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Wie Gina-Lisa mich zum Feministen machte

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Der Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink war noch vor ein paar Tagen Anlass für eine aufgeregte Debatte. Auf der einen Seite das #TeamGinaLisa, das die Angeklagte unabhängig von den Vorwürfen gegen sie wütend und offensiv verteidigte, und auf der anderen Seite ein TeamRechtsstaat, das darauf beharrte, ein Gericht müsse unbeeinflusst von medialem und politischem Druck seine Entscheidungen treffen können.

Doch einige Stimmen fehlten spürbar, obwohl sie gerade hier besonders wichtig gewesen wären: die Stimmen von Feministinnen nämlich. Dass sie stumm blieben, ist gerade in diesem Fall besonders schade – schließlich geht es hier nicht allein um die Sexualität von Frauen und Männern, um gegenseitige Vorwürfe, sondern auch darum, wie Frauen in der Öffentlichkeit repräsentiert werden.

Diese Repräsentation durch Lohfink und ihr Team aber war so abwertend, so böswillig, so unterstellend, ja insgesamt so katastrophal, dass eine feministische Gegenwehr unbedingt nötig gewesen wäre.

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Heute ist die Bedeutung dieses Symbols klar: Eine Hand, die nach einem Rettungsring greift. Ob es aber früher einmal etwas anderes bedeutete, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

Nun ist es aber immer besser, etwas selbst zu tun, als einfach nur zu klagen und zu appellieren. Daher formuliere ich diese feministische Gegenwehr hier einfach einmal selbst – irgendjemand muss es ja machen, auch wenn ich gerade eigentlich anderes zu tun hätte (ich hab nämlich den neuen Harry Potter gelesen und möchte gern etwas über die sehr auffälligen Väterfiguren schreiben). Aber das kann ich aufgrund der Dringlichkeit des Falles gern ein wenig zurückstellen.

Wir wissen ja, dass feministische Arbeit an der Geschlechterordnung ohnehin immer unter undankbaren Umständen erledigt werden muss – von Menschen, die eigentlich gerade vieles andere zu tun hätten – und ohne Gegenliebe zu erfahren, mediales Interesse zu erwecken oder institutionelle Unterstützung zu bekommen, dafür aber gegen viele verbissene Widerstände. Da kann ich natürlich nicht erwarten, dass für mich eine Ausnahme gemacht wird.

 

Wo Maschinengewehre niedlich sind

Warum aber hat sich noch keine Feministin darüber beschwert, dass Frau Lohfink und ihr Team Frauen als Wesen hinstellen, die eigentlich nicht so recht verantwortlich sind für das, was sie tun? Als Wesen, von denen keinesfalls erwartet werden kann, sich mit Realitäten außerhalb ihrer eng begrenzten gewohnten Wahrnehmung länger als 2 bis 3 Sekunden auseinanderzusetzen?

Diese gehässige Darstellung von Frauen ist altbekannt – als kleine realitätsuntüchtige Weibchen, die verloren sind ohne entschlossene, männliche Unterstützung. Ibsens Nora ist zu Beginn eine solche Frau – von ihrem Mann als „Lerche“, als „Eichhörnchen“ oder als „Zeisiglein“ liebevoll verspottet, weil sie ohne Überblick über das von ihm erarbeitete Geld zu Weihnachten deutlich zu viel ausgegeben hat.

Gina-Lisa Lohfink hatte einen Strafbefehl wegen Falscher Verdächtigung erhalten, und in der Verhandlung gegen sie stellte das Gericht noch einmal fest, dass sie offenkundig die Unwahrheit gesagt hatte. Mit dieser Unwahrheit hätte sie immerhin einige Männer für mehrere Jahre hinter Gitter bringen können, wenn es für die schlecht gelaufen wäre. Staatliche Institutionen wären dabei Instrument ihrer Aggression gegen diese Männer gewesen.

Selbst eine Ministerin aber trat ihrem Team bei, dem all dies ganz egal ist. Als ob eine Frau selbst dann noch ein niedliches und liebenswertes Eichhörnchen und Zeisiglein wäre, wenn sie gerade versucht hat, anderen Menschen eine erheblichen Schaden zuzufügen.

hass

Die #TeamGinaLisa-Demonstrantinnen vor dem Gericht bestätigen dieses Bild. Hass Hass Hass auf die Justiz verkünden sie auf einem großen Plakat, auf dem das alte Symbol der Terrorgruppe RAF abgebildet ist – ein fünfzackiger Stern mit einem Maschinengewehr. Das Gewehr aber hält hier das niedliche Disney-Schneewittchen, eine Märchenprinzessin aus einem Kinderfilm. Als ob ein Maschinengewehr, sobald eine zarte Frau es bedient, flugs nur noch liebliche Blümelein und kleine leckere Glückskekse verschießen würde.

