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Das Böse der Banalität

Wie die taz den Holocaust genderpolitisch entsorgt

Fritz Stern, US-amerikanischer Historiker deutscher Herkunft, war zwölf Jahre alt, als er mit seiner jüdischen Familie aus seiner Heimatstadt Breslau floh – im September 1938, gerade noch rechtzeitig vor den Pogromen gegen Juden in der Nacht vom 9. zum 10. November. Später studierte er an der Columbia University in New York, wurde dort Professor, kehrte aber für Gastprofessuren in Berlin, Konstanz, Mainz und Jena nach Deutschland zurück. Seine Werke über die deutsche Geschichte, aber auch sein Engagement in zeitgeschichtlichen und politischen Fragen machten ihn weltweit berühmt.

Im Alter von neunzig Jahren starb er im Mai 2016 in New York. In einem scharfen, seltsamen Kontrast zu den respektvollen Abschieden von Stern, die weltweit veröffentlicht wurden, stand ein kleiner Kommentar in der öffentlichen Facebook-Gruppe kritische geschichte. Dort schrieb die Historikerin Anka (meist: Anna) Hájkova, die an der englischen Universität von Warwick lehrt und die gerade als Gastwissenschaftlerin in Erfurt arbeitet:

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Der Kommentar war nicht nur bewusst verletzend und pietätlos, sondern wirkte auch unmotiviert, weil nicht erkennbar ist, was Fritz Stern Hájkova denn eigentlich getan hatte – abgesehen von der Tatsache, dass er ein weißer straighter alter Mann gewesen war.

Ein kurzer Essay, den Hájkova gerade am 5. September in der taz veröffentlicht hat, kann helfen, ihre so scharfe und gewaltsame Reaktion auf den Tod Sterns zu erklären. Ihr Text Warum wir eine queere Geschichte des Holocaust brauchen zeigt zugleich auch, dass ein gendertheoretischer Ansatz politisch vielfältig funktionalisiert werden kann – auch für Schlussstrich-Bedürfnisse bei der Erinnerung an den Holocaust.

 

Wie Frau Hájkova Frauen zum Verschwinden bringt

„Es sind die Männer, die Geschichte als die Vergangenheit von ebenfalls Männern bestimmen.“

Das gelte, so Hájkova in ihrem taz-Essay, gerade auch für die „patriarchalen Normen der Lagergesellschaften“, die es bewirkt hätten, dass verhältnismäßig wenige Frauen ihre Erinnerungen niedergeschrieben hätten.

„Wenn sie es doch taten, wurden ihre Memoiren nicht kanonisch wie die der Männer.“

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Gershon Apfel: Memories

Hájkova begründet das mit genau einem Beispiel: Liana Millus Rauch über Birkenau sei erst 1998 in einer deutschen Übersetzung erschienen, obwohl die italienische Holocaust-Überlebende ihre Erinnerungen ebenso wie Primo Levi, mit dem sie befreundet war, direkt nach dem Krieg geschrieben habe. Levis Erinnerungen hingegen seien sogleich kanonisch geworden. Die Erfahrungen von Frauen aber, so Hájkova, „galten als nicht wichtig“.

Die autobiographischen Texte des Chemikers Primo Levi sind gekennzeichnet durch eine nie gelöste Spannung zwischen der Distanzierungsfähigkeit des Naturwissenschaftlers und der überwältigenden persönlichen Erfahrung, von der er erzählt. Die Kapitel von Das periodische System beispielsweise, die eine persönliche und familiäre Geschichte Levis erzählen, sind jeweils mit den Namen chemischer Elemente überschrieben.

Dass sich aber die Kanonisierung dieser Texte ihrer literarischen Qualität und nicht der Geschlechtszugehörigkeit des Autors verdankt, wird von Hájkova nicht einmal erwogen – so wie sie auch nicht erwähnt, dass Millus Schrift keineswegs verschwiegen wurde, sondern wie Levis Ist das ein Mensch? bereits im Jahr 1947 auf Italienisch erschien.

