Quantcast
Channel: man tau
Viewing all articles
Browse latest Browse all 356

Jammer-Männer und Friedens-Frauen

$
0
0

Wie der Dialog der Geschlechter an die Wand gefahren wurde

Zweiter Teil

„Diese Gesellschaft braucht keine Jammer-Männer.“ Das schreibt Martin Rosowski, Vorsitzender des Bundesforum Männer, in einem Beitrag in der Zeit, in dem er sich mit ganz ähnlichen Themen beschäftigt wie denen des letzten Blog-Eintrags.

Der Vorwurf  knüpft an traditionelle Männerbilder an. Zum Ideal des soldatischen Mannes passt das Jammern zum Beispiel gar nicht: „Well, I don’t wanna be a soldier, mama, I don’t wanna die“, singt John Lennon zum Beispiel im Jahr 1971 auf seinem Imagine-Album.

Rosowski beschreibt – als wüsse gewiss jeder, wen er damit meint –

„diese jammernden Männer, die sich von den Frauen speziell und der Weiblichkeit (letztendlich in ihrer Wahrnehmung des Feminismus) an sich unterdrückt fühlen“.

Er unterstellt, Männer würden in heutigen Debatten gleichsam ein Spiegelbild zum Feminismus etablieren wollen – ein Bild, in dem eben nicht Frauen, sondern Männer das unterdrückte Geschlecht seien.

cimetiereus_allees

Colleville-sur-Mer, ein US-amerikanischer Soldatenfriedhof in der Normandie Quelle

Damit entgeht Rosowski, dass Männer schon lange, und unabhängig vom Feminismus und seiner Kritik, Möglichkeiten der Veränderung durchspielen, die mit Unterdrückungsszenarien gar nichts zu tun haben. Lennon ist dafür nur eines von vielen Beispielen, wenn er sich von traditionell männlichen Tätigkeiten distanziert oder sich als Mann präsentiert, der früher seiner Frau gegenüber gewalttätig gewesen, nun aber geläutert sei. (Getting Better)

Gerade dann allerdings, wenn er an feministische Ideen anknüpft (Woman Is the Nigger of the World), stellt Lennon sich als Mann in einer Doppelrolle da: Als Täter und Unterdrücker, der seine Schuld bekennt – und zugleich als Kind, das sich entwickeln möchte und dabei die Partnerin als Mutterfigur verehrt. Der vorangegangene Text endete also mit zwei Fragen:

Wie war es möglich, dass ein solch ungleiches, unpartnerschaftliches Verhältnis zwischen Mann und Frau als neues Ideal, als Weg in eine schönere Zukunft erscheinen konnte?

Warum aber hat sich das einseitige Geschlechterverhältnis in den folgenden vier Jahrzehnten – zumindest, was seine Repräsentation im Lichte feministischer Politik betrifft – nicht zu einem Verhältnis der Gegenseitigkeit hin entwickelt, sondern sich beständig weiter betoniert und zugespitzt?

 

Gebrauchte Männer

In seiner 1977/78 erschienen, längst zu einem Klassiker avancierten Männerphantasien assoziiert Klaus Theweleit Männlichkeit und Faschismus miteinander und interpretiert beide als erstarrte Ordnungen, die sich abschotten gegen das, was ihnen fremd und feindlich erscheint. Theweleit kann diesen Vorwurf an die Männlichkeit auch deshalb über Hunderte von Seiten aufrecht erhalten, weil er seinerseits störende Informationen ausblendet. Hier im Blog war das schon einmal Thema: 

„Fast prototypisch haben die erfolgreichsten jungen Schauspieler hier androgyne Züge. James Dean spielt mit einer bis heute enormen Intensität zwischen nervöser Hypersensibilität und selbstbewusster Stärke, Montgomery Clift wirkt scheu, zart, zurückhaltend, Marlon Brando changiert zwischen Machismo und Weichheit. In der Musik inszeniert sich Elvis Presley den Blicken anderer als männliches Sexobjekt und ironisiert das zugleich. Chuck Berrys bis heute immenser Einfluss überwindet in der Musik spielend Rassengrenzen, während das Civil Rights Movement im Busboykott von Montgomery gerade erst beginnt.  Little Richard jongliert mit Travestie-Elementen. Buddy Holly wirkt wie ein sechzig Jahre zu früh geborener Nerd, tritt linkisch und mit großer Brille auf und revolutioniert in seiner kurzen Karriere die moderne Popmusik.

