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Wie ich einmal versuchte, mit einem Qualitätsjournalisten zu kommunizieren

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Neulich bei Twitter. Ich hatte eine Frage zu einem Tweet, den Hanning Voigts, Redakteur der Frankfurter Rundschau, herausgeschickt hatte.

Eben wegen solcher Äußerungen wie den zitierten wird Schramm zur Zeit heftig beschimpft, und ein #teamjulia hat sich kurzzeitig zu ihrer Unterstützung zusammengefunden. Laut Voigts gibt es auch Morddrohungen gegen sie.

Das ist natürlich absolut indiskutabel. Ich hatte also versucht, deutlich zu machen, dass ich die zitierten Aussagen Schramms furchtbar finde – aber auch, das auf eine Weise zu machen, die sich an der Hetze gegen sie nicht beteiligt.

Das klappte nicht besonders gut. Voigts schrieb zwar zurück, antwortete aber nicht, sondern räsonnierte darüber, weshalb er mir eigentlich antworten sollte.

Bundesarchiv_Bild_183-08778-0001,_Dresden,_Tote_nach_Bombenangriff

Bundesarchiv: Dresden, Tote nach Bombenangriff Solche Bilder bieten Rechtsradikalen die Möglichkeit, die Verbrechen der Konzentrationslager zu relativieren. Das ist historisch falsch. Auch das aber ist natürlich kein Grund, sich über die Folgen der Bombenangriffe für Zivilisten zu belustigen.

Nun habe ich ja tatsächlich keinen Anspruch auf Antwort – wenn Journalisten jedem Nutzer auf Twitter Rede und Antwort stehe müssten, kämen sie vermutlich zu nichts anderem mehr. Aber es gibt ein paar Fragen, auf die ein Journalist wie Voigts, der sich sicherlich als links oder linksliberal versteht, überhaupt eine Antwort geben sollte – nicht unbedingt mir persönlich, aber ganz allgemein.

In dieser Hinsicht ist die kurze Nicht-Kommunikation auf Twitter dann doch sehr aussagekräftig. Es geht dabei nämlich darum, wie überhaupt glaubwürdige Positionen einer demokratischen, humanen Linken formuliert werden können.

 

Warum findet eine Fachreferentin für Hatespeech Bombardierungen irgendwie toll?

Die Bombardierung von Dresden im letzten Kriegsjahr wird seit Jahrzehnten politisch ganz unterschiedlich interpretiert und genutzt: Schon Goebbels hat damit Propaganda gemacht, die SED hat in der DDR-Zeit die Bomben als „Ausdruck des alliierten Imperialismus“ hingestellt, Rechtsradikale benutzen das Gedenken für eine Fixierung auf die deutschen Opfer des Krieges, und Aktivisten, die sich als „links“ verstehen, begegnen dem mit einer demonstrativen Verweigerung von Empathie.

Ganz ähnlich wie Schramm hatte sich auch schon die damalige Piraten-Politikerin Anne Helm geäußert, die sich barbusig mit dem Slogan „Thanks, Bomber Harris“ in Dresden fotografieren ließ.  Sie wurde dann gegen Kritik daran von dem damaligen Vorsitzenden der Berliner Piratenfraktion, Oliver Höfinghoff, verteidigt.  Inzwischen sind Helm und Höfinghoff Mitglied bei der Linkspartei, Schramm unterstützt diese Partei öffentlich.

Viel ernsthafter als diese Aneignungen für die jeweilige politische Agitation, aber auch ungeheuer bitter ist das, was Victor Klemperer über die Bombenangriffe schrieb. Romanistik-Professor in Dresden, 1935 als Jude entlassen, wurde er nach dem Krieg erst mit seiner grundlegenden Analyse des nationalsozialistischen Sprache (LTI – Lingua Tertii Imperii), dann später mit seinen Tagebüchern aus der Zeit der Verfolgung bekannt. Die Jüdische Allgemeine erzählt:

„Am 13. Februar 1945, einem Dienstag, muss sich Victor Klemperer als Hiobsbote betätigen. Er ist zum Austragen von Briefen verpflichtet worden, mit denen den noch gut 70 Juden in Dresden ihre Deportation angekündigt wird.“

