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Liebe SPD,

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Ein Brief eines Sozialdemokraten, der auf gar keinen Fall SPD wählt

Gerade las ich bei Arne Hoffmann einen Artikel darüber, dass die SPD auf männliche Wähler pfeife – mitten in die Euphorie über den Kanzlerkandidaten Schulz hinein. Hoffmann stellt gegenüber, was die SPD in Nordrhein-Westfalen für Frauen zu tun gedenke – ein langer prall gefüllter Absatz – und was sie für Männer tun will: Auch ein langer Absatz, der aber ganz leer bleibt.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie das polemisch und unsachlich finden. Ich kann aber ein paar Erfahrungen beisteuern, die zeigen, dass es das nicht ist. Mehr noch: Das Verhältnis von Männern und Frauen, wie es die SPD beschreibt, sagt weit über Geschlechterbeziehungen hinaus etwas über Ihre Partei aus, das Sozialdemokraten eigentlich in Panik versetzen müsste.

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Von gleichen Pflichten ist heute keine Rede mehr. Gleiche Rechte sind durch „Gleichstellung“ ersetzt worden. Aber sonst ist fast alles geblieben, wie es war.

 

Eine ehrenwerte Partei lässt sich nicht von jedem wählen

Es war etwa eine Woche vor der letzten Bundestagswahl. Ich ging damals gemeinsam mit meiner Partnerin durch die Fußgängerzone unserer Stadt, in der natürlich alle möglichen Parteien Stände aufgebaut hatten. Der SPD-Stand war seltsam: Er war nicht im traditionellen Rot gehalten, sondern ganz in lila – und alle erkennbaren Slogans sprachen nur Themen an, die sich direkt an Frauen wandten. Insbesondere natürlich den Gender Pay Gap.

Der Stand war auch ausschließlich mit Frauen besetzt, und eine dieser Frauen kam direkt auf uns zu und sprach uns an. Genauer: Sie würdigte mich keines Blickes, sprach meine Partnerin an und fragte sie, ob sie wisse, dass Frauen für die gleiche Arbeit deutlich weniger verdienten als Männer.

Meine Partnerin hatte sich mit dem Thema schon lange beschäftigt, war ohnehin seit vielen Jahren in verschiedenen Berufen tätig und sagte der SPD-Dame, dass sie diese These für Quatsch halte. Die Behauptung vergleiche ganz unterschiedliche Tätigkeiten und Arbeitssituationen – sie selbst habe noch nie weniger verdient als Männer in der gleichen Arbeit, ebenso wie alle anderen Frauen in tariflichen Beschäftigungen. Da wäre eine Ungleichbezahlung nämlich untersagt.

Die SPD-Wahlkämpferin hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass ihr jemand widersprechen würde, war an Widerspruch wohl auch gar nicht gewohnt – und zog sich kleinlaut zurück, hilfesuchend nach anderen Frauen am SPD-Stand blickend.

Ich selbst war von keiner der Wahlkämpferinnen auch nur angeschaut worden – es war überdeutlich, dass sich diese SPD-Werbung kurz vor der Bundestagswahl programmatisch ausschließlich an Frauen richten sollte.

Ich fragte mich allerdings, welchen Sinn das haben sollte. Geht die SPD davon aus, dass Männerstimmen aus irgendeinem Grund weniger zählen als Frauenstimmen? Möchte sie Wahlen lieber verlieren, als von Männern gewählt zu werden? Oder geht sie – was ich für die wahrscheinlichste Erklärung halte – davon aus, dass Männer SPD wählen werden, ganz gleich, wie sie von der Partei behandelt werden? Dass hingegen Frauen wählerischer seien und eigens umworben werden müssten?

Die letzte US-Wahl hat ja gezeigt, wie prima ein solches Kalkül funktioniert. Tatsächlich hat Trump ja weniger Stimmen bekommen als seine Vorgänger Romney und McCain – nicht er hat die Wahl gewonnen, sondern Hillary Clinton hat sie verloren. Interessant aber ist: Nicht nur Männer, die von Clinton in ihrer Rede vom „war against women“ seit Jahren zu Feinden erklärt worden waren, haben Clinton ihre Stimme versagt, sondern auch Frauen. Unter weißen Frauen, unter Frauen ohne Collegeabschluss und unter Frauen in ländlichen Gegenden hatte Trump eine Mehrheit.

Das mögen Sie sich als deutsche Sozialdemokraten damit wegerklären, dass diese Frauen nun einmal entweder Privilegien verteidigten oder einfach ungebildet seien. Tatsächlich aber wäre es gut, wenigstens ganz kurz einmal mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die Entscheidung dieser Frauen rationale Gründe hatte.

