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Ist Gleichberechtigung frauenfeindlich?

Ein Interview zur Verleihung der Sauren Gurke an den WDR-Film eMANNzipation

Die WDR-Sendung „eMANNzipation“ , die vor etwa einem Jahr den Anspruch der Gleichberechtigung aus einer männlichen Perspektive erhob, ist nun von der Organisation der Medienfrauen mit ihrem Negativ-Preis der Sauren Gurke ausgezeichnet worden. Die Medienfrauen sind Mitarbeiterinnen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands und Österreichs, und ihre Saure Gurke weist auf Sendungen hin, in denen Frauen „nur marginal erscheinen“.

Die Sendung berichtet etwa darüber, dass, so Arne Hoffmann in seinem oben verlinkten Text, „über 90 Prozent der tödlichen Arbeitsunfälle Männer betreffen“: Ist es wirklich das wesentliche Problem der Medienfrauen, so überlegte ich, dass dieser Umstand Frauen marginalisiert? Glücklicherweise hatte ich die Gelegenheit, eine Vertreterin der Organisation zu interviewen und ihr solche Fragen gleich selbst stellen zu können.

Nun hat allerdings die tagesschau ja vor wenigen Tagen über das Phänomen des Mansplaining berichtet: Männer reden nicht nur ständig selbst, sondern hören auch nicht zu – und sie gehen davon aus, jeweils besser zu wissen als eine Frau selbst, was sie eigentlich sagen möchte. Wenn ich daher im nun folgenden Interview nicht nur die Fragen, sondern auch die Antworten selbst geschrieben habe, dann war mein Ziel dabei keineswegs, ein Interview zu faken. Ganz im Gegenteil: Es ging mir darum, gleichsam die Essenz des Interviews freizulegen und zu erklären.

Daher konnte ich auch antizipieren, dass die interviewte Medienfrau in einem Blog wie man tau zum Schutz ihres Rufs ihren Namen nicht preisgeben möchte. Selbstverständlich respektiere ich diesen Wunsch, so sehr ich ihn auch bedauere, und bezeichne meine Interviewpartnerin daher im Folgenden schlicht als „Medienfrau“.

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cucumber

Lucas Schoppe: Frau…., das erste Kriterium für Ihren Negativ-Preis der Sauren Gurke ist es, dass eine Sendung Frauen marginalisiere. Nun geht es in der von Ihnen so kritisierten Sendung unter anderem darum, dass 9 von 10 tödlichen Arbeitsunfällen Männer betreffen. Können Sie darin wirklich nichts anderes erkennen als eine Marginalisierung von Frauen?

Medienfrau: Um das einmal mit einem Zitat der neuen amerikanischen Präsidentin zu beantworten: Frauen sind die Hauptopfer dabei. Frauen verlieren ihre Ehemänner, ihre Väter, ihre Söhne. Diesen Zusammenhang aber macht die Sendung unsichtbar. Eine Frau steht zum Beispiel plötzlich vor dem Problem, die Miete bezahlen zu müssen, aber das dafür notwendige Einkommen nicht mehr zur Verfügung zu haben. Dieses Problem hat der Mann nicht.

Lucas Schoppe: Naja, weil er tot ist….

Medienfrau: Sicher, wenn Menschen sterben, sind sie hinterher in aller Regel tot. Aber vielleicht sollten wir diesen Zusammenhang auch einmal grundsätzlicher hinterfragen und uns überlegen, ob diesem Konzept nicht eine binäre Struktur zu Grunde liegt, die dem Leben in einer komplexen postmodernen Gesellschaft nicht gerecht werden kann.

Lucas Schoppe: Wir sind entweder am Leben, oder wir sind tot. Welche Möglichkeiten sehen sie denn noch?

Medienfrau: Wir können doch einfach erst einmal feststellen, dass wir die binäre Struktur lebendig-tot mit anderen Binarismen wie aktiv-passiv, mächtig-ohnmächtig, konstruktiv-verfallend etc. assoziieren. Das heißt, wir konstruieren diese binäre Struktur entlang einer Machtdifferenz, die wir aber kaschieren, indem wir sie naiv als ein biologisches Faktum hinstellen.

