Wie die Inszenierung von „Sexismus-Debatten“ Frauen und Männern schadet
„Liebe Partei, wir müssen reden. Nein, nicht über das Wahlergebnis, sondern über dich. Darüber, wie du mit Frauen umgehst und deine Zukunft verspielst.“
Als ich zum ersten Mal von Jenna Behrends, CDU, gelesen habe, konnte ich mir nicht vorstellen, dass der offene Brief länger diskutiert werden würde, den sie an ihre Partei geschrieben und in der Edition F. veröffentlicht hatte. Trotzdem hat dieser Text eine neue Sexismus-Debatte ausgelöst, an der sich viele Massenmedien empört beteiligen. Annett Meiritz zum Beispiel stellt im Spiegel fest:
„Sexismus in Parteien, in der Politik, in der Gesellschaft, ist Realität.“
Sie belegt das mit der „sexistischen Grenzüberschreitung durch Frank Henkel“, durch den Berliner Innensenator also, der Behrends als „süße Maus“ bezeichnet habe.
Immerhin habe CDU-Generalsekretät Tauber, so Robert Roßmann in der Süddeutschen Zeitung, „am Wochenende klar Stellung gegen Sexismus in seiner Partei bezogen.“ Doch wen wundert’s, dass dieses Hoffunungszeichen trügerisch ist:
„Nun werden Mails publik, in denen sich Tauber mit Parteifreunden in saloppem Ton über Frauen in der CDU austauscht.“
In saloppem Ton! Über Frauen! In nun publik gewordenen Mails! Als Normalbürger machen wir uns ja oft gar keine Vorstellungen von den ungeheuren Abgründen, die sich in der Politik auftun. Marlene Gürgen ist in der taz denn auch entsprechend „sprachlos“:
„Opfer von sexistischem Verhalten werden zu Schlampen erklärt, die an ihrer Herabwürdigung letztendlich selbst schuld sind.“
Damit zielt sie auf eine Presseerklärung von Sandra Cegla und Zana Ramadani, die slutshamend und victimblamend für die Frauen-Union darauf aufmerksam machen, dass Behrends die für sie so empörenden Gerüchte selbst in die Welt gesetzt hatte, sie habe Affären mit Männern in der Partei.
Darüber ist auch Magdalena Tröndle bei bento erschüttert. „Selten habe ich mich so aufgeregt“, schreibt sie und fragt sich verzweifelt, „warum Frauen nicht einfach mal zusammenhalten“.
„Was ist los mit euch? Könnt ihr es nicht verkraften, dass eine junge erfolgreiche Newcomerin jetzt Tacheles redet?“
Unklar bleibt, warum für Tröndle der Gedanke indiskutabel ist, dass diese Frauen gute Gründe haben könnten für das, was sie öffentlich sagen oder schreiben.

Ein schrecklicher Gedanke: Könnte es vielleicht sein, dass sich mittlerweile sogar schon der Deutschlandfunk über Anne Wizorek lustig macht?
Die Behrends-Affäre selbst ist weitgehend uninteressant, und vermutlich ist sie in ihrer Mischung aus Ehrgeiz, Revierkämpfen, Intrigen und Fehleinschätzungen ohnehin eine Geschichte, wie sie jährlich hundertfach in deutschen Parteien geschieht. Interessant aber ist ihre gewaltige mediale Wirkung. Wie ist es möglich, dass hier eine Maus in einer gemeinsamen Anstrengung zu einem Elefanten aufgeblasen wird, ohne dass sich unter den Beteiligten zwischendurch einmal jemand fragt, was er da eigentlich tut?
Die Maus und der Herrenwitz
Die Geschichte selbst ist so einfach, dass ich nur kurz darauf eingehen muss – zumal Christian Schmidt sie bei Alles Evolution schon ausführlich dargestellt und kommentiert hat. Behrends erzählt in ihrem offenen Brief von einem
„Senator, der auf einem Parteitag meine Tochter begrüßte: ‚Oh, eine kleine süße Maus.’ Der dann pausierte, mich ansah und fortfuhr: ‚Und eine große süße Maus.’ Derselbe Senator, der einen Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus vor meiner Nominierung fragte: ‚Fickst du die?’.“
Die letzte Äußerung kennt sie, wie sie erst später einräumt, nur vom Hörensagen – der angebliche Adressat bestätigt sie nicht.