Die meisten Menschen leben nun einmal in Situationen, in denen das, was für Männer schlecht ist, auch für Frauen und die gemeinsamen Kinder schlecht ist – und umgekehrt. Eine Politik, die von vielen Männern nicht mehr unterstützt wird, kann auf Dauer auch kaum Unterstützung von Frauen finden. Etwas anderes kann nur jemand glauben, der Frauen insgeheim für dumm hält.

Ich erzähle dazu einmal eine weitere Geschichte, die schon länger zurückliegt.

 

Wie Frauenpolitik Frauen vertreiben kann

Ich stamme – wie  in meinem Blog schon oft berichtet– aus einer alten sozialdemokratischen Familie. Mein Vater war, als er vor eineinhalb Jahren starb, über fünfzig Jahre lang SPD-Mitglied gewesen. Er hat sich den größten Teil dieser Zeit mit großem Aufwand, mit viel Energie und in ganz verschiedenen Positionen für die Partei engagiert. Am Ende hat er die SPD nicht mehr gewählt und ist nur deshalb nicht ausgetreten, weil er in seiner Erinnerung noch zu viel Positives mit ihr verband.

Meine Mutter hatte im letzten Jahr ihr fünfzigjähriges Parteijubiläum. Obwohl der Ortsvereinsvorsitzende meines Heimatortes ein freundlicher Mann ist und sie mehrmals gebeten hat, dabei zu sein, wollte sie nicht zur Feier der fünfzigjährigen Parteizugehörigkeit gehen. Auch sie wählt die SPD nicht mehr und ist nur aufgrund ihrer Erinnerungen an einen früheren, anderen Zustand der Partei noch nicht ausgetreten.

Einen ersten schroffen Bruch mit ihr hat sie aber schon viel früher erlebt als mein Vater, nämlich in den Siebziger Jahren. Ich habe gerade erst mit ihr darüber gesprochen, und sie regt sich noch heute über das auf, was sich vor Jahrzehnten abgespielt hat.

Ihr war es damals wichtig, Frauenpolitik zu machen, sich also dafür einzusetzen, dass sich Frauen stärker als bislang partei- und gesellschaftspolitisch engagieren. Sie hatte das schon einige Jahre in Nordrhein-Westfalen getan, und nach einem Umzug unserer Familie in den Norden des Landes suchte sie dort gleich den Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen.

Schon bei der ersten Sitzung, die sie mitmachte, war sie befremdet über die ungeheuer gehässige, abwertende Art und Weise, in der die anwesenden Frauen über Männer sprachen. Sie rechnete damit, dass diese Situation womöglich eine Ausnahme war, ging noch mehrmals zu Treffen – und erlebte immer wieder dasselbe. Die Frauen der ASF bezeichneten Männer gewohnheitsmäßig als „Schweine“ und pushten sich gegenseitig in eine erhebliche Feindseligkeit hoch.

Ich unterstelle gar nicht, dass diese Erfahrung für alle Gruppen der ASF typisch war – allerdings hat auch keine dieser Frauen durch ihre massive Feindseligkeit gegenüber Männern jemals Schwierigkeiten in der SPD bekommen, und einige haben auf lokaler Ebene noch leicht Parteikarriere machen können. Meine Mutter hingegen zog sich aus der Partei zurück, engagierte sich lieber anderswo und baute mit ein paar wenigen anderen Frauen aus dem Nichts eine sehr erfolgreiche ökumenische Frauenarbeit der katholischen und evangelischen Kirchen in der Region auf.

Sie hat immer ein besonders gutes Verhältnis zu ihrem Vater gehabt, der übrigens seinerseits seit seiner Jugend Sozialdemokrat war. Ihr war die Partnerschaft zu meinem Vater immer wichtig, und sie hat zwei Söhne. Sie hätte dumm sein müssen, um nicht zu merken, dass die Männerfeindlichkeit im ASF nicht nur inhuman war, sondern auch ihren ureigenen Interessen schadete. Es ist eben idiotisch zu glauben, eine Politik sei allein schon deshalb frauenfreundlich, nur weil sie männerfeindlich sei.

Sie werden gewiss den Vorwurf der Männerfeindlichkeit weit von sich weisen und einwenden, dass das, was meine Mutter erlebt hat, eine Ausnahme gewesen sei und die Parteiarbeit niemals wirklich geprägt habe. Das aber stimmt leider nicht. Haben Sie sich in letzter Zeit einmal angeschaut, was Ihre Familienministerin so tut?