Nun gestehe ich gern ein, gestorbene Menschen werden zur Zeit noch als „tot“ in den Diskurs eingelesen. Wieso aber glauben Sie, dass dies nur Männer beträfe?

Sehen Sie, und das ist genau der Unterschied, auf den es mir ankommt: Männer tendieren dazu, alles allein aus ihrer Perspektive zu sehen. Das würde einer Frau so nicht passieren, deren Perspektive ist meist viel ganzheitlicher.

Lucas Schoppe: Umso schlimmer, tatsächlich, wenn Frauen in einer filmischen Darstellung nicht nur abwesend sind, sondern – wie Sie schreiben – zugleich „ihre Abwesenheit nicht thematisiert wird“. Noch das Verschweigen wird verschwiegen, sozusagen. Ist es da nicht gerade gut, dass der Filmbeitrag „eMANNzipation“ offensiv die Abwesenheit von Frauen in wichtigen Bereichen thematisiert, beispielsweise auf dem Bau oder bei der Arbeit in der Kanalisation – jeweils reinen Männerberufen?

Medienfrau: Die Frage ist doch: Welche Abwesenheit wird unsichtbar gemacht, indem diese sichtbar gemacht wird? Nun reden alle darüber, dass es keine weiblichen Kanalarbeiter*innen gibt – aber wer weiß schon noch, dass nur wenige Frauen in Aufsichtsräten sitzen?

Lucas Schoppe: Das wissen, glaube ich, so ziemlich alle, die auch nur mal zufällig über das Thema gestolpert sind. Die Frauenquote in Aufsichtsräten war und ist ja nun sehr offensiv und lange Thema in den Medien.

Medienfrau: Wir müssen uns allerdings fragen, ob nicht gerade diese monotone Thematisierung dazu beiträgt, das Thema zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen, es sozusagen in ein Hintergrundrauschen zu verwandeln. Gerade die Über-Exposition dieses Themas lässt sich als Strategie analysieren, die Anliegen von Frauen zu marginalisieren.

Lucas Schoppe: In dem von ihnen so kritisierten Beitrag sind Frauen jedenfalls unübersehbar, und sie sind nicht nur – wie Sie schreiben – „als Statistinnen im Bild zu sehen“, sondern werden auch befragt.

Medienfrau: Wenn wir genauer hinsehen, entdecken wir allerdings, dass Frauen befragt werden, die falsche Sachen sagen. Ganz offensichtlich werden sie von den Machern des Films instrumentalisiert, um Frauen zu verdecken, die so viel Richtiges und Wichtigeres zur Debatte beizutragen hätten.

Zwei Frauen beispielsweise sagen, dass Frauen Männern überlegen seien. Warum? Weil sie, ich zitiere, „Möpse“ hätten. Das ist frauenfeindlich, weil es Frauen über ihren Körper definiert. Es gibt beispielsweise auch Frauen, die keine Brüste haben. Sind die Männern etwa nicht überlegen?

Lucas Schoppe: Nun spielt Ihr Preis, die Saure Gurke, natürlich auch auf körperliche Attribute von Männern an, sogar auf eine deutlich sexualisierte Weise. Ist das nicht auch zu kritisieren?

Medienfrau: Ach, wissen Sie, Männer haben jahrtausendelang Witze über Geschlechtsteile von Frauen gemacht – da regen Sie sich dann wirklich über solch einen milden Scherz auf? Ist das Ihr Ernst?

Lucas Schoppe: Also, ich zum Beispiel habe hier schon ein paar hundert Artikel geschrieben, und ich bin mir ganz sicher, noch nicht ein einziges Mal Witze über weibliche Geschlechtsorgane gerissen zu haben.

Medienfrau: Die Männer, die sich über die „Gurke“ aufregen, tun das jedenfalls normalerweise, weil sie bei dem Thema ohnehin Komplexe haben. Die meisten Männer, die ich kenne, gehen damit souverän um.

Lucas Schoppe: Was verstehen Sie unter „souverän damit umgehen“?

Medienfrau: Sie halten die Klappe.