All das gehört in eine Kultur des zunächst unterschwellig bleibenden Aufbruchs, die stärker noch von proletarischen als von bürgerlichen Jugendlichen getragen wird – in Deutschland werden sie als „Halbstarke“ verspottet. Der studentisch-bürgerliche Aufbruch der sechziger Jahre greift dann diese Impulse auf, setzt sich aber selbst als einen neuen Anfang und vergisst, worauf er aufbaut.“

Dass Männer in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf ganz unterschiedliche Weise nach neuen Variationen von Männlichkeit suchen, ist erklärlich: In den Tötungsmaschinerien der Weltkriege haben Männer zu Millionen die Erfahrung gemacht, dass ein herkömmlicher Heroismus nicht trägt, und dass das Ideal des sich selbst für sein Volk aufopfernden Helden vor allem gewährleistet hat, Millionen von Soldaten wie Tiere auf den Schlachtfeldern krepieren lassen zu können.

Das Männlichkeitsbild, das hier so deutlich an eine Grenze gestoßen war, bezeichnet Warren Farrell als das des disposable male – das des beliebig verfügbaren Mannes, aber auch als Wegwerf-Mannes. Es gehöre in eine Geschlechterordnung, die unter Bedingungen knapper Ressourcen durchaus eine Funktion habe erfüllen können.

Da eine Gruppe für ihr Überleben und ihre Reproduktion vor allem auf ausreichend viele Frauen, nicht aber in gleichem Ausmaß auf Männer angewiesen sei, könne es sich auszahlen, wenn Männer im Interesse der Gruppe erhebliche Risiken eingehen und dabei möglicherweise gar ihr Leben verlieren. Es lohne sich eben dann, wenn durch das Agieren der Männer Frauen der Schutz und die Versorgung bereit gestellt werden, die sie für die Kindessorge brauchen.

Die bürgerliche Geschlechterordnung überformt und ideologisiert dieses Modell. Der bürgerliche Mann ist für den Außenbereich der Familie zuständig, insbesondere für die finanzielle Reproduktion im Beruf – die bürgerliche Frau wird in einen Innenbereich verwiesen, in dem sie Anspruch auf Versorgung und Schutz hat, in dem allerdings ihre Möglichkeit des Wirkens nach außen auch begrenzt ist.

Trotz einiger Jahrzehnte der Emanzipation hält sich dieses Modell bis heute. Nach der Geburt von Kindern beispielsweise sind Väter im Schnitt mehr als zuvor in der Erwerbsarbeit tätig, Mütter deutlich weniger.  Allein das Muster der Männlichkeit aber, nicht das korrespondierende der Weiblichkeit steht dabei zugleich anhaltend in der Kritik. In der Radikalisierung ihrer Disponibilität hatten schließlich nicht nur Millionen von Männern  ihr Leben verloren. Insbesondere in Deutschland war auch die moralische Integrität der überlebenden Soldaten, die immerhin den Holocaust erst ermöglicht hatten, tief fragwürdig geworden.

 

Anständige Männer und friedfertige Frauen

Die Rede, die Heinrich Himmler als Reichsführer der SS am 4. Oktober 1943 in Posen vor SS-Gruppenführern gehalten hat, ist besonders durch einige Passagen zum Massenmord an den europäischen Juden bekannt geworden.

„Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte (…).“ 

„Anstand“ und „Ruhm“ werden in dieser Logik eben gerade durch die Beteiligung an der massenhaften Ermordung Wehrloser gewährleistet – auch wenn über diese Beteiligung niemals offen geredet werde. Wie aber begründet sich die moralische Perversion, dass Himmler ausgerechnet die absolute Amoralität des Massenmordes als besonders moralischen, heroischen Akt verkaufen kann?

Die Soldaten, so Himmler, seien „Söhne deutscher Mütter. Das ist unser Blut.“ Das, was für Himmler die innere Essenz des Volkes ist, das „deutsche Blut“, wird so repräsentiert in der verehrten Figur der deutschen Mutter.