 

Wie Frauenpolitik Frauen schwach machen und Männer zum Verschwinden bringen kann

Vor wenigen Jahren hat sie eine Kampagne für ein Frauentelefon gestartet – ein Hilfetelefon, an das sich ausdrücklich Frauen wenden können, die häusliche Gewalt erfahren haben. Nun kann man sich sicherlich darüber streiten, ob Männer oder Frauen im häuslichen Bereich zu gleichen Teilen Gewalt anwenden, oder ob ihre Gewalt gleich schwerwiegend ist. Eindeutig ist nach allen seriösen Studien zum Thema: Männer und Frauen üben häusliche Gewalt aus und werden Opfer häuslicher Gewalt, und insgesamt ist diese Gewalt in aller Regel Ergebnis einer Dynamik, an der beide beteiligt sind.

Ihre Familienministerin hingegen hilft ausschließlich Frauen und erweckt den Eindruck, häusliche Gewalt sei grundsätzlich destruktiver Ausdruck männlicher Strukturen.

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Auf diesen offiziellen Plakaten eines Bundesministerium sind ausschließlich Frauen zu sehen, in einem Fall in der ikonischen Position als schützende Mutter mit einem Kind. Männer erscheinen hier gar nicht als Menschen, sondern sind eine anonyme, zerstörerische Kraft, die als Drohung über diesen Frauen lauert und sich dort in den Gedanken kristallisiert:

„Muss ich tun, was ER sagt? Was passiert, wenn ich IHN anzeige?“ Und dagegen die Mutter: „Wie kann ich UNS schützen?“ Der Mann als gewalttätiger Eindringling in das friedliche Mutter-Kind-Verhältnis.

Stellen Sie sich einmal vor, jemand würde solche Plakate mit Deutschen im Bild machen, die über Erfahrungen mit der Gewalt von Migranten berichten. Solche Erfahrungen gibt es ja, sie sind real – trotzdem hätte wohl kaum ein Mensch einen Zweifel daran, dass die Plakate eine aufhetzende Propaganda sind.

Doch dadurch werden sie noch nicht frauenfreundlich. Keine der Frauen wird als stark oder selbstständig dargestellt, einige der Fragen klingen dümmlich. Es sind hilflose Opfer, die in diesem Leben aufgeschmissen wären, gäbe es keine Heldinnen, die sie schützen.

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Damit machen Sie eben das Gegenteil dessen, was ursprünglich einmal Sozialdemokraten getan haben. Die Arbeiterbildungsvereine haben Menschen doch nicht vermittelt, dass sie hilflose Opfer wären, verloren in der bösen Welt ohne die tätige Sorge sozialdemokratischer Minister. Sie haben Menschen für ihre Emanzipation etwas abverlangt.

Wenn Sie heute wieder und wieder vom vielfach widerlegten Gender Pay Gap erzählen, dann erwecken Sie hingegen bei jungen Frauen den Eindruck, dass die Männergesellschaft ihnen all ihre Mühe ohnehin nicht entlohnen werde. Was glauben Sie eigentlich, welche Auswirkungen es auf junge Paare hat, wenn Sie behaupten, ein Mann würde etwa ein Viertel mehr verdienen als eine Frau?

Wenn solch ein Paar entscheiden muss, wie beide die Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Kindessorge unter sich aufteilen, dann wäre es doch ganz irrational, die Arbeit jeweils gleich zuzuteilen – oder gar zu entscheiden, dass die Frau, die doch angeblich dort draußen so viel schlechtere Chancen hat als der Mann, die Erwerbsarbeit übernimmt.

Sie machen Frauen nicht stark, sondern reden sie schwach – und setzen sich dann selbst als Unterstützer dieser schwachen Frauen in Positur. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was Sozialdemokraten einmal getan haben.

 

Können sich wirklich Hinz und Kunz auf Menschenrechte berufen?

Ich selbst bin davon überzeugt, dass keine andere Partei für die deutsche Demokratie so wichtig war wie die SPD. Die SPD hat eben die Menschen, die sich mit guten Gründen als Verlierer gesellschaftlicher Bedingungen fühlen konnten, trotzdem in eben diese Gesellschaft hineingeführt – ihnen dort Perspektiven geschaffen, aber ihnen eben zugleich auch abverlangt, diese Perspektiven zu nutzen. Damit hat die deutsche Sozialdemokratie eine gesellschaftliche Vermittlung geleistet, ohne die eine stabile Demokratie wohl nicht möglich gewesen wäre.