Eigentlich wäre es ja ein sinnvoller Grundsatz, dass Vorwürfe umso besser belegt werden müssen, je gravierender sie sind. Die öffentliche Behauptung, dass der leicht erkennbare CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel so roh über das Ficken von Parteikolleginnen spreche, schadet seiner Reputation immerhin erheblich. In einer Victim Blaming-Logik aber ist es eben andersherum: Hier ist ein Vorwurf umso selbstverständlicher zu akzeptieren, je schärfer er ist. Schließlich könnte das Opfer des vorgeworfenen Verhaltens als Lügnerin dastehen, wenn seine Angaben kritisch überprüft oder gar angezweifelt werden.
Die erste zitierte Äußerung wiederum ist möglicherweise ein missglücktes Kompliment, möglicherweise eine Provokation, gewiss ein Statusverhalten – einen Menschen in einem höheren Status würde wohl kaum jemand als „süße Maus“ bezeichnen. Anne Wizorek, bekanntlich seit eh und je Expertin für Männerleben, ist sich daher im Interview auch sicher:
„Das würde mit männlichen Kollegen schlichtweg nicht passieren und insofern ist das kein Graubereich, sondern Sexismus.“
Ich kann mich selbst ganz gut erinnern, wie ich selbst im Arbeitsleben zum ersten Mal so etwas erlebt habe. Als ich im Alter von 16 Jahren ein Praktikum in der örtlichen Gemeindebibliothek machte, war ich dort nur von Frauen umgeben. Gleich am ersten Tag kam eine Mitarbeiterin der Gemeinde zum Plausch in die Bibliothek, sah mich kurz an und sagte – demonstrativ allein an die Leiterin gerichtet, während ich direkt daneben stand: „Da haben sie dir aber einen Hübschen geschickt.“ So etwas bewegt sich sehr wohl in einer Grauzone zwischen Revierverhalten und Annäherungsversuch, Statusverhalten und missglücktem Kompliment. Obwohl oder gerade weil ich gewiss traumatisiert war, bin ich nicht auf die Idee gekommen, die Zeitungen zu informieren.
Solche Situationen nicht allein ein Problem der Politik, auch nicht allein eines von Frauen, und meistens sind sie nicht einmal ein Problem. Deutlich gravierender fand ich jedenfalls damals schon die Erfahrung eines Bekannten, der auf die Idee gekommen war, in einer Wäscherei zu jobben. Dort arbeiteten außer ihm nur Frauen, und er gab den Job nach kurzer Zeit auf – weil ihm die scharf sexualisierten Sprüche der Frauen zu viel geworden waren.
Mildere Provokationen im Job oder in Institutionen können im Unterscheid dazu durchaus eine sinnvolle Funktion haben – gerade gegenüber Neuankömmlingen. Wer schon auf relativ harmlose Provokationen eskalierend reagiert, der signalisiert damit eben sofort, dass in echten Krisensituationen nicht mit ihm oder ihr zu rechnen ist. Wer zwischen einer milden und einer scharfen Provokation nicht unterscheidet, sich schnell verletzt fühlt und dann seinerseits erheblich verletzend agiert – der präsentiert sich sogleich als unkollegial.
Dass Behrends schließlich ohne ernsthafte Versuche einer parteiinternen Klärung an die Öffentlichkeit ging und Parteikollegen erheblich belastete, kann ihrer Position in der Partei eigentlich nur einen unkorrigierbaren Schaden zufügen.
Ihre fehlende Bereitschaft, sich auf solche Zusammenhänge einzustellen oder sie auch nur wahrzunehmen, interpretiert sie nicht als eigenes Versäumnis, sondern als Nachweis der sexistischen Parteistrukturen, die Frauen ausgrenzen würden. So kann sie dann im Rahmen der Partei kaum sinnvoll agieren, kann sich aber medial gegen die Partei als opferbereite Kämpferin für eine humanere Politik positionieren.