Zu den Deportationen, deren Ankündigung Klemperer unendlich bedrückt, kommt es nicht mehr – am Abend wird Dresden bombardiert. In sein Tagebuch notiert er dann:

„Sooft ich an den Schutthaufen Zeughausstraße 1 und 3 dachte und denke, hatte und habe doch auch ich das atavistische Gefühl: Jahwe! Dort hat man in Dresden die Synagoge niedergebrannt.“

Bomber Harris als Werkzeug eines göttlichen Zorns: Diese Interpretation ist aus Klemperers Perspektive schlüssig und nachvollziehbar. Er lebte allerdings in einer anderen Situation als alle, die sich heute äußern – wir haben nicht Jahre der Verfolgung hinter uns, wir müssen nicht jeden Tag mit unserer Ermordung rechnen, und wir haben nicht unübersehbar viele Familienangehörige, Freunde und Bekannte an die Massenmörder verloren. Wenn wir uns bei der Verweigerung der Empathie für die zivilen Opfer trotzdem auf Klemperer berufen, dann ist das keine Solidarität mit den ermordeten Juden, sondern ihre Funktionalisierung.

Ich zitiere einmal aus einem anderen Text, auch wenn das nach den Klemperer-Zitaten möglicherweise vermessen wirkt. Ich möchte damit keine Die-einen-haben-gelitten-die-anderen-haben-gelitten-Relativierungen begründen – die Verbrechen an den Juden waren einzigartig, und es wäre unsinnig, sie durch Vertreibungen Deutscher aufzuwiegen. Ich möchte nur zeigen, dass dieselbe Situation mit gutem Grund ganz unterschiedlich wahrgenommen werden kann.

Mein Vater war 1945 als Achtjähriger mit seiner Großmutter auf der Flucht aus Schlesien und auf dem Weg nach Dresden, und er hat mehrmals erzählt, dass sie wohl nur deshalb in den Bombennächten nicht in der Stadt gewesen seien, weil seine überforderte Großmutter einen falschen Zug genommen habe. Wenige Wochen später seien sie dann aber in Dresden angekommen, und Jahrzehnte später hat er seine Erinnerungen so aufgeschrieben:

„Vor dem Bahnhofsgebäude bekamen wir einen großen Schreck. Vor uns lag ein riesiges Trümmerfeld. Ruinen von ausgebrannten Häusern ragten in den Himmel, soweit unser Auge reichte. Viele Häuser waren einfach zusammengefallen. Überall lagen Trümmer auf der Straße und auf den Bürgersteigen.“

Sie kommen dann mit einem Mann ins Gespräch, der ihnen erzählt, dass er mit anderen zusammen wochenlang Leichen aus den Häusern geholt oder von den Straßen geräumt habe.

„Unterwegs fiel mir plötzlich etwas ein.

‚Ob da auch Kinder verbrannt sind, Oma?’

‚Das glaube ich wohl. In diesen großen Häusern haben bestimmt viele Kinder gewohnt.‘

Aber das wollte ich nicht glauben. Was hatten denn die Kinder mit dem Krieg zu tun?“

Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei: Was soll das? Warum die gezielte Verhöhnung der Opfer, der „Krauts“, die irgendwie sauer sind, und der „Kartoffeln“, aus denen Brei gemacht wurde?

Trotz solcher Fragen: Es ist nur ein Tweet, der zudem einige Jahre alt ist – und dass Menschen Dummes oder Gemeines schreiben, geschieht bei Twitter im Sekundentakt. Schwerwiegend wird die Äußerung erst dadurch, dass Schramm als Politikerin agierte und heute, ausgerechnet, als „Fachreferentin für Hatespeech“ bei der Amadeu Antonio Stiftung aus Steuermitteln bezahlt wird.

Erst vor ein paar Tagen, und unter dem Druck der Angriffe auf sie, hat sie sich bei Facebook erklärend zu ihrem Tweet geäußert, den sie als „Gag“ bezeichnet.  Er könne nur  im Zusammenhang mit heftigen inneren Auseinandersetzungen der Piratenpartei  verstanden werden, deren Mitglied sie damals noch gewesen sei.

