Im zweiten Teil der Reihe „Rechtspopulismus“ wird die Ideologie dieses politischen Phänomens skizziert. Wer den ersten Teil verpasst hat, kann ihn unter dem folgenden Link nachlesen: Reihe Rechtspopulismus (1)
Ideologische Flexibilität und Identitätspolitik: Volk vs. Elite
Im Gegensatz zu kompletteren Weltanschauungen besitzt der Rechtspopulismus über eine beachtenswerte Flexibilität seiner ideologischen Elemente. (Laycock 2005: 126) Die Identitätspolitik ist vermutlich die grundlegende Eigenschaft des Rechtspopulismus. „Das Volk“ als einheitliche, weitgehend zusammengehörige Gruppe steht im Mittelpunkt der rechtspopulistischen Ideologie und belegt mit tugendhaft aufgeladenen Codes wie „die schweigende Mehrheit“, „die Tüchtigen“, „die Sparsamen“, „die Fleissigen“, „der kleine Mann“ etc. Abgegrenzt wird dieses „homogene Volk“ vom Establishment, der „käuflichen, machtgierigen und abgehobenen Elite “ bzw. der „classe politique“. Rechtspopulisten sind der Auffassung, dass Politik wieder Ausdruck des „wahren Volkswillens“ sein muss und demzufolge sind vor allem die Intellektuellen das häufigste Ziel der rechtspopulistischen Abscheu. (Bauer 2016: 8)

„Das Volk“
Für Rechtspopulisten gehören alle diejenigen zum Volk, die hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen: seien dies nun kleine Gewerbetreibende, Landwirte, Arbeiter oder Handwerker. Die Elite dagegen konstituiert sich gemäss den Rechtspopulisten über machtvolle Gruppierungen von Privilegierten, die mittels enormem Kapitalbesitz und Spekulation sowie Besitz von kulturellem und politischem Kapital an der Spitze der Gesellschaft stehen (vgl. Priester 2012: 12). Rechtspopulismus ist dementsprechend weniger eine Weltanschauung oder Handlungsstrategie, sondern vielmehr eine Mentalität der unteren und mittleren sozialen Schichten, Klassen und Milieus, die kritisch gegenüber den gesellschaftlichen Eliten sind und durch neureiche Aufsteigereliten, denen bisher der Zugang zu gesellschaftlichen Spitzenpositionen verwehrt wurde, mobilisiert werden. (Priester 2012: 49)
Horizontale Abgrenzung: Die Fremden

Flüchtlinge
Neben dieser vertikalen Abgrenzung („die da oben“) des Rechtspopulismus erfolgt parallel und zusätzlich eine mehr oder weniger horizontale Abgrenzung („den Anderen“) zu den „Fremden“ (Migranten, Flüchtlinge, Ausländer etc.). Durch diese pluralismus- und fremdenfeindliche Identitätspolitik ist der Rechtspopulismus eindeutig rechts im politischen Spektrum zu verorten im Kontrast und Widerspruch zur universalistischen Ideologie (soziales Gleichheitsverständnis) der klassischen Linken. (Bauer 2016: 8) Im Kontext dieser horizontalen Ebene („die Anderen“, „die Fremden“) sind ständig wiederkehrende Themen zu beobachten wie die Rückeroberung bzw. Verteidigung des Wohlstands- und Lebensniveau der autochonen Bevölkerung gegen die „Fremden“ (Ausländer, Migranten Flüchtlinge etc.) sowie die Verteidigung und den Schutz der eigenen ethnisch-kulturellen Identität und Lebensweise. Gefordert werden Privilegien für die einheimische Bevölkerung mittels geeigneter Rahmbedingungen, die Ungleichheiten zwischen „Fremden“ und „Einheimischen“ begünstigen sollen und dabei das durch die Demokratie und die Verfassung verankerte Prinzip der sozialen und individuellen Gleichheit negieren; Gegner des Rechtspopulismus ist in diesem Fall dementsprechend der Rechtsstaatsliberalismus. (Bauer 2016: 13)
Weitere Gegner: Sozialschmarotzer, Missbrauch, Korruption, Staatssektor