Vermutlich ist es gerade ihre schnelle und außergewöhnlich problemlose Parteikarriere, die ihr den Blick auf solche Zusammenhänge verstellt – sie hatte es eben nie nötig, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Nach einem Jahr der Mitgliedschaft hatte sie schon einen sicheren Platz für die Bezirksverordnetenversammlung – ihr Ortsverband hätte sich für sie entscheiden,
„weil er daran glaubt, dass eine junge Frau gut für die Wahlliste und die spätere Fraktion ist und es eine Qualifikation gibt, die sich nicht in der Zahl aufgehängter Plakate bemisst.“
Behrends versucht nicht einmal zu skizzieren, worin denn eigentlich diese Qualifikation besteht – abgesehen davon, dass sie eine junge Frau ist. Dass sie sich selbst als „Quereinsteigerin“ bezeichnet, ist jedenfalls irreführend – Quereinsteiger kommen häufig erst spät in die Politik, bringen dann aber eben eine lange berufliche Erfahrung mit, die Behrends nicht hat. Sie ist schlicht eine Frau, die mit Mitte zwanzig in die Partei eingetreten ist und blitzschnell eine kleine Berliner Karriere gemacht hat, ohne selbst so recht zu wissen, warum eigentlich – und die trotzdem davon überzeugt ist, dass es Frauen in Parteien ungeheuer schwer haben.
Dabei halte ich es sehr wohl für möglich, dass das Klima in Parteien ein unangenehmes, auch abschreckend sexualisiertes Verhalten begünstigen kann. Die Statusfixiertheit und Machtorientiertheit der Politik, ihre Anziehungskraft für narzisstische Persönlichkeiten legen es nahe, dass ranghöhere Akteure rangniedrigere als verfügbar wahrnehmen, auch in sexuellem Sinn.
Die populären Beispiele für solche sexistischen Strukturen allerdings belegen nichts. Der „Herrenwitz“ Reiner Brüderle hatte aus Versehen den Startschuss für die erste große Sexismus-Debatte gegeben, als er eine grenzverletzende Frage der Journalistin Laura Himmelreich (wie er sich denn fühle, in fortgeschrittenem Alter noch zu einem Hoffnungsträger zu werden) mit ebenfalls grenzverletzenden Äußerungen („Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“) beantwortet hatte. Ebenso wie das Beispiel Himmelreich/Brüderle belegt auch das Beispiel Behrend/Henkel nicht, was doch belegt werden soll – dass junge Frauen in der Politik insgesamt Freiwild älterer Herren wären und durch sie ausgebremst würden.
Dass die Verhältnisse so wären – das deuten Journalistinnen und Politikerinnen immer wieder raunend an, ohne es jemals klar darzustellen. Stattdessen verbreiten sie Geschlechterbilder, die ihrerseits aus der altväterlichen Welt stammen, in der sie Männer wie Brüderle und Henkel verorten.
Vorwärts zu Queen Victoria
Es sei sehr „bedeutsam“, so Anne Wizorek im Interview, dass jemand wie Janna Behrends, wenn sie
„sich mit dieser Kritik äußert, sie leider nicht automatisch damit rechnen kann, auch Unterstützung zu erfahren.“
„Automatisch“ bedeutet eben auch, dass Reflexionen ausgeschaltet bleiben. Wizoreks Erwartung sakralisiert Perspektiven wie die von Behrends und diskreditiert die Kritik daran ebenso wie die Formulierung abweichender Perspektiven. Damit geht es ihr niemals tatsächlich um eine Debatte. Der Blogger Stapel Chips führt diese Abschottung in monologischen Strukturen vor, indem er sich selbst in das Interview des Deutschlandfunks mit Wizorek hineinkopiert und so eine offene Debatte simuliert, die medial tatsächlich gar nicht möglich ist.

Freundlich und zurückhaltend, wie ich es nun einmal bin, habe ich Frau Wizorek bei Twitter oder sonstwo niemals angeschrieben oder gar belästigt. Es ist aber gewiss schon eine große Belastung, dass irgendwo da draußen jemand eine andere Meinung hat als sie.
Noch in einer anderen Hinsicht ist diese Rede vom Sexismus verkürzt: Nicht nur bleiben männliche Perspektiven ausgegrenzt– der Begriff „Sexismus“ wird auch entschieden sexualisiert. Rechtliche oder institutionelle Diskriminierungen sind hier ganz belanglos – aber schon ein missglückter Annäherungsversuch wird ebenso als sexistische Gewalt gewertet wie eine direkte körperliche Übergriffigkeit.
