in der realen Welt nur wenig ändern“. Das Netz, so Schmidt, biete viele Möglichkeiten, Filterblasen zu verlassen, in denen Menschen nur unter sich seien.
„Wenn Männerrechtler irgendwo wahrgenommen werden, dann im Netz.“
Tatsächlich hat die Bewegung im Netz vor allem einen großen Erfolg: Es ist heute wesentlich selbstverständlicher als noch vor einigen Jahren, über das Verhältnis der Geschlechter unabhängig von feministischen Vorgaben zu debattieren. Das Spektrum der verfügbaren Informationen, der vertrauten Argumentationen hat sich deutlich vergrößert. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie unendlich isoliert ich noch vor wenigen Jahren mit der Erfahrung eines entsorgten Vaters war, wie enttäuschend und abschreckend ich aber auch die brachialen antifeministischen Seiten und Foren fand, auf die ich im Netz stieß. Heute ist das Spektrum sachlicher, liberaler Foren und Seiten wesentlich größer.
Damit erfüllt diese Bewegung eine wichtige Funktion, aber sie ist zugleich weniger eine politische Bewegung als eine Selbsthilfebewegung. Selbsthilfe bedeutet hier nicht, dass sich Männer – und auch Frauen – gegenseitig bebauchpinseln und ihres Verständnisses füreinander vergewissern. Im Netz stellen sich Menschen, stellen wir uns gegenseitig Informationen zur Verfügung, die in Mainstream-Medien kaum zur Verfügung gestellt werden (beispielsweise zur Legende des Gender Pay Gaps oder zu den Erfahrungen entsorgter Väter), setzen uns auf eine Weise mit vorhandenen Positionen auseinander, die in den Universitäten versäumt wird (beispielsweise in der kritischen Auseinandersetzung mit feministischen Positionen in der Pädagogik, der Literatur, der Ökonomie, Biologie oder Soziologie, oder dadurch, dass wichtige Publikationen wie Kucklicks Das unmoralische Geschlecht bekannter gemacht werden), und entwickeln Argumentationen, die dann anderswo – etwa in den Kommentarspalten größerer Zeitungen – hilfreich sind.
Männer schreien nicht auf – aber sie halten auch nicht mehr die Klappe.
Vielleicht wäre also die Beschreibung als „Do-It-Yourself“-Bewegung passender als die einer Selbsthilfebewegung. Das weist aber zugleich auch auf ein zentrales Problem hin: Da Männer und zunehmend auch Frauen hier eine Arbeit einfach selbst übernehmen, die von bestehenden Institutionen – Medien, Parteien, Universitäten, anderen staatlichen Institutionen – versäumt wird, da diese Menschen aber natürlich überhaupt nicht mit den dafür nötigen zeitlichen und materiellen Ressourcen ausgestattet sind, leisten sie diese Arbeit häufig am Rande ihrer Möglichkeiten.
Das wiederum trägt dazu bei, sich beständig Notausgänge aus dieser Bewegung offen zu halten und sich nicht allzu verbindlich zu engagieren.
Da aber auf diese Weise viele einfach das tun, was ihnen neben ihren sonstigen beruflichen und privaten Verpflichtungen noch möglich ist, und da sie es auf der Basis ihrer jeweiligen Ausbildungen und beruflichen Tätigkeiten tun, entsteht kein stimmiges Gesamtbild, sondern eher ein mehr oder weniger zusammenhängender Flickenteppich.
Eine Gefahr dabei ist, dass aus den jeweiligen, immer nur bruchstückhaften Perspektiven die Tätigkeiten anderer leicht als defizitär oder ungenügend erscheinen können. Wer eine naturwissenschaftliche Ausbildung hat, wird beispielsweise die Beiträge von Sozial- oder Geisteswissenschaftlern leicht als Geschwätz wahrnehmen.