Die Mütter wiederum können rein und unschuldig bleiben, weil sie mit den verschwiegenen – von Himmler aber gleichwohl für dringend notwendig gehaltenen – Massenmorden nicht behelligt werden. Die radikale Amoralität ist für den SS-Führer also gleichsam ein männlicher Opfergang im Interesse einer Unschuld des Volkes, die sich manifestiert in der Unschuld der deutschen Mütter.

Die moralische Perversion von Himmlers Rede entwickelt ihre Logik also erst dann, wenn männliche und weibliche Muster im Zusammenhang betrachtet werden. Ob heroische männliche Amoralität oder vorgeblich unwissende weibliche Unschuld: Deutsche hinterlassen ungeheure Berge von Leichen, ohne dass sich tatsächlich jemand dafür verantwortlich fühlen müsste. Die Diffusion der Verantwortung, ohne die der Massenmord nicht möglich gewesen wäre, wird unter anderem durch eine in ihre radikale Konsequenz getriebene Geschlechterordnung gewährleistet.

Als problematisch erscheint nach dem Krieg dann aber nicht etwa diese Geschlechterordnung, deren Männlichkeits- und Weiblichkeitsmuster gleichermaßen verkürzte und verstümmelte Muster der Humanität repräsentieren. Als Problem steht die Männlichkeit da – und Weiblichkeit kann als Lösung dieses Problems erscheinen.

Damit aber wird dann eben die Ordnung aufrechterhalten, die eine moderne Geschlechterpolitik eigentlich zu überwinden vorgibt. Ein Beispiel ist ein enorm erfolgreicher Text aus den 80er Jahren.

„Ihre Überich-Strukturen prädestinieren die Frau nicht zum Antisemitismus. Ihre Abhängigkeit von der Anerkennung ihrer Umwelt, von den herrschenden männlichen Wertorientierungen, können sie allerdings dazu veranlassen, gängige Vorurteile zu übernehmen.“ (S. 159)

Selbst der massenmörderische deutsche Antisemitismus ist hier im Kern ein Ausdruck von Beziehungsorientierung, gar von Liebe – solange es denn eben ein weiblicher Antisemitismus ist. Der nämlich müsse den eigentlichen – männlichen – Antisemitismus nur deshalb kopieren, weil Frauen von Männern abhängig seien und die Beziehungen zu ihnen aufrecht zu erhalten versuchten.

Aber auch ein Modell weiblicher Unabhängigkeit beschreibt Margarethe Mitscherlich schon in diesem Text, in Die friedfertige Frau aus dem Jahr 1985.

„Die Mutter – während der Abwesenheit des Vaters im Kriege oder als Witwe selbst Familienoberhaupt – hatte über viele Jahre allein die Verantwortung für ihre Kinder zu tragen und war nach dem Kriege häufig nicht mehr bereit, sich dem zurückkehrenden, entmutigten Vater unterzuordnen oder ihm den Platz des verwöhnten Kindes in der Familie wieder einzuräumen.(…)“(77)

Während so Nationalsozialismus und Krieg als Möglichkeit einer weiblichen gesellschaftlichen Selbstbehauptung erscheinen, stellt Mitscherlich die folgenden 50er Jahre als

„Welle konservativer und regressiver Konsolidierung der Familien- und Geschlechterverhältnisse“ (6)

hin.

Die Emanzipation, die sie beschreibt, ist damit an ihren eigenen Kosten nicht interessiert. Die Ziele des Nationalsozialismus, der die hier idealisierte weibliche Selbstbehauptung erzwang und ermöglichte, sind Mitscherlich ebenso unwichtig wie die Tatsache, dass die „Abwesenheit des Vaters im Kriege“ einen millionenfachen Tod auf den Schlachtfeldern bedeutete. Die von den Schlachtfeldern zurückkehrenden Männer stehen statt dessen als „verwöhnte Kinder“ da.

Ort der Frau ist in diesem Modell der Emanzipation ein sozialer Innenraum, dessen Bewohnerinnen nicht damit behelligt werden, welche Kosten in den äußeren Bereichen der Gesellschaft für die Errichtung dieses Raums aufgebracht werden müssen. Emanzipation bedeutet hier kein ziviles Miteinander von  Frauen und Männern, sondern eine schroffe Trennung ihrer Bereiche.