Lucas Schoppe: Sie kritisieren Filme, in denen „Rollenstereotype (…) weitergereicht und verstärkt werden“. Eben das macht der Film eMANNzipation ja nicht. Er fordert zum Beispiel, dass mehr Männer in Kindergärten arbeiten sollten, und kritisiert es scharf, wenn Väter von Müttern aus der Beziehung zu ihren Kindern herausgedrängt werden. Eine Interviewpartnerin, eine Feministin übrigens, sagt ausdrücklich, dass Väter nicht schlechter wüssten als Mütter, was für ihre Kinder gut ist. Warum unterstützen Sie das nicht?

Medienfrau: Wir müssen hier von der oberflächlichen Beschreibung wegkommen und einen Blick in die sozialen Tiefenstrukturen werfen. Der Film bestätigt tatsächlich das Stereotyp, dass es bei jedem sozialen Phänomen – was immer es auch sei – um Männer ginge. Hier zum Beispiel wird die Situation von Männern durch ein Opfernarrativ in den Vordergrund geschoben, obwohl Männer in Kindergärten nur marginal tätig sind und Frauen alle wesentliche Arbeit erledigen. Das ist absurd.

Lucas Schoppe: Aber das ist doch gerade das Problem, das der Film benennt: Dass Männer in der Kindergärten nur marginal vorkommen, durchaus auch zum Schaden der Kinder.

Medienfrau: Da sehen sie es: Kaum sind Männer in irgendeinem Bereich einmal nicht überrepräsentiert, geht sofort das Geschrei los. Da werden dann plötzlich Diskrimierungen entdeckt, anstatt ganz sachlich zu überlegen, ob es nicht auch gute Gründe haben könne, wenn Männer Kindern fern bleiben. Warum zum Beispiel sollte ein Mann Interesse daran haben, ein Kind zu wickeln und dabei die primären Geschlechtsorgane des Kindes freizulegen?

Lucas Schoppe: Das hängt womöglich damit zusammen, dass es keinen Sinn ergibt, dem Kind die Windel um den Kopf zu binden. Ich selbst habe unseren Sohn deutlich häufiger gewickelt, als es die Mutter getan hat, und mein Motiv war mir immer ziemlich deutlich: Ich wollte nicht gern, dass er in seinen eigenen Ausscheidungen liegt.

Medienfrau: Es wäre sicher interessant, hier nachzuhaken und einmal zu fragen, was genau Sie dabei empfunden haben, was Ihre tieferen Motive waren. Für den Moment aber reicht es, darauf hinzuweisen, dass Männer unreflektiert „Diskriminierung“ schreien, anstatt den sachlichen Dialog zu suchen. Auf eben diesen Dialog aber kommt es mir an.

Lucas Schoppe: Das ist ein gutes Stichwort. Ich habe Sie niemals belästigt, niemals in sozialen Medien oder sonst wo auch nur angeschrieben – trotzdem haben Sie mich auf Twitter geblockt, obwohl Sie mich doch gar nicht kennen. Warum?

Medienfrau: Warum sollte ich Sie blocken? Ich kenne Sie doch gar nicht.

Lucas Schoppe: Ja, ziemlich genau darum ging es mir  bei der Frage.

Medienfrau: Warten Sie mal – Sie wussten die ganze Zeit, dass ich Sie geblockt habe, dass ich ausdrücklich die Kommunikation mit Ihnen nicht wünsche – und Sie führen trotzdem ein Interview mit mir? Ich muss nachträglich dieses ganze Gespräch als einen Akt der Gewalt bewerten.

Lucas Schoppe: (versucht schnell, das Thema zu wechseln) Zum Abschluss dann: Gibt es irgendein Ausmaß an Blödheit oder an stumpfer Menschenfeindlichkeit, das einen Menschen für das von Ihnen so gewünschte „geschlechter-demokratische“ Gespräch disqualifizieren würde?

Medienfrau: Ach, wissen Sie, Männer konnten über Jahrtausende hinweg so blöd oder stumpf menschenfeindlich sein, wie sie nur wollten, und haben trotzdem Geschlechterdebatten führen können. Es ist höchste Zeit, dass die Frauen nachziehen.

Lucas Schoppe: Dann danke ich Ihnen für Ihr Engagement bei der Erreichung dieses wichtigen Zieles, und natürlich für das Gespräch.


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