„Sozialstaatliche Hängematte“
Weitere Gegner des Rechtspopulismus sind vielfach die Sozialhilfebezüger, die es sich in der sozialstaatlichen Hängematte gut gehen lassen, also die „Parasiten“, „Faulen“ und „Schmarotzer“. (Priester 2012: 27) Auch wenn vielfach nur das politische System gemeint ist, ist der Rechtspopulismus größtenteils anti-elitär, anti-institutionell und anti-systemisch. Angeprangert wird vielfach die Absprachepolitik der etablierten Parteien und den übrigen einflussreichen gesellschaftlichen Akteuren (Neo-Korporatismus). (Priester 2012: 14) Kritisiert werden Ämterpatronage, mangelnde Transparenz und Durchlässigkeit, Bestechlichkeit, Interessenverfilzung, Missbrauch von Sozialleistungen etc. (Priester 2012: 93) Seit es den modernen Wohlfahrts-, Sozial- und Interventionsstaat gibt, wird dieser von den Rechtspopulisten unter Dauerbeschuss genommen, zumal dieser eine neue Schicht von Staatsbediensteten produziert hat. (Priester 2012: 93) Dementsprechend bestehen nicht nur cleavages zwischen Volk und Eliten sowie Einheimischen und Fremden, sondern auch zwischen zwei Gruppierungen innerhalb der Mittelschicht: nämlich dem selbstständigen privaten Sektor unter Einbezug der Arbeiter sowie den Bediensteten des Staatssektors. (Priester 2012) Arbeiter im privaten Sektor und Selbstständige wählen überdurchschnittlich häufig populistische Parteien im Vergleich zu Lohnabhängigen im Staatssektor (Mayer 2003: 105 f.)
Autoritarismus, Führerkult, Nationalismus, Freund-Feind-Denken
Rechtspopulistische Bewegungen neigen häufig zu einem Führerkult, einem Nationalismus und einem Autoritarismus. Insbesondere die nationale Identität wird gerne gegen die wirtschaftliche Globalisierung und die europäische Integration in Stellung gebracht. Charakteristisch für solche Parteien ist ausserdem ein Freund-Feind-Denken (Bauer 2016: 9), einhergehend mit einer Dämonisierung des Gegners, einem Manichäismus, d.h. einem dichotomischen Gesellschaftsbild und apokalyptischen Endzeitstimmungen. (Priester 2012: 13)
Goldenes Zeitalter: jenseits von Liberalismus und Sozialismus

Das Goldene Zeitalter
Das Ziel des Rechtspopulismus ist schlussendlich eine Rückkehr zu einem imaginierten oder realen „Goldenen Zeitalter“, das gleichsam einen dritten Weg jenseits von Sozialismus und Liberalismus propagiert. Damit verbunden ist die Aufwertung der Lebenswelt gegenüber dem System, das jedoch nicht als Ganzes abgelehnt wird, sondern nur dessen negativen Bestandteile wie technokratischer Machbarkeitswahn, Filz, Missbrauch, Überheblichkeit der Eliten und Gigantismus. (Priester 2012: 49)
Topoi, die immer wiederkehren
Ethisch-moralische Bedingungen sind dem Rechtspopulismus als politischem Phänomen gleichsam vorgelagert. Topoi, die immer wiederkehren sind die folgenden Polarisierungen:
„1. Selbstbestimmung vs. Fremdbestimmung/Bevormundung
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common sense/Alltagswissen vs. Experten- und Intellektuellenwissen
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Konkretion vs. Abstraktion
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Wahrheit vs. Heuchelei, echt vs. unecht
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Persönliche Verantwortung vs. Anonymisierung in Großaggregaten
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Lebensweltliche Tradition vs. Überfremdung
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organisches Wachsen vs. technokratisches ›Machen‹
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überschaubare lokale Gemeinschaft vs. atomisierte Gesellschaft und Gigantismus
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Regionale/nationale Identität vs. Kosmopolitismus der »einen Welt«
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Partikularismus vs. Universalismus.“ (Priester 2012: 68 ff.)
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