Die Möglichkeit der Konflikte untereinander wird noch durch zwei weitere Faktoren erheblich erhöht. Erstens fühlen sich eben viele Beteiligte überfordert, sehen sich in ihrer eigenen Leistung nicht anerkannt und machen das anderen zum Vorwurf – etwa im Dauerkonflikt zwischen Bloggenden und Aktiven.
Zudem ist es für Männer generell noch immer schwer, in die Mainstream-Diskussionen überhaupt hinein zu kommen – die lange Reihe unkritisch-feiernder Feminismus-Artikel in der Süddeutschen ist nur eines von vielen möglichen Beispielen. Das legt es nahe, die Konflikte einfach dort auszutragen, wo überhaupt Menschen ansprechbar sind – untereinander.
Thomas Gesterkamp, Journalist und Autor für die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung, hat wie viele andere diese Ausgrenzung nicht-feministischer Positionen aus dem Diskurs offensiv eingefordert – in der faschistoiden Metapher eines „Cordon Sanitaire“, der um die Männerbewegung gelegt werden müsse, als sei sie eine ansteckende Krankheit und als seien die dort Tätigen lebensgefährliche Viren und Parasiten. Diese verbissene Isolation ist umso erstaunlicher, als die Männerbewegung sich ja überhaupt nicht als politische Bewegung konstituiert.
Zum Vergleich: Eine politische Aktion des zivilen Ungehorsams wäre es beispielsweise, wenn Väter so lange alle Unterhaltszahlungen einstellen würden, so lange sie nicht dieselben Rechte wie Mütter hätten. Warum schließlich sollten Väter sich verpflichten lassen, Zustände zu finanzieren und zu ermöglichen, die ihnen und ihren Kindern erheblich schaden?
Niemand aber plant so etwas: Unterhaltspflichtige Väter sind insgesamt deutlich verlässlichere Zahler als unterhaltspflichtige Mütter (siehe z.B. hier, S. 143f.), und diejenigen Väter, die sich stillschweigend aus der finanziellen Verantwortung für ihre Kinder hinausziehen, sind eben nicht die Väter, die sich beim Väteraufbruch oder allgemein in der Väterpolitik beteiligen.
Die durch Gesterkamp und andere als skandalös präsentierten Handlungen von Väter- und Männergruppen bestehen in aller Regel einfach darin, die Ausgrenzung von Vätern aus den Familien offen zu kritisieren – was dann wiederum die Ausgrenzung der Kritiker aus dem Diskurs zur Folge hat. Diese panisch anmutenden Ausgrenzungs-Reaktionen haben mittlerweile schon eine ganze Reihe von uninformierten, desinformierenden und verzeichnenden Schriften über die Männerbewegung hervorgebracht. Keine einzige davon ist von dem Versuch geprägt, zu verstehen, worum es geht – das Ziel ist jeweils lediglich, die Isolation feminismuskritischer Männer und Frauen aus dem Diskurs zu legitimieren.
Wie wäre die Reaktion wohl erst, wenn die Männerbewegung tatsächlich eine politische Bewegung wäre?
Die verbissene Überreaktion zeigt zumindest, dass sich Akteure der institutionell abgesicherten Geschlechterpolitik schon allein durch offene Widerrede erheblich angegriffen fühlen. Zudem macht sie wohl deutlich, wie wenig Kritik es an feministischen Positionen innerhalb der Institutionen – Parteien, Universitäten, Gewerkschaften, weitere staatliche Institutionen – tatsächlich gibt. Diese Kritik wird offensichtlich nicht mehr als demokratische Selbstverständlichkeit wahrgenommen, sondern als eine Form der Gewalt erlebt. Die scharfen, massiv unterstellenden und von einer institutionell weit überlegenen Position geführten Attacken gegen Männerrechtler tragen wiederum erheblich dazu bei, dass die Aktiven ihre Beteiligung unverbindlich gestalten und sich Ausgänge offenhalten.
„…worin unsere Stärke besteht…“
Für solche Männer und Frauen, die sich abseits feministischer Klischees und scheinbarer Selbstverständlichkeiten mit Geschlechterthemen auseinandersetzen, ergeben sich daraus mehrere Konsequenzen.