Eben in diesem Sinn reagieren dann auch die Besucher auf das Plakat und die jungen Frauen, die es hochhalten.  Obwohl unübersehbar von Hass auf die Justiz die Rede ist – und für die wenigen, die es nicht gleich beim ersten Mal merken, gleich noch zwei Mal hinterher – und obwohl hier mit dem Symbol einer terroristischen Vereinigung operiert wird, kommt niemand auf die Idee, hier würde Gewaltpropaganda gegen Angehörige des Gerichts betrieben. Die Passanten schauen sich auf einigen Bildern das Plakat so großzügig-interessiert an, als würden hier stolze junge Mütter Bilder ihrer Kinder herumzeigen.

 

Die harmlose Heilige und der Gentleman

Noch schlimmer als diese offenbar gezielte Infantilisierung von Frauen aber ist die Unterstellung, von ihnen könnte nicht erwartet werden, sich mit Realitäten auseinanderzusetzen. Der Anwalt Lohfinks erklärt selbst zu ihrer Verteidigung, sie

„habe die beiden Männer nie der Vergewaltigung bezichtigt. Also nicht explizit jedenfalls (…).“

Deshalb müsse sie auch freigesprochen werden. Das aber hindert die Bloggerin und Autorin Anne Wizorek, die sich perfiderweise selbst als Feministin bezeichnet, nicht daran, noch nach dem Urteil festzustellen, „Gina-Lisa“ sei „nach wie vor der richtige Fall, um über Vergewaltigungen zu reden“.

In ihrem Text macht Wizorek den Kritikern Lohfinks heftige Vorwürfe:

„Dass ihr Frauen nicht glaubt, vergewaltigt worden zu sein, weil sie offen mit ihrer Sexualität umgehen, sich die Haare blondieren, eine Brust-OP hatten und im Reality-TV zu sehen waren?“

Darum allerdings ging es gar nicht. Lohfink wurde deshalb nicht geglaubt, weil ihre Aussagen durch ein medizinisches Gutachten und durch eine Filmaufnahme, welche die beiden Männer zu ihrem Glück gemacht hatten, offenkundig widerlegt wurde.

Wizorek weiter:

„Wie grotesk ist es außerdem, dass nun gerade Medienmenschen Gina-Lisa Lohfink auch noch einen daraus Vorwurf machen, weil diese mit Medien geredet hat?“

Genau genommen lautete der Vorwurf, dass Lohfink zwar ausgiebig mit den Medien geredet, sich aber vor Gericht nicht geäußert habe, und dieses Verhalten erscheint mir gerichtstaktisch durchaus recht unklug. Auch das ist also perfide: Dass Wizorek gezielt den Eindruck erweckt, von einer Feministin könne keineswegs erwartet werden, einfache Argumente gegen ihre Position nachzuvollziehen.

Welche Konsequenz aber hätte es denn, wenn Lohfink, Wizorek und ihr Team sich durchsetzen würden? Wenn einer Frau in jedem Fall geglaubt würde, ohne den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage oder ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen, womöglich gar kritisch?

Bei Lohfink spielt die Frage, ob eine Frau tatsächlich vergewaltigt worden ist, überhaupt keine Rolle mehr. Es kommt nicht darauf an, was tatsächlich geschehen ist – sondern darauf, was sie sagt.

Angeklagte werden dann aber nicht dafür verurteilt, dass sie etwas getan haben, sondern dafür, dass sie von einer Frau beschuldigt werden. Eine Verurteilung auf Zuruf. Was aber einer Frau einerseits viel Macht verleiht, entwirft andererseits ein furchtbares Bild von ihr. Sie wird behandelt wie jemand, dem auf gar keinen Fall abverlangt werden kann, die eigene Wahrnehmung einer Situation mit der Wahrnehmung anderer abzugleichen. Oder gar mir allseits überprüfbaren Sachverhalten, den sogenannten „Tatsachen“.