Das heißt: Für sie war das Thema einfach wegen seines beträchtlichen Provokationspotenzials im innerparteilichen Profilierungskampf interessant, und weil es für politische Frontstellungen gut nutzbar war: Es ist angesichts der traditionellen Funktionalisierungen der Bombardierungen Dresdens leicht, wütende Kritiker an dem „Gag“ als Rechte hinzustellen.

Dass Schramm offenbar erheblichen persönlichen Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt ist, wird dadurch nicht gerechtfertigt – viele äußern sich im Netz ähnlich maßlos wie sie, und als Person sollte sie einfach in Ruhe gelassen werden. Das gilt so jedoch nicht für die steuermittelfinanzierte Amadeu Antonio Stiftung. Warum ist es für sie selbstverständlich, sich nicht dazu zu äußern,  dass sie ausgerechnet Schramm mit ihrer langen Geschichte der wütenden Beschimpfung politischer Gegner zur „Fachreferentin für Hatespeech“ gemacht hat? Dass es auf diese demonstrative Doppelmoral heftige Reaktionen geben würde, haben sich die Verantwortlichen der Stiftung denken können. Oder haben sie es darauf angelegt?

Als Person aber ist Schramm nicht interessant – und auch, weil sie zudem im verlinkten Facebook-Video (das meine ich ganz ohne Häme) angeschlagen wirkt, wäre es wichtig, die Diskussion von ihrer Person weg und auf die politische Bedeutung des Themas hin zu lenken. Denn der Konflikt zeigt einige allgemeine destruktive Dynamiken heutiger linker Politik – und er zeigt vor allem, warum es falsch ist, aus der Perspektive einer demokratischen Linken solche Dynamiken zu unterstützen.

 

Was hat man davon, aus getöteten Menschen lustige Gags zu basteln?

Ob Schramm, Helm oder Höfinghoff als Person jeweils menschenfeindlich sind oder nicht, ist politisch ganz unwichtig – wichtig ist, dass die Antihumanität der gezielten Verhöhnung ziviler Opfer des Bombenkrieges bei ihnen eine politische Funktion erfüllt, die von außen schwer nachvollziehbar ist.

Wer die herrschende Normalität als grundsätzlich gewaltvoll und unmenschlich hinstellt, der findet Humanität eben nur in der Distanzierung von ihr – ob er diese Normalität nun als „Patriarchat“, als „Imperialismus“, als „heterosexistische Ordnung“ oder eben wie die antideutsche Linke schlicht als „Deutschland“ beschreibt.

Wer nur in der Normabweichung Humanität entdeckt, sich aber zugleich natürlich um der eigenen Handlungsfähigkeit Willen gar nicht rundweg von der vorgeblich so inhumanen Normalität entfernen kann – der setzt sich und andere unter Druck, beständig nachzuweisen, nicht mit dieser herrschenden Inhumanität zu kollaborieren.

So begründet sich wohl die gerade in linken Kontexten so typische Überbietungsdynamik, in der unterschiedliche Gruppen immer extremere Positionen einnehmen, die Menschen außerhalb dieser Gruppen immer weniger vermittelt werden können: Meine Position ist reiner als deine, weil sie sich entschlossener den herrschenden Strukturen entgegenstellt.

Dass eine Mehrheit der Menschen abgestoßen wird, lässt sich dann schließlich sogar als Qualitätssiegel begreifen – und heftige Reaktionen lassen sich deuten als Hinweise darauf, dass die Strukturen der Herrschaft an einer empfindlichen Stelle getroffen wurden. Eine kalkulierte Antihumanität, der ein Großteil von Menschen aller politischen Spektren nicht mehr folgen kann, lässt sich so als Instrument einer revolutionären Positionsbestimmung nutzen. Voraussetzung ist natürlich ein zementiertes Freund-Feind-Muster, in dessen Perspektive die Opfer der Antihumanität ohnehin der Empathie gar nicht würdig sind.