„Aber wer Zeugnis geben durfte, war eine machtpolitische Entscheidung.“

Von wem diese Entscheidung getroffen wurde, und nach welchen machtpolitischen Interessen, erläutert Hájkova nicht – es bleibt bei dem raunenden Vorwurf, dass überlebende und andere Männer, irgendwie, überlebende Frauen zum Schweigen gebracht hätten. Das projiziert Gemeinplätze heutiger Debatten in die Zeit des Holocaust und die Nachkriegszeit hinein und verfehlt viele Realitäten.

Das Schweigen über die eigene Erfahrung, ein durchgängiges Muster vieler Familiengeschichten von Holocaust-Überlebenden, war mit großer Wahrscheinlichkeit nicht einfach ein Ausweis der Marginalisierung bestimmter Gruppen (Frauen, Homosexuelle), sondern eine Überlebensstrategie. Sich einem massiven, unbeherrschbaren Trauma durch seine Erzählung wieder und wieder auszusetzen, ohne es doch kognitiv einfangen zu können, ist eben eher Belastung als Befreiung.

Viele Überlebende haben sich erst sehr viel später offen mit ihren Erfahrungen auseinandergesetzt, nachdem sie in der Zwischenzeit über viele Jahre hinweg wieder Erfahrungen in zivilen Kontexten gesammelt hatten. Ignatz Bubis hat beispielsweise berichtet, wie er Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg Treblinka besuchte, wo sein Vater ermordet wurde – die Erfahrung war für ihn auch dann noch so belastend und erschütternd, dass er sie nie wiederholt hat.  Ruth Klüger  war über 60 Jahre alt, als 1992 ihre Autobiografie weiter leben erschien, in der sie von ihrer Erfahrung als jüdische Schülerin in Wien, als Kind in Auschwitz und als überlebende Emigrantin in der Nachkriegszeit erzählt.

Klügers Buch ist längst ein zentrales Werk in der Erinnerung an die Konzentrationslager und sicherlich eine der wichtigsten deutschsprachigen Autobiografien des zwanzigsten Jahrhunderts. Seinen großen Erfolg hatte es auch der dringenden Fürsprache Marcel Reich-Ranickis zu verdanken, der es im Literarischen Quartett überschwänglich lobte – die ausdrücklichen feministischen Position Klügers störten den wichtigsten Patriarchen des deutschen Literaturbetriebs dabei offenkundig überhaupt nicht. Da der Text vor fast 25 Jahren publiziert wurde, hätte Hájkova durchaus Gelegenheit gehabt, ihn in der Zwischenzeit zur Kenntnis zu nehmen.

Doch nicht nur in diesem Fall lässt sich die Suggestion, weibliche Holocaust-Überlebende seien von männlichen Holocaust-Überlebenden zum Schweigen gebracht und marginalisert worden, nicht aufrecht erhalten. Das erste und lange Zeit bleibende ikonische Werk über die Verfolgung und den Massenmord der europäischen Juden, über viele Jahre und in vielen Ländern eine gängige Schullektüre, ist ein Zeitzeugnis einer AutorinAnne Franks Tagebuch, das vor der Verhaftung und Deportation ins Konzentrationslager abbricht. Einer der ersten wichtigen Romane über Verfolgung und Massenmord wurde ebenfalls von einer Autorin geschrieben, Ilse Aichingers Die größere Hoffnung. Cordelia Edvardssons Gebranntes Kind sucht das Feuer  oder Grete Weils Tramhalte Beethovenstraat sind schon seit Jahrzehnten einschlägige Texte der Erinnerung an den Holocaust.

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Von einer Frau stammen auch die grundlegenden Texte einer Auseinandersetzung mit dem Holocaust auf der Ebene einer politischen Theorie: Hannah Arendt analysiert in dem großen Werk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft den Terror Hitlers und Stalins. In Eichmann in Jerusalem reflektiert sie anlässlich des Prozesses gegen ihn über Adolf Eichmann und prägt schon im Untertitel ihres Textes die berühmte Formel von der „Banalität des Bösen“.

Dies sind nur einige Beispiele. Hájkova muss also viele wesentliche Beiträge von Frauen ignorieren, um die Behauptung aufrecht erhalten zu können, Beiträge von Frauen seien ignoriert worden.