Da sie aber als ein Wesen dasteht, von dem Realitätstüchtigkeit gar nicht erwartet werden kann, braucht sie andere, realitätstauglich agierende und schützende Instanzen, die für sie einstehen. Mit einer „Schutzlücke“ im Gesetz ist denn auch das neue Sexualstrafrecht begründet worden. Die taz hat Tatjana Hörnle, Jura-Professorin an der Berliner Humboldt Universität und Expertin für Sexualstrafrecht, dazu interviewt und nach der Bewertung eines alltäglichen Fallbeispiels gefragt.

taz: „Ein Paar liegt im Bett, sie will Sex. Er sagt, er sei zu müde. Sie gibt nicht auf und streichelt seinen Penis, bis er doch Lust hat. Ist das künftig strafbar, weil sie sein Nein ignoriert hat?“

Hörnle: „Das Verhalten der Frau mag zwar den Tatbestand des neuen Gesetzes erfüllen. Aber ich bitte Sie, welcher Mann zeigt seine Partnerin nach einer solchen Situation an?“

Und welcher Jurist hätte schon jemals davon gehört, dass Menschen mitten in Beziehungsstreitigkeiten oder nach Trennungen alles Mögliche nutzen, um es gegen Partner oder Partnerin auszuspielen? Ich bitte Sie.

Da schafft ein Gesetz also haufenweise neuer Straftatbestände, nach denen ein Gericht dann einen Menschen übrigens im vorgegebenen Strafmaß verurteilen muss. Es hat dann nicht die Wahl, von einer Verurteilung abzusehen, weil die Anzeige irgendwie albern aussieht. Offenbar kamen die Verfasser der Gesetzes bei aller Konzentration auf den Schutz von Frauen gar nicht auf die Idee, dass natürlich auch Männer nach dem neuen Gesetz ihre Frauen anzeigen könnten. Oder sie verließen sich eben darauf, dass ein Gentleman so etwas Stilloses wie eine Vergewaltigungsanzeige ganz gewiss nie einer Frau antun würde.

Die Frau wiederum hat in diesem Weltbild gewiss immer gute Gründe, wenn sie den Mann anzeigt. Entweder ist sie dazu fähig das Gesetz auszunutzen, würde es aber nie tun – dann ist sie grundsätzlich eine Heilige. Oder sie ist zum Ausnutzen eines solchen Gesetzes gar nicht in der Lage – dann ist sie fundamental harmlos. Frauen sind hier also entweder harmlos oder heilig, und damit sie dabei nicht zu Schaden kommen, werden sie an die Galanterie der Männer verwiesen.

Es mag ja sein, dass mir meine männlichen Privilegien dabei den Blick verstellen – aber ich verstehe durchaus nicht recht, was diese Haltung eigentlich mit „Feminismus“ zu tun hat.

 

Ein Geistesblitz des Patriarchats

In diesem Feminismus, der eigentlich ein verkappter Antifeminismus ist, geht es eben nicht um Freiheit, oder um faire Chancen, oder um Solidarität – denn das würde ja jeweils eine gleichrangige, symmetrische Beziehung voraussetzen. Hier geht es um Schutz – und den gibt es nur im Rahmen einer asymmetrischen Beziehung zwischen denen, die Schutz brauchen, und denen, die ihn bieten.

Skandalös ist aus dieser Sicht nicht die Fixierung auf Ängste und Schutzbedürftigkeiten – skandalös ist lediglich, dass der Schutz nicht total ist, dass der allgute Vater Staat noch Lücken in seinem schützenden Mantel toleriert.

Damit wird Frauen dann der verrückte Eindruck erweckt, sie könnten sich eine Erfahrung ersparen, die für Männer – zu deren Vorteil, übrigens – ganz selbstverständlich ist: Dass es keinen absoluten Schutz gibt, und dass Menschen daher auf sich selbst und aufeinander aufpassen müssen.

Die antifeministische Familien- und Frauenministerin Manuela Schwesig kultiviert dieses Bild der Frau als Eichhörnchen und Zeisiglin besonders entschlossen. Zunächst unterstützt sie offen das #TeamGinaLisa und damit eine Straftat – möchte sich dann aber, nach deren Verurteilung, auf Nachfrage einfach nicht mehr dazu äußern.

„Es gab mal Zeiten da mussten in Deutschland Minister gehen weil sie den Hersteller eines Einkaufchips erwähnt hatten, auf Ministerpapier“,

schreibt hier Kai V. in einem Kommentar. Von einer Familien- und Frauenministerin kann aber wie selbstverständlich keine politische Verantwortung erwartet werden.

Ähnlich die von Schwesig finanzierte Kampagne zur Hate Speech im Netz. In der Welt der Ministerin kommt der Hass von Männern, die Opfer sind Frauen – Frauen selbst sind hier zu Hass gar nicht fähig, schlimmstenfalls zu niedlichen kleinen Aggressiönchen. Ebenso in der häuslichen Gewalt: Was der Mann der Frau tut, ist schrecklich und gewalttätig, was aber die Frau dem Mann tun kann, ist allezeit nicht der Rede Wert.