Auf Nachfrage einer Twitter-Nutzerin, die mit Überlebenden der Dresdener Bombenangeriffe gesprochen hatte, antwortet Schramm mit dem Hinweis, dass sie sich „bevorzugt mit Überlebenden, die durch die Alliierten befreit wurden“, unterhalten habe: Meine Überlebenden sind würdiger als deine.

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Das instrumentalisiert nicht allein die zivilen Opfer des Bombenkrieges, sondern auch die jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Massenmorde für die eigenen politischen Profilierungsrituale.

Für eine demokratische Linke findet sich in einer solchen Dynamik keine Perspektive. Da linke Politik widerspruchsfrei nicht allein Politik für eine kleine Klientel sein kann, muss sie Mehrheiten überzeugen können. Wer aber nur in der möglichst weiten Entfernung von der herrschenden Normalität so etwas wie politische Reinheit und Integrität findet, wird Mehrheitsfähigkeit immer als Verrat an den Idealen einer wirklich humanen Gesellschaft begreifen.

Warum kommt dann ein Journalist einer deutschen Zeitung auf die Idee, Schramm trotz der offenkundigen und kalkulierten Inhumanität ihrer Positionen zu unterstützen?

 

Warum eigentlich antwortet man auf Fragen?

Die erste Reaktion von Voigts auf meine Frage: Er weicht aus und versucht, meine Frage lächerlich zu machen.

Das merke ich mir gern: Ich habe jetzt schon mehrfach erlebt, dass Journalisten oder Politiker auf eine direkte Frage oder Kritik nicht direkt antworten, sondern sich auf irgendeinen Nebenaspekt konzentrieren, um so die Äußerung insgesamt unglaubwürdig zu machen oder aber zumindest von ihrem Fokus abzulenken. Es ist wichtig, sich im Gespräch tatsächlich auf das zu konzentrieren, um das es geht – und nicht alle möglichen Aspekte mit unterzubringen, die irgendwie auch noch wichtig sind.

Der Hinweis auf die SPD war also ein Fehler, zumal der Verlag der Frankfurter Rundschau seit 2013 tatsächlich nicht mehr im Besitz der SPD-eigenen DDVG ist, sondern von einer Verlagsgesellschaft unter dem Dach der Frankfurter Societät geführt wird. Sich aber keinen Fehler erlauben zu können,  nicht einmal in Nebenaspekten, ist typisch für die Kommunikation mit Menschen in Herrschaftspositionen.

Trotzdem ist es natürlich nicht nötig, die Frage deshalb insgesamt zu ignorieren.

Warum also die Solidarisierung? Für Voigts ist sie eine Unterstützung für eine Frau, die offenbar auch deshalb unter Druck geraten sei, weil sie sich als Frau offen politisch äußere. Damit steht er nicht allen: Wie er deuten auch, z.B., Anke Domscheidt-Berg (bislang Grüne, Piraten und Linke) und Eva Horn  (Journalistin und ehemals Pressesprecherin der Grünen Jugend BW)  die Kritik an Schramm als Angriff auf eine Frau, die sich öffentlich zu äußern gewagt habe.

Frauen auf ihre Geschlechtszugehörigkeit zu reduzieren, war einmal in politischen oder akademischen Kontexten ein Instrument, um sie mundtot zu machen – hier wird dieselbe Reduktion zum Instrument der Abschirmung gegen alle Kritik. Von der ausgrenzenden zur wohlwollenden Herablassung: Es bleibt die Überzeugung, dass – auch gravierende – Äußerungen nicht weiter ernst zu nehmen seien, wenn sie von einer Frau getätigt werden. Dass Schramm deshalb kritisiert wird, weil Menschen ihre Gewaltfreude tatsächlich furchtbar finden, und dass das einem Mann nicht anders ginge: Das wird hier nicht einmal als Möglichkeit erwogen. Schramms Verteidiger fordern damit eher Narrenfreiheit ein, als dass sie Vogelfreiheit beklagen würden.