 

„Keine einzige jüdische homosexuelle Stimme“

Ähnliches gilt für Homosexuelle.

„Die Geschichten homosexueller jüdischer Opfer wurden nicht erzählt, weil moralische Normen vorgeben, was überliefert wird und was nicht. Unsere Zivilisation diktiert, dass wir uns mit dem Erzähler identifizieren können müssen; mit einer devianten Person können wir es aber nicht, denn soziale Devianz stellt Abscheu her.“

Wieder bleibt offen, wer denn hier eigentlich die Normen diktiert, die einerseits zur Identifikation verpflichten und andererseits Homosexuelle als nicht identifikationsfähig hinstellen würden.

„Es gab schwule und lesbische jüdische Deportierte; sie durften allerdings kein Zeugnis hinterlassen“,

behauptet eine Ankündigung für einen Vortrag Hájkovas im Schwulen Museum in Berlin. Wer genau ihnen das verboten habe, bleibt unklar – es habe jedenfalls „unter den zehntausenden Zeugnissen der Holocaustüberlebenden keine einzige jüdische homosexuelle Stimme“ gegeben.

Schon die Kommentare zu der Ankündigung listen dann einige homosexuelle und jüdische Überlebende auf, die über ihre Erfahrungen in den Konzentrationalgern berichtet haben. Zumindest Gad Becks Und Gad ging zu David aus dem Jahr 1995 hätte Hájkova auch ohne weitere Recherchen bekannt sein können, dazu Jerry Rosensteins Ein gutes Leben ist die beste Antwort (aufgeschrieben von Friedrich Dönhoff)  oder Walter Guttmanns Ich wollte es so normal wie andere auch.

Die selbstverständliche Überzeugung, dass eine männliche heterosexuelle Ordnung Homosexuelle allesamt als „deviant“ marginalisiert und verfolgt habe, kaschiert zudem die wesentlichen Unterscheide zwischen männlichen und weiblichen Homosexuellen im Nationalsozialismus. Gudrun Hauer von der Homosexuellen Initiative Wien schreibt, die Behauptung könne nicht aufrecht erhalten werden könne, dass lesbische Frauen „gleichermaßen eine Opfergruppe des Nationalsozialismus waren wie etwa homosexuelle Männer.“  

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Die queere Geschichte des Holocaust, die Hájkova fordert, kommt ganz ohne die Information aus, dass homosexuelle Männer, nicht aber lesbische Frauen im Nationalsozialismus verfolgt, in Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden. Die Autorin wiederholt damit die Geschichts-Verzerrung, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen Frauen ebenso wie Männern zu widmen.

Eigentlich wäre die Titelfrage danach, warum wir eine queere Geschichte des Holocaust brauchen, leicht zu beantworten: weil es möglicherweise spezifische Erfahrungen Homosexueller gibt, in der Geschichte der nationalsozialistischen Massenmorde selbst und in der Erinnerung daran.

Es geht allerdings in Hájkovas Text überhaupt nicht darum, eine Geschichte der Verfolgung Homosexueller mit Hilfe der Erinnerungen an sie zu rekonstruieren. Es geht auch nicht darum, die Publikations- und Rezeptions-Bedingungen von Texten weiblicher Überlebender realistisch zu beschreiben. Der Text bleibt stehen bei der Behauptung, Frauen seien in einer männlichen und Homosexuelle in einer heterosexuellen Ordnung marginalisiert worden. Welchen Sinn aber hat er dann?

 

Holocaust und Überraschungseier

Genderpolitische Ansätze beschränken sich allgemein nicht auf die bekannte Selbstverständlichkeit, Geschlechter als soziale Kategorien zu verstehen. Dass Männer und Frauen sich nicht nur durch ihre Biologie unterscheiden, sondern auch durch soziale Erwartungen an sie, wird ohnehin kaum jemand ernsthaft bestreiten.