Diese Sexualitäts-Fixierung prägt das Geschlechterbild der Beteiligten. Wie in einem viktorianischen Roman erscheint die junge Frau als rein und unschuldig, aber damit eben auch als potenzielles Opfer machtgieriger männlicher Lüstlinge. In demokratischer Perspektive ist es allerdings fatal, dass dieses viktorianische Geschlechterbild in den Rahmen gegenwärtiger Politik übersetzt wird.
Die kaum unterschwellige Botschaft: Behrends sei jung und stehe damit für eine Politik der Zukunft – sie sei eine Frau und stehe damit für eine potenziell bessere, menschlichere Politik. Diese zukunftsträchtige humanere Politik aber werde verhindert durch alte Männer, die an eben den inhumanen Strukturen festhielten, von denen sie selbst profitieren würden.
Damit sind dann aber die Protagonistinnen der wiederholten Sexismus-Debatten – die bei näherem Hinsehen mit „Sexismus“ ebenso wenig zu tun haben wie mit „Debatten“ – trotz allem Reden von „Strukturen“ tatsächlich an der Auseinandersetzung mit Strukturen ganz desinteressiert. Kontexte sind ihnen ebenso irrelevant wie abweichende Perspektiven – stattdessen ist die Diskussion auf Einzelbeispiele fixiert, die dann jeweils die eigenen Vorannahmen bestätigen.
Der FAZ-Blogger Don Alphonso macht auf Themen aufmerksam, die medial in der Zeit des Behrends-Hype eben nicht von Belang sind. Dazu gehöre die weitgehende Abschaffung der rechtlichen Möglichkeit von Abtreibungen durch ein reaktionäres polnisches Parlament ebenso wie ein neues Prostitutionsgesetz in Deutschland, das Frauen zu einer problematischen Registrierung zwinge und das die „Entstehung illegaler Strukturen“ begünstige.
Obwohl aber Polen ein direktes Nachbarland ist, die Entscheidung das Leben vieler Tausender Frauen erheblich einschränkt und über den Abtreibungstourismus auch Folgen für Deutschland haben wird – im Rahmen hiesiger Sexismus-Debatten ist diese Entwicklung nicht relevant. Die Nachricht passt nicht in herrschende Narrative: Schließlich steht die deutsche Rechtsordnung im Vergleich zur polnischen dabei, gerade im Bezug auf Frauenrechte, als ausgesprochen liberal da, nicht als eine „Rape Culture“, in der Frauenkörper jederzeit für Männer verfügbar gemacht werden könnten.
Ähnliches gilt für das Gesetz, das gegen deren Widerstand duchgesetzt und trotzdem als „Prostituiertenschutzgesetz“ bezeichnet wird. Die Einschränkung von Frauenrechten wird hier durch Feministinnen wie Manuela Schwesig selbst unterstützt und gefördert. Im Rahmen eines neu-viktorianischen Geschlechterbildes sind Prostituierte eben keine erwachsenen, selbstständigen Frauen, sondern gefallene Mädchen, die sich ihres Ausgeliefertseins an eine männlich-sexualisierte Herrschaftsordnung gar nicht im Klaren wären und die daher vor sich selbst geschützt werden müssten.
So wird auch erklärlich, warum das simple Geschlechtermuster der neu-viktorianischen Sexismus-Debatten in den Massenmedien selbst niemals zum Problem, sondern blind reproduziert wird. Aktivistinnen und Journalistinnen wie Wizorek, Meiritz, Gürgen oder Tröndle nehmen von der politischen und sozialen Wirklichkeit nur eben gerade das wahr, was sich zur Bestätigung ihrer Vorannahmen eignet.
Medien haben damit gar nicht das Ziel, umfassend über eine außer-mediale Wirklichkeit zu berichten, Interpretationen anzubieten und Debatten zwischen diesen Interpretationen zu ermöglichen. Stattdessen machen sie deutlich, welche Bereiche der Wirklichkeit nicht wahrgenommen werden sollten, um die irgendwie immer schon gültigen eigenen Vorannahmen nicht zu gefährden.
So können dann auch die eigenen Klischees niemals zum Gegenstand der Reflexion werden, sondern dienen rituell als Filter, um die legitimen von den illegitimen Aspekten der Realitätswahrnehmung zu trennen.