Möglich wird das nur in einem klaren Freund-Feind-Denken. Schon der Hashtag #teamjulia spielt auf einen Hashtag an, der sich ebenfalls auf eine durchaus zweifelhaft agierende Frau bezog: Als käme es nicht darauf an, sich auf für viele und gemeinsam tragbare Positionen zu verständigen, über eine gemeinsame Wirklichkeit – sondern nur darauf, in welchem Team wir uns befinden.

Das ist wohl auch der Hintergrund dafür, dass Voigts zwar Zeit findet, die Notwendigkeit des Antwortens zu hinterfragen – aber keine Zeit für eine Antwort.

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Dass er nicht jedem Twitter-Nutzer, oder mir persönlich, antwortet, finde ich ganz verständlich. Irritierend und falsch aber ist, dass generell jede Antwort ausbleibt und dass er den Kritikern Schramms nicht einmal die Möglichkeit einräumt, durch vernünftige Gründe motiviert zu sein.

Wer sich zudem provokant in sozialen Medien äußert, muss zumindest mit Nachfragen rechnen. Auf offenkundig gut motivierte Fragen nicht zu antworten, ist gemeinhin ein kommunikatives Foul („Entschuldigung, können Sie mir sagen, wie spät es ist?“ – „Warum sollte ich dir die Frage beantworten?“)

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Es ist durchaus bezeichnend für einen Journalisten mit links-liberalem Selbstverständnis, dass ihm – wie hier Voigts – für seine eigene Herrschaftsposition und sein eigenes Herrschaftsverhalten ganz der Sinn fehlt. Das ist der Eindruck, den Äußerungen von Journalisten über die Trolle im Netz zumindest mir immer wieder erwecken: Während sie ein paar Blogger und Kommentatoren, die in ihrer Freizeit, auf eigene Kosten und mit geringer Reichweite schreiben, als Repräsentanten eines herrschenden Systems hinstellen, präsentieren sie sich selbst mit massenmedialer Überlegenheit als Anwälte der Marginalisierten. Nicht einmal diese Herrschaftsposition selbst aber ist das wesentliche Problem, sondern der umfassende Unwille, sie ehrlich zu reflektieren.

Diese Selbst-Verkennung ist nur durchzuhalten, wenn weite Bereiche der sozialen Wirklichkeit ausgeblendet bleiben. Das aber kollidiert mit dem Anspruch, über eben diese Wirklichkeit verlässlich berichten zu können. Insofern ist Voigts‘ Dialogunfähigkeit nicht nur sein persönliches Problem, sondern ist Teil einer elitären Abschottung, die dazu führt, dass auch solche Zeitungen ihre Vertrauenswürdigkeit verlieren, die einmal als Qualitätsmedien galten.

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Das Ende der Nicht-Kommunikation bei Twitter

Diese Abschottung braucht Freund-Feind-Muster und Abwertungen des Gegenübers, um sich legitimieren zu können. Es ist aber längst Allgemeingut, dass damit auch die gestärkt werden, die von der anderen Seite aus ebenfalls mit Freund-Feind-Mustern agieren.

Wenn sich demokratische Linke nicht einmal mehr von offener, hämischer Freude an der Tötung von Tausenden distanzieren können, weil diese Freude von einer Akteurin aus dem eigenen Lager geäußert wurde und Kritik daran möglicherweise Beifall von der falschen Seite provozieren könnte – dann haben Rechte es leicht, diese Linke als verkommen hinzustellen.

Diese Sicht ist falsch. Die Distanzlosigkeit gegenüber der Gewaltfreude Schramms und anderer ist kein Ausdruck einer linken Dekadenz, sondern eher einer linken Orientierungs- und Ratlosigkeit: In der Selbstgewissheit und Einfachheit bedenkenlosen Freund-Feind-Denkens erhoffen sich einige demokratische Linke eine Perspektive, die natürlich gerade dort niemals zu finden sein wird.

Wenn sich aber eine demokratische Linke von einer kalkulierten Antihumanität wie der Schramms und anderer nicht deutlich distanziert, dann erweckt sie den schrägen Eindruck, nur noch im rechten Spektrum der Politik hätten humane Überzeugungen einen Platz. Eine überzeugende demokratische und humane linke Perspektive ist so nicht zu entwickeln.


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