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Abschied von den Grünen

tl; dr: Keine andere Partei entfernt sich in ihrem Selbstbild so weit von ihrer realen Politik wie Die Grünen. Um mit diesem Widerspruch leben zu können, greift die Partei auf eine politische Geschlechtermystik zurück.

Als ich noch zur Schule ging, hatte unsere Familie beim Mittagessen ein Ritual: Die Zeit des Essens und die Zeit hinterher verbrachten wir mit politischen Diskussionen, in denen meine Eltern sozialdemokratische Positionen vertraten und ich mit Positionen der Grünen dagegen hielt. Tatsächlich habe ich die Grünen wohl häufiger gewählt als jede andere Partei, bis heute – auch wenn ich sie nun schon eine ganze Weile nicht mehr wähle.

Darin übrigens bestätigen mich Grüne immer wieder selbst. Mark hat hier ja gerade erst das grüne Wahlprogramm analysiert und die Partei seinerseits als „unwählbar“ bezeichnet.  Vor einigen Tagen habe ich dann dieses Poster entdeckt:

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läuft

Nun ist es natürlich grundsätzlich ein Beleg für Ressentiments und nicht für seriöse Politik, ganze Gruppen von  Menschen mit Kloschüsseln zu assoziieren – auch dann, wenn es sich bei diesen Gruppen um die FDP bzw. um Männer handelt. Mir ist allerdings auch klar, dass es vielen Männern schlicht zu blöd wäre, sich über so etwas aufzuregen. Das Plakat sagt gleichwohl viel aus über eine Partei, die es in anderen Fällen schon als „Sexismus“ geißelt, wenn ein Politiker eine Politikerin als „gut aussehende, schwarzhaarige Dame“ bezeichnet.

Ich wähle die Grünen auch deswegen nicht mehr, weil ich mir sicher bin, dass sie eben die Ressentiments brauchen, die sich in dem Plakat und in den offenen Doppel-Standards ausdrücken. Sie brauchen diese Ressentiments wiederum, weil bei den Grünen Selbstbild und reale Politik noch weiter auseinanderklaffen als bei allen anderen Parteien.

Einfach formuliert: Wer Grüne wählt, wählt eine Phantasie, keine reale Politik.

 

Was die Grünen mit Marlboro gemeinsam haben

Zweifel hätte ich natürlich schon haben müssen, als die Unterstützung Grüner für Pädophile Schlagzeilen machte. Damals aber habe ich das als überschießenden, fehlgeleiteten Idealismus abgetan, mit dem auch noch jede gesellschaftliche Randgruppe integriert werden sollte.

Stärker fiel es mir später dann auf, dass die Grünen gleich nach dem Beginn ihrer Regierungsbeteiligung Kriegseinsätze der Bundeswehr verantworteten. Der Einsatz war völkerrechtswidrig, hatte kein UN-Mandat,  und er war der erste Krieg, an dem sich die Bundesrepublik direkt beteiligte. Auch wenn die Zeit zehn  Jahre später gute Gründe für diesen „linken Krieg“ fand, hätte die grüne Haltung für ihre Unterstützer eigentlich unverzeihlich sein müssen.

Die Partei hatte gerade eben erst einen pazifistischen Wahlkampf geführt, im Wahlprogramm eine drastische Senkung der Militärausgaben (S. 10) gefordert und ausdrücklich eine „Zivilisierung und Entmilitarisierung der internationalen Politik“ (S. 134) sowie „verbindliche Verfahren zur politischen Durchsetzung der Menschenrechte und nichtmilitärischen Konfliktschlichtung“ (S. 135).

Ganz unzweideutig formulierten die Grünen einige Monate vor ihrem Beschluss zum Kriegseinsatz: „Militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze lehnen wir ab.“ (S. 135)

Die Distanz zwischen grüner Selbstpräsentation und grüner Politik war so gigantisch, dass Joschka Fischer in einem durchaus zynischen rhetorischen Overkill sogar die Erinnerung an den Holocaust benutzte, um sie zu überbrücken.

Immerhin hielt die rot-grüne Regierung dann Deutschland aus dem irren Irak-Krieg heraus – das ist, neben dem Atom-Ausstieg, bis heute in meinen Augen ein großes Verdienst. Ganz im Widerspruch zum grünen Image, für eine irgendwie menschlichere, irgendwie linke Politik zu stehen, standen aber die Agenda-Reformen, also „Hartz IV und die rabiatesten Reformen des Sozialstaats“ – so wiederum die Zeit einige Jahre später.  Unter anderem fanden sich dadurch auch Menschen, die jahrzehntelang in die Sozialsysteme eingezahlt hatten, nach nur einem Jahr Arbeitslosigkeit in der Sozialhilfe wieder – so als ob sie niemals Beiträge geleistet hätten.

