„Dieses war (…) der falsche Fall für die richtige Sache. Jetzt braucht es dringend richtige Fälle.“
Im Spiegel zeigt Lisa Erdmann, dass die Klage der Journalistin Birte Meier gegen das ZDF unbegründet war: Meier sei diskriminiert worden, aber eben als „feste-freie“ Mitarbeiterin gegenüber fest Angestellten, nicht als Frau gegenüber Männern. Gerade deshalb aber ist Erdmanns Schlussfolgerung kurios: Daran, das Frauen beim Lohn diskriminiert würden, besteht für sie kein Zweifel – jetzt müssten nur noch Fälle gefunden werden, die das bestätigen.

„Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig fordert am Equal Pay Day die Beseitigung der Lohndiskriminierung“ Quelle: BMFSFJ
Mit etwa derselben Logik könnte auch ein Zoologe klarstellen, dass Tiger eigentlich eigentlich keine Raubkatzen sind, sondern Vegetarier, die gerne mal bei Starbucks einen Cappuccino trinken gehen. Jetzt brauchen wir halt nur noch richtige Tiger, die das belegen, nachdem wir uns bislang eher mit den falschen Tigern beschäftigt haben. Oder eine feministische Journalistin könnte behaupten, dass feministische Journalistinnen völlig unvoreingenommen auf die soziale Wirklichkeit schauen und sich keineswegs durch Vorurteile, Ressentiments oder festgefügte Interpretationsmuster beeinflussen ließen. Um das richtig zu beweisen, bräuchte es jetzt halt nur noch ein paar richtige feministische Journalistinnen.
Alternative Fakten im Dienste edler Absichten
Auch bei Erdmann aber klappt das leider noch nicht so gut, auch wenn sie den Fall, um den es geht, immerhin deutlich fairer und sachlicher darstellt als ihre Kolleginnen von der Edition F. Sie schreibt aber auch:
„Die Fakten sind bekannt: Selbst bei gleichem Job und gleicher Qualifikation bekommen Frauen durchschnittlich sieben Prozent weniger Gehalt. Eine krachende Ungerechtigkeit.“
Das ist zumindest irreführend. Das Statistische Bundesamt schreibt in seiner Pressemitteilung Nr. 097 vom 16.03.2016 über den unterschiedlichen Durchschnittsverdienst von Männern und Frauen und führt einige Gründe an:
„ungleich verteilte Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation. Hinzu kommen weitere Faktoren wie zum Beispiel ein niedrigeres Dienstalter und ein geringerer Beschäftigungsumfang bei Frauen.“
Dann folgt der Absatz, auf den sich Erdmann offenbar bezieht:
„Durch die genannten Ursachen können rund zwei Drittel des Unterschieds in den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten erklärt werden. Das verbleibende Drittel des Verdienstunterschieds entspricht dem bereinigten Gender Pay Gap. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch unter der Voraussetzung vergleichbarer Tätigkeit und äquivalenter Qualifikation im Jahr 2010 pro Stunde 7 % weniger als Männer. Hier muss berücksichtigt werden, dass der ermittelte Wert eine Obergrenze ist. Er wäre geringer ausgefallen, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen zur Verfügung gestanden hätten, wie vor allem Angaben zu Erwerbsunterbrechungen.“
Was das Amt in seiner ausdrücklich an die Presse gerichteten Mitteilung ausdrücklich als „Obergrenze“ bezeichnet, wird bei Erdmann zum bekannten „Fakt“ und ist, natürlich, eine „krachende Ungerechtigkeit“. Damit legt sie nahe, der „bereinigte Gender Pay Gap“ würde eine Lohndiskriminierung auf Kosten von Frauen bemessen.
Tatsächlich aber schreibt das Statistische Bundesamt einfach davon, dass diese höchstens sieben Prozent mit anderen Faktoren als den zuvor genannten erklärbar seien. Zum Beispiel durch Informationen zu Erwerbsunterbrechungen.
Für eine Lohndiskriminierung von Frauen, von deren Realität Erdmann wie andere Journalistinnen so sicher ausgeht, hat ihr Text also überhaupt keine Belege. „Und trotz solcher Hämmer wundern sich Deutschlands führende Journalisten beständig, dass sie inzwischen als weniger glaubhaft gelten als viele Fake News im Internet“, kommentiert Arne Hoffmann solche und ähnliche Kommentare.