Die Sakralisierung als Fluch
Der lateinische Begriff „sacer“ hat die doppelte Bedeutung von „heilig“ und „verflucht“ – daran erinnere ich mich noch aus meinem Lateinunterricht. Die mediale Sakralisierung von Frauen kann für reale Frauen in realen Kontexten außerhalb der selbstbezüglichen massenmedialen Eigenlogik tatsächlich zum Fluch werden.
Dass Behrends sich erfolgreich als „Quereinsteigerin“ verkaufen konnte, wird Quereinsteigern in Parteien zukünftig das Leben wohl schwerer machen. Vor allem hat die kritik- und distanzlose mediale Vervielfältigung von Behrends’ Position vorgeführt, dass Sexismus-Vorwürfe jederzeit ein Mittel sein können, um die Logik parteiinterner Entscheidungsstrukturen mit einer selbstbezüglichen massenmedialen Eigenlogik zu überlagern.
Dass Akteure in Parteien sich so naiv, selbstherrlich und rücksichtslos verhalten, wie Behrends es getan hat, ist an sich nicht ungewöhnlich. Die Piraten sind wesentlich daran gescheitert, dass sie noch keine Strukturen hatten, um solche Verhaltensweisen im Sinne der Gesamtpartei zu entschärfen. In etablierten Parteien aber haben sich solche Strukturen längst herausgebildet.
Im Interesse ihrer Möglichkeit zur demokratischen Selbststeuerung können Parteien es sich also gar nicht leisten, ihre parteiinternen Entscheidungsstrukturen von massenmedialen Klischees aushebeln zu lassen, die sich zudem in ihrer selbstbezüglichen Abschottung der Kritik entziehen. Eine Sexismus-Debatte wie die um Behrends stellt damit junge Frauen parteiintern als Zeitbomben hin: Gerade ihre massenmediale Machtposition kann es ja gegebenenfalls verhindern, sie verlässlich in innerparteiliche Strukturen rückbinden zu können.
Es liegt daher nahe, dass Männer, aber auch andere Frauen in Zukunft in vertraulichen Gesprächen mit Frauen vorsichtiger und zurückhaltender agieren, und dass Parteigremien skeptischer mit Entscheidungen umgehen, durch die Frauen ohne längere parteiinterne Erfahrung auf Einflusspositionen platziert werden. Dass also Vertreterinnen der Frauen-Union Behrends ganz besonders scharf kritisieren, ist nicht einfach „Stutenbissigkeit“, sondern Ausdruck rationaler Eigeninteressen.
Vertreterinnen der Massenmedien wiederum können in ihrer selbstbezüglichen Eigenlogik offenbar gar nicht einordnen, warum die mediale Sakralisierung von Frauen in anderen als den massenmedialen Kontexten erheblich nachteilige Folgen für Frauen haben kann. Medial werden diese Folgen wiederum nur als Bestätigung der eigenen Vorannahmen gedeutet, als Beleg für eben die sexistischen Strukturen, die durch die journalistischen Aktivistinnen so mutig bekämpft würden.
„Man muss endlich ernsthaft diskutieren, warum im Berliner Abgeordnetenhaus oder im Bundestag nur rund ein Drittel Frauen sitzen“,
schreibt Annett Meiritz im Spiegel und nimmt das Ergebnis der Diskussion dann auch schon vorweg: „Sexismus und Ausgrenzung“. Dabei würde es natürlich zu einer ernsthaften Diskussion gehören, auch andere Erklärungen durchzuspielen.
Als die SPD eines Wahlkreises in der Eifel nun per Stellenanzeige Bewerber für eine Bundestagskandidatur suchte, kam nicht einmal ein Viertel der Antworten von Frauen – was der Spiegel umgehend als „Makel“ herausstellte, als ob es die Schuld der SPD selbst wäre.
Es gehört eben zu einem traditionellen Geschlechterbild, dass Frauen die Verantwortung für öffentliche Angelegenheiten an Männer delegieren. Solch ein traditionelles Bild wird durch Wizorek, Meiritz und co. eben nicht verändert, sondern bestätigt. Verantwortung nämlich weisen sie rituell nicht Frauen zu, sondern Männern, die Frauen in der Politik das Leben schwer machen würden.
So sorgen dann die Anti-Sexismus-Aktivistinnen selbst dafür, dass Sexismus-Debatten auch in Zukunft der Stoff nicht ausgeht.
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