Heute hingegen ist die SPD eine Partei der gesellschaftlichen Spaltung. Ich bin selbst Trennungsvater und habe erleben müssen, dass ich den Kontakt zu unserem Kind weitgehend verloren habe – aufgrund von willkürlichen Entscheidungen der Mutter, die diese niemals auch nur erklären musste. Das diesen Verhältnissen zu Grunde liegende Recht ist erst auf Druck von außen verändert worden, nachdem der Europäische Gerichtshof zweifelsfrei seine Menschenrechtswidrigkeit (und später das Verfassungsgericht seine Grundrechtswidrigkeit) festgestellt hatte.

Warum eigentlich ist niemals jemand in der SPD auf die Idee gekommen, sich vielleicht einmal bei den Menschen entschuldigen zu müssen, die von diesen Menschenrechtsverletzungen betroffen waren? Immerhin waren sie, mehr als alles andere, Resultat der Politik Ihrer Partei. Justizministerin war in einigen entscheidenden Jahren Brigitte Zypries – doch dass diese Frau für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, spricht für die heutige SPD natürlich nicht dagegen, sie in weitere ministerielle Positionen zu hieven.

Es ist für die SPD eben schon auch wichtig, wessen Menschenrechte verletzt wurden – sonst könnte da ja jeder kommen.

Mein eigener endgültiger Bruch mit der SPD, und auch der Bruch meiner Eltern mit dieser Partei, war nicht nur die Erfahrung der Hilf- und Rechtlosigkeit als Trennungsvater. Da ich den Kontakt zu unserem Kind auch trotz sehr schwieriger Umstände – die Mutter ist mehrmals umgezogen, wohnt aber mit dem Kind konstant mindestens 500 Kilometer entfernt von mir – gehalten habe und mit meiner Rechtlosigkeit nicht einverstanden war, hatte ich mich im Väteraufbruch für Kinder engagiert. Ich musste dann erfahren, dass ich dafür von SPD-Seite aus – nämlich in einer Schrift der Friedrich-Ebert-Stiftung – als reaktionär hingestellt und mit Rechtsradikalen sowie mit Anhängern des Massenmörders Breivik in Verbindung gebracht wurde.

Mein Vater schrieb damals, empört ob dieser steuermittelfinanzierten Verleumdung väterrechtlichen Engagements, an die Friedrich-Ebert-Stiftung, gab sich natürlich als jahrzehntelanger Sozialdemokrat zu erkennen – und wurde von der FES-Verantwortlichen Christine Schildmann mit einer nichtssagenden, desinteressierten Antwort abgespeist.

Dass heute Martin Schulz so große Hoffnungen weckt, obwohl – oder weil – ihn kaum jemand kennt, zeigt, dass viele Menschen nach Alternativen zu Angela Merkel und ihrer Alternativlosigkeits-Attitüde suchen. Leider wird die SPD diese Hoffnungen wohl nicht erfüllen können.

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Guter Nationalismus unterscheidet sich von schlechtem Nationalismus dadurch, dass er gut ist.

Die SPD war stark als Partei einer Vermittlung, auch der Vermittlung zwischen Parteibasis und Parteispitze. Heute ist sie eine Klientelpartei, die sich gern noch als Volkspartei sehen möchte, die dadurch aber alles nur noch schlimmer macht. Anstatt den unlösbaren Widerspruch zwischen Klientelbedienung und Volkspartei-Selbstbild einzuräumen, schottet sich die SPD, so mein Eindruck,  in Fantasien ab.

Die Interessen derjenigen, die von der Partei bedient werden, imaginiert sie sich zu Gemeininteressen hoch – während diejenigen Menschen, deren Rechte und Interessen dabei verletzt werden, zu allem Überfluss auch noch als Schädlinge des Gemeinwohls hingestellt werden.

Damit ist die SPD nicht nur zu einer Partei der gesellschaftlichen Spaltung, sondern auch zu einer Partei der Verhinderung offener demokratischer Auseinandersetzungen geworden.

Meine Mutter hat den Vorschlag gemacht, dass die SPD sich umbenennen sollte – sie habe mit der Sozialdemokratie nichts mehr zu tun. Tatsächlich: Die SPD hat den Terror der Nazis überlebt und die Diktatur des Staatssozialismus, aber sie krepiert heute an ihren eigenen Karrieristen und Klientelpolitikern.

Würden Sie sich umbenennen, dann würden Sie wenigstens nicht auch noch die Erinnerung daran zerstören, dass die SPD einmal eine für die Demokratie lebenswichtige Partei der gesellschaftlichen Vermittlung und nicht der Spaltung war.

Trotz allem mit freundlichen Grüßen

Lucas Schoppe


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