Wer einen anderen Menschen als Erwachsenen ernst nimmt, weiß allerdings immer auch, dass dieser Mensch ihm potenziell Schaden zufügen kann. Wer das Menschen  nicht zutraut, nimmt sie als Erwachsene nicht ernst.

Die Ministerin entwirft eine Welt, die für Frauen allezeit bedrohlich ist und die ihnen keine Möglichkeit des Schutzes und der Gegenwehr lässt – als wären sie existenziell hilflose Wesen, ausgesetzt in einer feindseligen Welt wie Vögelchen, die zu früh aus dem Nest gefallen sind.

Auch eine berufliche Karriere lohnt sich hier natürlich nicht. Da die Ministerin mitsamt ihrer Partei ausdauernd verkündet, Frauen würden 23% weniger verdienen als Männer, müsste eigentlich jedem jungen Paar klar sein, wer im Zweifelsfall daheim bleibt: Wie verrückt wäre es, wenn es der Mann wäre, der doch in der rauen Wirtschaft dort draußen jederzeit um ein Viertel mehr verdient als die Frau.

Dass das Gerede vom Gender Pay Gap schon vielfach widerlegt worden ist, ändert nichts an seiner Langlebigkeit. Es bedient Bedürfnisse, schürt Ängste und Schutzansprüche – und kann daher lästige Quälgeister wie Tatsachen und sachliche Analysen recht leicht beiseite legen.

Welche Arbeitgeber würde, andererseits, auch gern Menschen einstellen, die davon überzeugt sind, die Erwartung eines realitätsgerechten Verhaltens sei ein übler Trick einer böswilligen Umwelt?

Warum aber kommen antifeministische Akteurinnen wie Wizorek, Schwesig oder Lohfink so leicht durch damit, Frauen als Eichhörnchen und Zeisiglein darzustellen, hilflos einer feindlichen Umwelt ausgeliefert und existenziell angewiesen auf den Schutz eines allanwesenden, gütigen Staats?

Warum fällt linken Feministinnen nicht auf, dass solche Positionen geschlechterpolitisch frauenfeindlich sind und allgemein politisch reaktionär und autoritär?

Wie wäre es zur Abwechslung einmal mit einem feministischen Aufschrei?

Meine einzige Erklärung ist: Diese Akteurinnen haben Erfolg, weil sie viele Menschen ansprechen, Frauen UND Männer, die vor den Konsequenzen gleicher Rechte Angst haben. Die Angst vor einer Welt haben, in der Frauen prinzipiell dieselben Möglichkeiten haben wie Männer, Männer prinzipiell dieselben Möglichkeiten wie Frauen – und in der sie alle gemeinsam dieselbe Verantwortung tragen.

Sie sprechen Männer an, die den Glauben brauchen, sie hätten eine ganz besondere Macht und einzigartige Privilegien, nur weil sie Männer sind – auch und gerade dann, wenn sie abhängig sind von einem beschissenen Arbeitsplatz, ihre Kinder kaum noch sehen und ein paar Jahre eher sterben als ihre Frauen.

Sie sprechen Frauen an, die von der alten Forderung der sozialdemokratischen Frauenbewegung – „Gleiche Rechte, gleiche Pflichten“ – den Begriff Pflichten gestrichen haben, weil er ihnen irgendwie Angst machte und unbequem war, und die von gleichen Rechten auch nur dort etwas wissen wollen, wo Männer rechtliche Vorteile haben.

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Gäbe es ein Zentralkomitee des Patriarchats, das sich eines Tages mit der drängenden Frage beschäftigte, wie sich eigentlich selbstbewusste Frauen weiter in Abhängigkeiten halten lassen – dann wäre es, wenn es klug wäre, zu einem einfachen Schluss gekommen. Es hätte eine Politik entworfen, die Frauen wieder und wieder erklärt, dass sie beständig existenzielle Angst haben müssten, sei es in der Öffentlichkeit oder daheim – dass sie auch vor Gerichten keine Chance auf Hilfe hätten – dass sich ihre Erwerbsarbeit kaum lohne, weil sie ohnehin immer weniger verdienen würden als ihre Männer – und dass sie Schutz nur im Vertrauen auf mächtige väterliche Instanzen finden würden.

Diese Politik allerdings auch noch als „Feminismus“ zu bezeichnen, wäre ein ganz besonders gewagter Geistesblitz. Aber wenn er erfolgreich wäre, würden sich selbst Feministinnen nicht mehr gegen diese Politik wehren können, ohne Angst haben zu müssen, sogleich als antifeministisch dazustehen.

So würden dann vermutlich irgendwann die einzigen Menschen, die sich überhaupt noch trauen, feministisch zu argumentieren – ein paar Männerrechtler sein.


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