Die Reformen wurden nicht in offenen demokratischen Debatten entwickelt und diskutiert, sondern in einer eigens eingesetzten Kommission unter der Leitung des VW-Personalvorstands Peter Hartz. Das hat unter anderen die bizarre und einzigartige Folge, dass Deutschland seine Sozialsysteme heute ausgerechnet nach einem vorbestraften Automobilmanager benennt.

Der grüne Sonderparteitag stimmte diesen Reformen mit neunzigprozentiger Mehrheit und damit noch deutlicher als der SPD-Sonderparteitag zu.  Anders als die Sozialdemokraten aber sind die Grünen damit niemals in ernsthafte Schwierigkeiten gekommen. Es ist eben stillschweigend selbstverständlich, dass diese Partei eine Partei der Besserverdienenden ist – ohne dass dies das Selbstbild als irgendwie linke, humane Alternative zu anderen Parteien stören würde.

Was mich wiederum stört, ist nicht einmal, dass die Grünen eben keine radikal andere, radikal menschlichere Politik als andere machen – sondern dass sie und ihre Anhänger gegen alle realen Konsequenzen ihrer Politik an der Vorstellung festhalten, für eine solche humane Alternative zu stehen. Wer Grüne wählt, weil sie für eine irgendwie menschlichere Politik stünden – der agiert ungefähr so vernünftig wie jemand, der Marlboro statt Camel raucht, weil ihm viel an Freiheit und Abenteuer liegt.

 

Die Nutzbarmachung von Kindern

Das gilt auch auf Landesebene. Im bundesweiten Bildungstest, der die Kenntnisse neunter Klassen in Deutsch und den Fremdsprachen gemessen hat, stürzte das grün-rot regierte Baden-Württemberg gerade erst regelrecht ab.  Sicher hat die Regierung nicht innerhalb weniger Jahre die Substanz der baden-württembergischen Schulen zerstört. Es ist aber anzunehmen, dass der grün-rote, irritierend stark auf Sexualität fixierte Bildungsplan“ und die heftigen Auseinandersetzungen darum die Schulen erheblich belastet und verunsichert haben.

Dieser Bildungsplan hatte ganz unnötige Frontstellungen etabliert – und das wohl mit dem Kalkül, dass die Landesregierung sich so als progressive Kraft präsentieren könne, die sich entscheiden gegen reaktionäre Strömungen des Landes stellt. Damit hatte sie allerdings einem Schaukampf, der niemandem ernsthaft helfen konnte, den Vorzug vor einer Schulpolitik gegeben, die an den realen Erfordernissen der Schulen orientiert ist.

Auf kommunaler Ebene habe ich ähnliches erlebt – auch wenn ich natürlich weiß, dass das in anderen Städten und Gemeinden anders sein kann. Die Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, wurde über zehn Jahre lang von einem grünen  Bürgermeister regiert. Für eine ganz unnötige Straßenbahnverbindung wurden in dieser Zeit Hunderte von Bäumen gefällt, unter anderem eine alte, sehr eindrucksvolle Allee, die einmal auf beiden Seiten der Straße am Ortseingang stand. Gleich reihenweise gingen Geschäfte an der jahrelang bestehenden Baustelle pleite. Widerstand gab es gegen die Pläne zu Beginn allein in der CDU – bis die Partei vom damaligen Ministerpräsidenten Wulff eingenordet wurde, der auf EU-Fördergelder für die Straßenbahn spekulierte.

Die Grünen verhielten insgesamt nicht schlimmer als die anderen Parteien – aber sie waren eben auch kein bisschen besser, humaner, demokratischer oder ökologischer, und sie trugen über ihren Bürgermeister die wesentliche Verantwortung.

Das Selbstbild der irgendwie besseren Partei lässt sich nach meiner Erfahrung so auf keiner Ebene aufrechterhalten. Der Preis dafür ist sehr hoch, wenn die Grünen es trotzdem tun – beispielsweise dadurch, dass sie mehr als jede andere Partei Kinder für ihre Werbung benutzen.

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Werbeplakat die Grünen

Kinder stehen hier offenbar für eine politische Unschuld, die mit einer irgendwie anderen, besseren Politik identifiziert werden kann. Ihre Nutzbarmachung für die Parteienwerbung ist aber nun einmal besonders zynisch bei einer Partei, in deren Umfeld sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche über Jahre hinweg systematisch verübt und aus der heraus diese Gewalt politisch unterstützt wurde.

Doch auch hier ist die Bilderwelt der Imaginationen und Selbstpräsentationen so weit von den realen Konsequenzen realer Politik entfernt, dass den Grünen der Zynismus ihrer Parteiwerbung gar nicht auffällt.

 

Vom Nutzen und Nachteil einer politischen Geschlechtermystik

Da aber das Selbstbild als irgendwie andere, irgendwie humanere Partei nicht durch reale Politik bestätigt werden kann, muss die Partei dieses Bild anderswo befestigen. Eine wesentliche Funktion hat dabei eine politische Geschlechtermystik.