Erstens ist es wichtig, großzügig miteinander umzugehen – einzukalkulieren, dass die Bedingungen, unter denen wir aktiv sind, zugespitzte Konflikte regelrecht nahelegen – und anderen prinzipiell zuzugestehen, dass sie guten Willens sind. Blinde Unterstellungen sind in der ohnehin schon fragilen Struktur dieser Bewegung ebenso destruktiv wie die Pflege von unnötigen Frontstellungen (Aktive vs. Bloggende, etc.).
Zweitens ist es wichtig, die Begrenzungen einer netzbasierten Bewegung oder eben Selbsthilfebewegung zu akzeptieren. Sicherlich kann es für Einzelne beispielsweise wichtig sein, ihre Wut offen und ungeschützt zu formulieren – aber dafür ist eine Freundesgruppe oder vielleicht auch eine reale Selbsthilfegruppe außerhalb des Netzes deutlich angemessener als ein Forum im Netz. Denn im Netz wird die ungefilterte Artikulation von Wut niemals nur als Selbstauskunft erscheinen, sondern immer auch als Bedrohung anderer. Die Interpretation der eigenen Äußerung kann in der Netzöffentlichkeit nicht mehr eingefangen werden, sondern wird zum Selbstläufer.
Wer drittens die von Christian Schmidt beschriebenen Möglichkeiten des Netzes nutzen möchte, Filterbubbles zu verlassen oder zumindest Fenster und Türen zu öffnen, der muss sich in seinen eigenen Äußerungen disziplinieren. Ich hatte hier beispielsweise einmal einen offenen Brief an die protestantische Kirche geschrieben und gehofft, dass sich an der Diskussion potenziell auch Protestanten beteiligen können, die ihre Kirche weniger kritisch sehen als ich. Das wurde zumindest erheblich erschwert durch einen Kommentator, der umgehend vom „Krieg gegen die Weiber“ räsonnierte und gegen jeden Einspruch so lange in ähnlicher Weise weiter schrieb, bis ich seine Kommentare schließlich pauschal blockierte. Das erste Mal übrigens, dass ich hier so etwa gemacht habe.
Fazit: Beiträge sollten grundsätzlich so verfasst sein, dass auch Menschen, die ganz anderer Meinung sind, keine unnötigen Barrieren gesetzt werden, in eine Diskussion einzusteigen. Wenn ich beispielsweise in irgendeinem Forum lese, in dem brachial und ohne Widerspruch vom „Krieg gegen die Weiber“ oder ähnlich gefaselt wird, dann habe ich überhaupt keine Lust mehr, in diesem Rahmen mitzudiskutieren – es sei denn, um auf die Dämlichkeit solcher Formulierungen aufmerksam zu machen. Es ist möglicherweise gerade der Zweck dieser Ausdrucksweise, sich eigene Filterbubbles zu schaffen und andere draußen zu halten – aber daran habe ich kein Interesse.
Viertens: Wer auch politisch wirksam werden möchte, der sollte versuchen, Verbindungen zwischen dem Aktivismus außerhalb des Netzes und dem im Netz zu verbessern. Wer sich auf das Netz beschränkt, wird in den Möglichkeiten der politischen Wirkung immer sehr begrenzt sein. Wer die Möglichkeiten des Netzes nicht nutzt, wer sich nicht an die bereits bestehenden Diskussionen anschließen möchte, begrenzt sich aber ebenso.
Und schließlich: Dass es in einigen Foren zum guten Ton gehört, gegen linke Bewegungen zu polemisieren, ist nicht nur ein nervtötendes Ritual – wie in der Polemik gegen die sogenannten „Kulturmarxisten“, die zum Glück mittlerweile abgeflaut ist. Die Polemik verdeckt auch, dass von linken Bewegungen durchaus einiges gelernt werden kann: zum Beispiel die Bedeutung von Solidarität.
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