Ein halbes Jahrhundert nach Willy Brandts legendärer Aufforderung an uns alle, ‚mehr Demokratie zu wagen’, würde er uns heute vermutlich dazu auffordern, ‚mehr Vater’ zu wagen.“
Das ist vielleicht ein wenig optimistisch – mit Schröder hatte die SPD „Mehr Demokratie wagen“ bekanntlich ohnehin schon zu „Mehr Volkswagen“ geändert.
Trotzdem ist dieser Satz aus dem Grußwort zum Gender-Kongress, der an diesem Wochenende in Nürnberg stattfindet, treffend. Jede kleine Verbesserung für die Situation von Vätern – und auch für die der Kinder – in den vergangenen Jahren war mit Ängsten verbunden, mit Warnungen, mit sorgevollem Kopfschütteln. Väter würden Kinder nur benutzen, um Mütter unter Druck zu setzen – hätten Väter mehr Rechte, würden Kinder in den Streit von Eltern hereingezogen – Mütter würden keine klaren Entscheidungen mehr treffen können – undsoweiter.
Heute werden solche Ängste zum Beispiel artikuliert, wenn es darum geht, Gründe gegen die Einrichtung des Wechselmodells zu finden.
Aber auch der Gender-Kongress selbst hat es mit Ängsten zu tun: von Menschen die beunruhigt sind, wenn Geschlechterpolitik ausnahmsweise nicht allein aus feministischer Perspektive verhandelt wird – oder von Menschen, die meinen, hier würden Männer lediglich ihre Machtpositionen reproduzieren wollen. Die Frage „Welche Machtpositionen denn überhaupt?“ hören sie dann möglicherweise schon gar nicht mehr, weil sie allzu sehr damit beschäftigt sind, den Kopf sorgenvoll zu schütteln und Warnungen zu formulieren.
Natürlich haben auch die Menschen Ängste, die sich in Filterblasen und in politisch homogenen Umfeldern eingerichtet haben. Das Grußwort weiter:
Wer sich nur in den Echokammern seines immer gleichen Meinungsumfeldes aufhält, wird niemals das genießen, was unsere Demokratie ausmacht“.
Tatsächlich ist es für viele zum Glück so selbstverständlich geworden, die demokratische Ordnung richtig zu finden, dass sie gar nicht mehr auf die Idee kommen, andere Menschen könnten Angst davor haben.
Ein offener Dialog, wie er auf diesem Kongress angestrebt wird, ist aber eben nicht nur eine Chance: Wer sich daran gewohnt hat, ohne Widerspruch seine Positionen formulieren zu können – der wird diese Offenheit als Gefahr wahrnehmen, nicht als Chance.
Ich selbst werde nicht bei dem Gender-Kongress sein können, und das bedaure ich sehr. Ich bin an diesem Wochenende ganz am anderen Ende der Republik bei unserem kleinen Sohn. So, wie sie Situation für uns gerade ist, würde ich ihn fünf Wochen nicht mehr sehen, wenn ich die Fahrt zu ihm an diesem Wochenende ausfallen ließe. Das mache ich natürlich nicht – aber dem Motto „Mehr Vater wagen“ bin ich damit ja trotzdem treu.
Ich glaube, dass es nicht nur politisch wichtig ist, einen solchen Kongress zu unterstützen, dem es um offene Debatten und nicht um das häusliche Einrichten in Schützengräben geht. Ich glaube zudem, dass es den Menschen, die dabei sind, selbst gut tut, sich auch einmal persönlich zu begegnen und nicht allein in den virtuellen Räumen des Netzes zu kommunizieren. Auch deshalb wäre ich sehr gern dabei gewesen.
So kann ich nur kurz mein eigenes Grußwort schreiben: Ich wünsche allen, die beim Gender-Kongress in Nürnberg dabei sind, ein schönes, erfolgreiches Wochenende!