Das ist nicht allein aufgrund der verschwiegenen Kosten fatal. Das traditionelle Männlichkeitsmodell wird sinnvoll erst durch das korrespondierende Modell der Weiblichkeit, und dieses wiederum wird erst realisierbar durch das Modell disponibler Männlichkeit. Beide Muster sind logisch zwingend aufeinander und auf die gemeinsame Geschlechterordnung bezogen.

Wer also eines dieser Muster aufrecht erhält, der hält damit zwangsläufig auch am anderen Geschlechtermuster und an ihrer gemeinsamen Ordnung fest. Das Modell der geschützten und bewahrenden Weiblichkeit ist also kein Gegenmodell zur disponiblen Männlichkeit, sondern seine notwendige Ergänzung – ebenso wie umgekehrt. Wer daher Weiblichkeit als Lösung des Problems der Männlichkeit präsentiert, der reproduziert damit beständig eben das Problem, das zu lösen er vorgibt.

Die friedfertige Frau braucht den disponiblen Mann.

 

Löst Weiblichkeit das Problem der Männlichkeit?

Der Bereitschaft zur Männlichkeitskritik entsprach damit niemals eine äquivalente Bereitschaft, im Interesse einer humaneren Gesellschaft auch eine traditionelle Weiblichkeit in Frage zu stellen. So haben Frauen denn schon seit Jahrzehnten für Veränderungswünsche Adressaten, die Männern bis heute fehlen. Die Liberalisierung des Abtreibungsparagraphen – die einseitige Verbesserung der Situation von Frauen nach Scheidungen – die Zementierung mütterlicher Privilegien – die Einrichtung von Institutionen der gezielten Frauenförderung – Beratungs- und Hilfsangebote, die sich exklusiv an Frauen richten – Frauenquoten in Parteien und anderen Organisationen – Lobbyorganistaionen in den Parteien und außerhalb von ihnen: All dies wurde entweder von Männern oder mit ihrer notwendigen Hilfe durchgesetzt.

Dabei sind Anliegen von Männern nicht weniger berechtigt: die menschenrechtswidrigen rechtlichen und institutionellen Benachteiligungen von Vätern – die exklusiv-männliche Wehrpflicht, die nur ausgesetzt, aber nicht abgeschafft ist – die weitaus größere Belastung in der Erwerbsarbeit – die erheblichen finanziellen Transfers in den öffentlichen Kassen von Männern zu Frauen – das fast vollständige Fehlen von Unterstützungs- und Hilfsangeboten, etwa bei häuslicher Gewalt – die gesundheitlichen Belastungen im Beruf, die sich insbesondere in Männerberufen ballen – die erheblichen Nachteile von Jungen in der Schule: Wenn eine moderne Geschlechterpolitik diese spezifischen männlichen Nachteile überhaupt einmal zur Kenntnis nimmt, dann werden sie routiniert im Sinne von Patriarchy-Hurts-Men-Too-Klischees beiseite gelegt.

Die Rede vom Patriarchat bewahrt so vor allem den Willen, die Strukturen einer modernen Gesellschaft weiterhin als eine Männerangelegenheit zu betrachten – und aus weiblicher Perspektive den Unwillen, sich gleichermaßen für sie verantwortlich zu fühlen. So werden dann Probleme moderner Gesellschaften verkürzt und verquer als Probleme der Männlichkeit diskutiert.

Das hat Folgen. Äußerungen von Ressentiments, Gefühlen der Verachtung und gar des Hasses gegen Männer erscheinen als legitim, weil sie nicht als Äußerungen einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, sondern als Akte der Gesellschaftskritik interpretiert werden. So ist es für die Grünen kein Problem, Männern rundweg die Tendenz zum Vergewaltigen zu unterstellen – und die SPD operiert in ihrem Grundsatzprogramm seit Jahrzehnten mit einem Gegensatz von Männlichkeit und Menschlichkeit.

Auch die Empathieverweigerung gegenüber Männern, etwa in dem durch die feministische Journalistin Jessica Valenti populär gemachten Spott über male tears, reproduziert dabei das Innen-Außen-Muster einer traditionellen Geschlechterordnung. Männer werden hier gar nicht erst als Bewohner eines zivilen sozialen Innenraums akzeptiert, sondern in äußere Bereiche verwiesen, in eine abstrakt-inhuman bleibende Herrschaftsordnung, in der eine zivile Empathie als deplatziert erscheint.