Genderpolitik und –theorie gehen allerdings fast durchgehend und stillschweigend von sehr viel weiter gehenden Voraussetzungen aus. Sie verstehen Geschlechterkonstruktionen nicht im Hinblick auf ihre vielfältigen möglichen Funktionen, sondern im Anschluss an Butler als Herrschaftskonstruktionen. Die heterosexistische Ordnung basiere auf der Herrschaft von Männern über Frauen, von Heterosexuellen über Homosexuelle – und sie würde diese Herrschaft zugleich auch reproduzieren.

Diese Verknüpfung von Geschlecht und Herrschaft durchziehe sämtliche Bereiche der Gesellschaft, sei omnirelevant und lasse sich sogar, und gerade, in den vermeintlich objektiven Wissenschaften wiederfinden. Kurz: Geschlecht sei ebenso ein Ausdruck wie eine Basis von Herrschaft – Machtmechanismen hätten, so auch Hájkova, einen „gegenderten Charakter“ („gendered character of power mechanisms“).

Omnirelevanz aber ist eigentlich ein religiöse Kategorie – eine Qualität Gottes. In wissenschaftlichem oder politischem Kontext hat dieser Begriff vor allem eine beträchtliche Beliebigkeit zur Folge. Ob es nun um rosafarbene Überraschungseier geht, um breitbeinig in der U-Bahn sitzende Männer oder um den Massenmord an den europäischen Juden: Jeweils gelangen gendertheoretische Überlegungen zu denselben Schlüssen, die zufälligerweise in jedem Fall identisch sind mit den immer schon vertrauten Vorannahmen. Männer marginalisierten Frauen, Heterosexuelle marginalisierten Homosexuelle.

Wird aber die Erinnerung an den Holocaust mit diesem Mechanismus traktiert, dann hat das noch eine andere Konsequenz als eine erneute Bestätigung des Immer-Schon-Gewussten. Grundsätzlich gibt es nämlich zwei Möglichkeiten, den Massenmord an den europäischen Juden in eine Beziehung zur zivilen modernen Gesellschaft zu setzen: als Bruch damit oder als konsequentes Extrem von ihr.

Als Zivilisationsbruch hat etwa Hannah Arendt den Holocaust erlebt, und sie beschreibt die ersten Informationen darüber als einen grundlegenden Schock. Anders, zum Beispiel, Theodor Adorno: Er interpretiert den industrialisierten Masssenmord in einer Kontinuität zur modernen Zivilisation, als extreme Ausprägung der Verdinglichung in einer Warengesellschaft. Die Pointe beider Sichtweisen aber ist dieselbe: Der Holocaust ist abgründig, eine bleibende Beunruhigung – sei es als Bruch der Zivilisation, die damit als fragil erscheint, oder als eine Konsequenz von ihr, mit der die Zivilisation selbst abgründig wird.

In der genderpolitischen Interpretation ändert sich das. Hier wird der Schrecken des Holocaust gespiegelt im immer schon Bekannten, in einfachen, vielfach eingeübten, vertrauten und klischeehaften Gemeinplätzen und Argumenten. Die Herrschaft, die Hájkova interessiert, ist nicht die der nationalsozialistischen Massenmörder – es ist die Herrschaft diffus bleibender Strukturen, die diktieren würden, dass die Erinnerungen männlicher Überlebender ins Deutsche übersetzt werden und die Erinnerungen weiblicher Überlebender nicht, oder dass Homosexuelle überhaupt nicht über die Konzentrationslager schreiben könnten.

 

Schlussstriche und Triumphgesten

Sachlich ist das natürlich nicht haltbar, sogar irreal – diskursstrategisch aber ist es durchaus wirkungsvoll. Schon seit Jahrzehnten ist es eine wesentliche Frage von Kultur- und Geschichtswissenschaftlern, wie die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen nach dem Tod der letzten Zeitzeugen aufbewahrt bleiben kann. Der Kulturwissenschaftler und Ägyptologe Jan Assmann erläutert dazu schon in den Neunziger Jahren in einem Interview, dass „das Ende der Zeitzeugengeneration immer eine Schwelle“ darstelle, und er erklärt damit, dass viele Zeitzeugen, „ihren nun absehbaren Tod vor Augen, Zeugnis abzulegen“ begonnen hätten.