Die Neigung der Männer zum Fernpendeln (und andere Mysterien der Lohndiskriminierung)
Keine Fake News, sondern Informationen und Hypothesen sammelt Christian Schmidt im Internet zu den möglichen Ursachen für den bereinigten Gender Pay Gap. Arne Hoffmann wiederum fasst zusammen, was Warren Farrell schon vor mehr als zehn Jahren zur angeblichen Lohnlücke zwischen Männern und Frauen geschrieben hat. Blogger erledigen eine Arbeit, für die wir früher einmal Journalisten hatten.
Viele Erklärungen für durchschnittliche Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen laufen dabei auf eine wesentliche These zu.
Es hat keinen Sinn, den Grund für einen Gender Pay Gap ausschließlich am Arbeitsplatz zu suchen. Die unterschiedlichen Verdienste lassen sich nur erklären, wenn Arbeitsleben und Familienleben in dem Zusammenhang betrachtet werden, den sie für fast alle Menschen nun einmal real haben.
Wir wissen aus Studien, dass nach wie vor auch bei jüngeren Paaren die Erwartung an Männer groß ist, mehr zu verdienen als Frauen – und das bedeutet: Frauen durch ihre Arbeit mit zu finanzieren. Frauen arbeiten nach der Geburt von Kindern weniger als zuvor im Erwerbsleben, Männer aber arbeiten mehr. Ganz offensichtlich übernehmen Männer eine Versorgungsfunktion für die gesamte Familie und erarbeiten damit erheblich mehr Geld, als sie es für sich allein bräuchten.
Mindestens ebenso wichtig wie die Frage, warum Frauen im Schnitt weniger verdienen, ist also die Frage, warum Männer mehr verdienen – mehr als Frauen und mehr, als sie selber brauchen. Das hat, natürlich, einen Preis. Männer machen zum Beispiel deutlich mehr Überstunden als Frauen, oder sie nehmen deutlich längere Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf: „Frauen neigen (…) seltener zum Fernpendeln als Männer“, schreibt die Zeit dazu, als ob Männer rundweg eine mysteriöse Neigung zum Fernpendeln hätten.
Männer arbeiten auch insgesamt in deutlich mehr und unterschiedlicheren Berufsfeldern als Frauen, was günstig für ihre Position auf dem Arbeitsmarkt ist.
Zugleich wird der weitaus größte Teil der Konsumentscheidungen von Frauen getroffen – was nur bedeuten kann, dass tendenziell ein großer Teil des Geldes, das Männer erarbeiten, von Frauen ausgegeben wird. Auch das zeigt, dass Verdienste von Männern und Frauen nur im Zusammenhang mit der Aufteilung der Arbeit in der Partnerschaft erklärt werden können.
Auch deshalb ist es widersprüchlich, dass mit der SPD ausgerechnet die Partei am entschiedensten gegen den Gender Pay Gap agitiert, die zugleich am verbissensten daran festhält, dass das Kind zur Mutter gehört: Selbst noch die kleinen Verbesserungen der rechtlichen Situation von Vätern gingen der SPD-Fraktion im Bundestag deutlich zu weit, sie lehnte sie als einzige Fraktion im Bundestag ab (die Linke enthielt sich).
Wenn aber doch die Vorstellung einer allgemeinen geschlechtsbedingten Gehaltsdiskriminierung leicht widerlegt werden kann – warum wird sie dann trotzdem so ausdauernd aufrecht erhalten?
Wie man Menschen Ausbeutungsverhältnisse verkauft
Birte Meier ist beim ZDF als eine „feste freie“ Mitarbeiterin beschäftigt. Ich kenne persönlich Menschen, die in solchen Konstruktionen bei öffentlich-rechtlichen Sendern gearbeitet haben.
Der Status der „festen Freien“ verbindet gleichsam die Nachteile einer selbstständigen mit denen einer angestellten Berufstätigkeit. Einerseits sind die, die so arbeiten, eben nicht frei und selbstständig, sondern ganz abhängig von redaktionellen Entscheidungen, die sie in aller Regel nicht beeinflussen können. Andererseits haben sie aber auch nicht die Absicherungen von Angestellten oder gar Beamten und verdienen zum Beispiel nichts mehr, wenn sie für eine Weile aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können.
Es sind Ausbeutungsverhältnisse.
Wenn nun ein kleines Start Up-Unternehmen um sein Überleben am Markt kämpft und dies mit Hilfe von Ausbeutung und Selbstausbeutung tut, dann ist das ja immerhin noch sachlich verständlich. Große Rundfunkanstalten aber, die durch gigantische Mittel aus verpflichtenden allgemeinen Gebühren eine beherrschende Marktposition garantiert bekommen, hätten es überhaupt nicht nötig, ihre Journalisten in Ausbeutungsverhältnissen zu beschäftigen. Warum eigentlich fühlen sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht verpflichtet, als Gegenleistung zu ihren riesigen gebührenfinanzierten Privilegien zumindest halbwegs faire Arbeitsverhältnisse zu schaffen?