Den Begriff Patriarchat aber im Anschluss an Butler durch den einer heterosexistischen Ordnung zu ersetzen, verschärft die Situation eher noch, anstatt sie zu verbessern. Die Rede von der heterosexuellen Matrix erweckt den Eindruck, eine Befreiung von den damit bezeichneten Herrschaftsstrukturen würde die Möglichkeit einer vollständigen Selbst-Bestimmung bereitstellen, die ungetrübt sei von äußeren Zuschreibungen.

Diese Erwartung steht in krassem Gegensatz zu aller beruflichen Erfahrung, die traditionell eben vor allem eine männliche und auch eine proletarisch-weibliche Erfahrung ist. Denn typisch ist dort ja eben gerade die Erfahrung, durch begrenzte Funktionen bestimmt zu werden, die ihren Sinn nur in einem größeren Kontext entfalten, der seinerseits weitgehend fremd bleibt.

Die Erwartung, das eigene Geschlecht eigenständig und unabhängig von äußeren Zuschreibungen bestimmen – und dabei zwischen 63 Geschlechtern und mehr beliebig auswählen zu können: Diese Erwartung ist also tatsächlich Ausdruck eines historisch wie sozial eng begrenzten Geschlechtermusters. Es ist eine Radikalisierung und Abstraktion der klassischen Position einer bürgerlichen Hausfrau, die erwarten kann, dass andere ihr die Widersprüche und Anstrengungen des Weltbezugs weitgehend abnehmen.

Dieses Muster einer in sich immer schon vollständigen, in ihrem Selbstbezug reinen Weiblichkeit lässt sich nur aufrecht erhalten, wenn die Kosten dieses Muster nicht nur ausgelagert, sondern auch verschwiegen und aus der Diskussion heraus gehalten werden. Die beständige Reproduktion eines tatsächlich klassischen Modells von Weiblichkeit – als Lösung des Problems der Männlichkeit – ist dabei also auf die beständige Produktion eben der Männlichkeit angewiesen, die doch eigentlich so scharf kritisiert wird.

Eben so lässt sich denn auch erklären, warum sich das im vorigen Post beschriebene ungleiche Verhältnis Lennons und Onos, in dem der Mann als lernbereites Kind einer mütterlichen Partnerin erscheint, im Laufe der Jahrzehnte nicht entspannt, sondern verhärtet hat. Tatsächlich enthält das Modell in sich kein Potenzial einer positiven Entwicklung, weil das, was als Lösung erscheint, auf die beständige Neu-Produktion des zu lösenden Problems angewiesen ist.

So erleben Männer dann auch in Diskussionen, dass es ganz gleichgültig ist, was sie sagen, schreiben oder meinen. Sie stellen sich tatsächlich mit ihren Beiträgen vor allem als Projektionsflächen zur Verfügung – als Exemplare einer Männlichkeit, die in den Widersprüchen einer modernen Geschlechterpolitik ebenso heftig abgelehnt wie benötigt wird.

Vätern, die sich gegen die willkürliche Trennung von ihren Kindern wehren, wird dann unterstellt, lediglich ihre traditionelle familiäre Herrschaftsposition zu verteidigen.

Wer die erheblichen Transfers von Männern zu Frauen in den öffentlichen Kassen kritisiert, steht ebenso als Frauenfeind da wie jemand, der den Sinn von Frauenquoten in Frage stellt.

Schon wer als Mann eine eigenständige Meinung in Geschlechterdebatten formuliert, ist ein Mansplainer.

Wer dann auch noch häusliche Gewalt gegen Männer oder schulische Probleme von Jungen thematisiert, ist dann eben ein Jammer-Mann, den die Gesellschaft nicht braucht. Gesellschaftlich aber nicht gebraucht zu werden – das ist in einer traditionellen Geschlechterordnung das Schlimmste, das einem Mann geschehen kann.

 

Literatur, soweit nicht verlinkt:

Margarete Mitscherlich: Die friedfertige Frau. Eine psychoanalytische Untersuchung zur Aggression der Geschlechter, Frankfurt am Main 1985


Einsortiert unter:Männer Frauen, Politik, Väter, Wissenschaft

Viewing all articles
Browse latest Browse all 356