Hájkova wiederum schreibt noch einmal zwanzig Jahre später und zählt sich zu einer

„Handvoll von Holocaust-Historiker_innen, (…) die nach den fehlenden Geschichten suchen“.

Das hört sich gut an und wäre noch besser, wenn Hájkova die fehlenden Geschichten nicht selbst versteckt hätte, um die immergleiche Geschichte von männlicher Dominanz und weiblicher Marginalisierung auch am Beispiel des Holocaust noch einmal erzählen zu können.

Das Resultat: Hier werden die Abgründigkeiten des Massenmordes gespiegelt in den Banalitäten einer gegenwärtigen Identitätspolitik, zu deren größten nur vorstellbaren Schrecken es etwa gehört, dass ein Mensch zu einer wichtigen Gelegenheit ein unpassendes Hemd tragen könnte.

Eine „Hierarchisierung der Opfer“ und „mangelnden Respekt“ hätten manche Kritiker den „feministischen Forscherinnen“ vorgeworfen, empört sich Hájkova – und zumindest in ihrem eigenen Fall ist das durchaus komisch. Denn als Historikerin weiß sie gewiss, dass sie sich mit ihrer demonstrativen Triumphgeste zum Tode Sterns bei den schlimmsten Mustern der ohnehin abstoßenden antisemitischen Rhetorik bedient.

Der offene Triumph anlässlich des Todes von Überlebenden ist eigentlich ein sicheres Erkennungszeichen Rechtsradikaler. Unrecht waren in ihrer kranken Perspektive nicht Verfolgung und Massenmord – Unrecht war das Überleben. Wenn nun ein Jude, der aus ihrer Sicht von Rechts wegen eigentlich längst hätte tot sein müssen, nach Jahrzehnten tatsächlich gestorben ist – dann ist in der gewaltverliebten antisemitischen Logik endlich eine Ordnung wiederhergestellt, die durch das Überleben gestört worden war.

Auch Fritz Stern wäre, wenn seine Familie sich nur wenig später zur Emigration entschlossen hätte, mit einiger Wahrscheinlichkeit schon seit mehr als siebzig Jahren tot gewesen. Hájkovas offene Geste des Triumphs zu seinem Tod im Jahr 2016 ist nicht nur Ausweis einer pathologisch anmutenden Verrohtheit, sondern auch ein demonstrativer Tabubruch. Sie zeigt vor, dass ein Gefühl der Scham und der Schuld gegenüber dem jüdischen Menschen, der in der Emigration überlebt hat, nicht mehr notwendig wäre, und Respekt gegenüber seiner Lebensleistung schon gar nicht – wichtig sei viel mehr als das die Tatsache, dass Stern ein weißer, alter, heterosexueller Mann war.

Die gängigen Kategorien der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen, Juden vs. Antisemiten oder Demokraten vs. Faschisten, werden damit abgelöst durch die Kategorien ritueller gegenwärtiger Herrschaftsunterstellungen: Frau vs. Mann, Homosexuelle vs. Heterosexuelle. Hájkova demonstriert mit ihrem Tabubruch, dass sich heutige Generationen nicht mehr von den Erinnerungen der Überlebenden dazwischenreden und dass politische Frontstellungen der Gegenwart sich nicht mehr stören lassen sollten von einer Vergangenheit, die nicht vergeht.

Gender-Politik wird damit zum Instrument von Schlussstrich-Bedürfnissen, die gar keine ausdrückliche Schlussstrich-Debatte mehr brauchen. Gender-Ansätze stehen zwar, natürlich, nicht an sich schon rechtsaußen. Durch die unkritische und unreflektierte Selbst-Einschätzung ihrer Protagonisten als „emanzipatorisch“ und die rituelle Diskreditierung ihrer Kritiker als „reaktionär“ sind Gender-Politiken aber besonders gut geeignet, sogar rechtsradikalen Positionen einen Anschein der Legitimität zu verleihen – ihnen gleichsam Persilscheine auszustellen.

Faschistoid nämlich sind selbstverständlich immer nur die anderen.

 


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