Den eingangs zitierten scharfen polemischen Angriff auf die FDP, in der angeblich nicht genügend Frauen kandidieren würden, führen die Grünen so, als ob sie selbst auf diesem Gebiet keine Schwächen hätten.

Gerade erst hatten sie eine Urwahl ihrer Spitzenkandidaten als Farce inszeniert. Katrin Göring-Eckardt trat dort konkurrenzlos als einzige Frau an – und da niemand seine Stimmen an zwei der männlichen Kandidaten geben durfte, war sie faktisch schon gewählt, bevor die Wahl überhaupt begonnen hatte.

Während die CDU, die sich niemals zu einer Frauenquote durchringen konnte, seit über zehn Jahren eine parteiintern unangefochtene Kanzlerin stellt, schaffen die grünen Frauenförderer es nicht einmal, für eine zentrale Wahl mehr als nur eine Kandidatin zu finden.

Die Frauenquote sorgt bei den Grünen kaum für eine Steigerung des politischen Engagements von Frauen – der Frauenanteil liegt bei 38%, ist damit kaum höher als in der Anfangszeit der Partei und von 50% stabil weit entfernt. Quote und Frauenstatut sorgen jedoch dafür, dass die Partei sich nach außen hin als Frauenpartei präsentieren kann.

Politisch nutzbar aber wird dies jedoch erst durch eine korrespondierende, ressentimentgeladene Darstellung von Männern – und dies nicht nur in einzelnen Äußerungen wie der des stellvertretenden Hamburger Parteivorsitzenden Michael Gwosdz, dass alle Männer „potenzielle Vergewaltiger“ seien.

Zum Frauentag zelebrierten die Grünen Weiblichkeit als Zukunft, Männlichkeit als Vergangenheit: Männer haben Denkmäler, Frauen haben Zukunft.

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gitte schoeller

Das bündelt gleich mehrere Ressentiments. Männer erscheinen hier als Machthaber, die dafür gesorgt haben, dass ihnen reihenweise Denkmäler gebaut werden – aber auch als erstarrt, bewegungslos. Dass Frauen im Unterschied dazu eine Zukunft haben, spielt auf den Topos vom „Ende der Männer“ an, der durchaus genüsslich von Hanna Rosin  berühmt gemacht wurde.

Das sind, ebenso wenig wie die Assoziation von Männern mit einem Pissoir, keine Entgleisungen, sondern überlegte Werbekampagnen. Frauen und Männer werden hier auf eine Weise dargestellt, als ginge es nicht um reale Menschen, sondern um allgemeine Ideen – und so lässt sich die kaum unterschwellige Gewaltsamkeit der Darstellung auch übersehen.

Frauen stehen hier für das, womit sich die Grünen seit Beginn ihrer Partei identifizieren möchten: für eine irgendwie andere, menschlichere und eben dadurch zukunftsträchtigere Politik. Männer hingegen stehen für das Traditionelle, Erstarrte, für Machtfixiertheit. Dass sich die humane Kraft des Weiblichen noch nicht überall zeigen konnte, lässt sich dann auch leicht erklären: Sie wird eben von den Bedingungen einer Männerherrschaft – noch – verdeckt.

Mit dieser politischen Geschlechtermystik fangen die Grünen den gigantischen Widerspruch zwischen dem Selbstbild einer anderen, humaneren politischen Kraft und den realen Konsequenzen ihrer realen Politik ein. Männlichkeit steht dabei immer für die Strukturen, die überwunden werden sollen. Selbst für die 62% der männlichen grünen Parteimitglieder repräsentiert sie das Andere, das, wovon sich die Partei abgrenzt, um ihr positives Selbstbild bewahren zu können.

Mit dieser Bildlichkeit aber überzeugen die Grünen zunehmend nur noch sich selbst – was angesichts der Selbstbezüglichkeit dieser Strukturen keine Überraschung ist. Als ich bei Twitter die grünen Geschlechterphantasien wieder auf reale Menschen bezog, war die Resonanz sofort relativ groß.

Besonders gefreut hat mich die Antwort einer Frau:

Das ist eben wesentlich realistischer als eine Phantasie, in der Vergangenheit, Hinfälligkeit, Erstarrtheit und Machtfixiertheit als männlich, Humanität und Zukunftsfähigkeit als weiblich imaginiert werden: Interessen von Männern und Frauen sind aneinander gekoppelt, und wer die Interessen der einen grundsätzlich verletzt, verletzt auch die Interessen der anderen. Vor allem verletzt er die Interessen der Kinder.

Das aber sind Überlegungen, die viel zu realitätsbezogen sind, als dass sie in der grünen Geschlechtermystik einen Platz finden könnten.


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