Die Frage wird umso dringlicher angesichts der Intendantengehälter, die, zum Beispiel, deutlich über dem Gehalt der Bundeskanzlerin liegen. Allein für die Altersversorgung seines Intendanten Tom Buhrow hat etwa der WDR im vergangenen Jahr fast 1,8 Millionen Euro zurückgestellt – angesichts seines Jahresverdienstes von 367.232 Euro ist Buhrow ganz gewiss auch nicht zuzumuten, sein Alter selbst abzusichern.
Am einen Ende unsichere, unfaire, ausbeuterische und durchaus auch inhumane Arbeitsbedingungen – am anderen Ende eine hemmungslose, durchgeknallte Selbstbedienung: Solche Verhältnisse sind so offensichtlich illegitim, dass sie nur aufrecht zu erhalten sind, wenn die Frage nach gerechteren Arbeitsbedingungen auf Nebenschauplätze umgeleitet wird. Gerade das Beispiel Birte Meier macht deutlich, wie effektiv die Rede von einer geschlechtsbedingten Gehaltsdiskrimierung andere Ungerechtigkeiten verdecken kann, die eigentlich unübersehbar sind.
Natürlich sind die öffentlich-rechtlichen Sender damit nicht allein. Bei VW war Christine Hohmann-Dennhardt, ehemalige sozialdemokratische Ministerin in Hessen, gerade 13 Monate lang „Vorstand für Integration und Recht“: Mit, so die FAZ, „feministischen Überzeugungen“ sowie „sehr selbstbewusst und von Selbstzweifeln frei“.
Nach entsprechenden Konflikten verlässt sie VW mit einer Abfindung von bis zu 15 Millionen Euro und einer vierstelligen Monatsrente von wohl 8000 Euro.
Ich habe mich einmal länger mit jemandem unterhalten, der bei einem VW-Zulieferer in einer leitenden Position arbeitete und der nach einer neuen Arbeit suchte, auch wenn sie schlechter bezahlt wäre. Er konnte den ganz auf die möglichst ökonomische Ausnutzung der Arbeitskraft angelegten Umgang mit den Mitarbeitern nicht mehr ertragen.
Dafür ist gerade VW ja seit Jahrzehnten bekannt: Produktion auszulagern an Zulieferer, die dann wiederum unter einen enormen ökonomischen Druck gesetzt werden, den sie natürlich an ihre Angestellten weiterreichen. Auch hier gibt es also ein eigentlich unübersehbares Missverhältnis zwischen Ausbeutungsverhältnissen am einen und einer maßlosen, krankhaft anmutenden Selbstbedienung am anderen Ende. Auch hier übrigens bei einem Unternehmen, das eng mit staatlichen Strukturen verbandelt ist.
Solche massiven und offensichtlichen Ungerechtigkeiten brauchen flankierende Ideologien. Das wieder und wieder vorgetragene Gerede von einem Gender Pay Gap, das zu einer zentralen Gerechtigkeitsfrage der gesamten Gesellschaft aufgeblasen wird, ist eine solche ideologische Orchestrierung sozialer Missstände. Nicht etwa inhumane Arbeitsbedingungen – für Männer und Frauen, übrigens – und verrückte Selbstbedienungsstrukturen erscheinen dann als ein Problem sozialer Gerechtigkeit, sondern die phantasierten Privilegien jedes Mannes gegenüber jeder Frau.

Männer bei der entschlossenen Herstellung des Gender Pay Gaps
Als würden sich beispielsweise Beschäftige im Straßenbau oder bei der Müllabfuhr – wo aus leicht verständlichen Gründen fast ausschließlich Männer arbeiten – dumm und dämlich verdienen, während Frauen trotz aller Mühen mit Almosen abgespeist würden.
Diese Verschiebung von Gerechtigkeits- auf Geschlechterfragen ist mit ihrem unterschwelligen Ressentiment gegen Männer auch deshalb verquer, weil aus den oben skizzierten Gründen Männer den inhumanen Bedingungen der Erwerbsarbeit im Schnitt noch intensiver ausgeliefert sind als Frauen.
So verdeckt denn die Rede vom Gender Pay Gap, gerade weil sie realitätsentkoppelt ist, erhebliche Ungerechtigkeiten der sozialen Realität. Feminismus wird damit zur Hilfsideologie der Ausbeutung – nicht die einer Ausbeutung von Männern durch Frauen, aber einer Ausbeutung der Arbeitskraft vieler zugunsten der Selbstbedienungsgier weniger Privilegierter. Männer und Frauen.
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