Quantcast
Channel: man tau
Viewing all articles
Browse latest Browse all 356

Abschied von den Menschenrechten

$
0
0

Über die Ähnlichkeiten linker und rechter Identitätspolitik

„Ist das hier der Platz, an dem ich meinen Senf dazugeben sollte? Oder sollte ich an der Seite stehen und meinen Mund halten?“  (1)

Der weiße Rapper Macklemore beginnt seinen über acht Minuten langen Song „White Privilege II“  (die englischen Originalpassagen daraus unten im Anschluss an den Text) mit der Beschreibung einer Demonstration von Schwarzen, an der auch er teilnimmt. Die Zweifel, die er in dieser Situation hat, durchziehen den gesamten Text. „Schaue ich von außen herein, oder sehe ich von innen nach draußen?“ (1)

Er gehört nicht dazu, ist kein Schwarzer, macht aber eine schwarze Musik und ist damit auch noch erfolgreich: In seinen Augen ist er selbst damit ebenso Produkt einer „Vorherrschaft der Weißen“ (white supremacy) wie Darren Wilson, der weiße Polizist, der 2014 den achtzehnjährigen unbewaffneten Schwarzen Michael Brown erschossen hatte. (2)

Damit bleibt das Problem aus seinem ersten Lied zum Thema, „White Privilege“ aus dem Jahr 2005, bestehen: Eine „kulturelle Inbesitznahme“ (cultural appropriation) sei das, was er als Weißer mit der Musik der Schwarzen mache. Die Weißen  könnten von der Musik profitieren, ohne die dazugehörige Last tragen zu müssen, ein Schwarzer in einem weißen System zu sein.

Zu schweigen sei für Weiße aber ebenfalls keine Lösung des Dilemmas, weil eben auch die Möglichkeit, angesichts des Rassismus zu schweigen, Ausdruck eines weißen Privilegs sei („Your silence is a luxury, Hiphop is not a luxury“, White Privilege II).

Mehr noch: Natürlich kann auch eben diesen zerquälten, überlangen Überlegungen Macklemores der Vorwurf gemacht werden, dass er sich hier in den Vordergrund spiele – dass er einen Erfolg mit einem Thema habe, das weniger erfolgreich, aber auch wesentlich authentischer schon schwarze Künstler vor ihm angesprochen hätten – dass er sich gar anmaße, als Weißer für die People of Color zu sprechen, und damit sein Privileg nur zementiere, das er zu erschüttern vorgebe.

Macklemore begibt sich also in die Situation des Hasen in dem Märchen vom Hasen und dem Igel – wohin immer er sich auch wendet, ist sein Privileg immer schon da. Dass das, was er sagt, so grundlegend und unheilbar fragwürdig ist, liegt jedoch nicht etwa daran, dass es nicht ausreichend reflektiert wäre, dass es in sich nicht schlüssig wäre oder im Widerspruch zu längst anerkannten Erkenntnissen stünde. Es liegt überhaupt nicht an dem, was er sagt, sondern an dem, was er ist: ein Weißer eben. Was er ist, bestimmt sich daher wiederum nicht an seiner Person oder an seinen individuellen Eigenschaften, sondern allein an seiner Gruppenzugehörigkeit.

privilege

Das sind Positionen einer politischen Bewegung in den USA, zunehmend auch in Europa, deren Stimmen Macklemore in vielen Sound-Schnipseln – einschließlich des Präsidenten Barack Obama – in seinen Song einbaut. Bernie Sanders, dessen Ausbootung durch die demokratische Partei Trumps Wahlsieg einleitete, hat ihre Politik eben gerade scharf angegriffen. Es ist eine Bewegung, die sich in ihrem Gestus des Einsatzes für Minderheiten ausdrücklich als „links“ versteht, die aber irritierende Ähnlichkeiten hat mit einer Bewegung, die sich zugleich auf der rechten Seite des politischen Spektrums entwickelt.

 

Was haben hier eigentlich ein paar alte weiße Männer aus Düsseldorf zu suchen?

„Nun gibt es Menschen, die behaupten, die Kritik an kultureller Aneignung sei identitär und bediene sich rechter Rhetorik, weil sie die Differenzen von Herkunft betont. Auch von ‚Ethnopluralismus’ ist die Rede. Aber Ethnopluralismus, also das Einfordern ‚reiner’ Kulturen, und die Kritik an kultureller Aneignung sind nicht dasselbe.“

In der taz setzt sich Hengameh Yaghoobifarah schon mit dem naheliegenden Eindruck auseinander, dass der Widerstand gegen eine Vermischung schwarzer und weißer Kultur zwar links daherkomme, aber tatsächlich große Ähnlichkeiten mit politisch rechten Phantasien kultureller Reinheit habe.

Wie sollte eine Gesellschaft aus verschiedenen Kulturen auch so etwas wie einen Zusammenhalt entwickeln können, wenn diese Kulturen nicht vieles voneinander übernehmen, wenn nicht diese Übernahmen ihrerseits zurückgespiegelt würden und so verwandelt erneut die Kultur beeinflussten, aus der sie ursprünglich kamen? Gerade die populäre Kultur ist traditionell voll solcher Prozesse der Hin- und Her- und Zurückspiegelungen. Der amerikanische Hiphop zum Beispiel, von Macklemore als eine authentisch schwarze Kultur beschreiben, ist immer wieder ausgerechnet von einer Düsseldorfer Gruppe weißer alter Männer beeinflusst worden.

„Out on the edges they’re mixin the colors / …/ No one seems to claim for / The race war games / ‘cause you don’t have to choose sides” 

Was Iggy Pop noch 1993 gelassen und hoffnungsvoll in Mixin the Colors als „Ende der Spiele mit dem Rassenkrieg” beschrieb, wird heute ausgerechnet von Aktivisten angegriffen, die sich als „links“ verstehen.

diversities

Für Yaghoobofirah aber geht es, so ihr Selbstverständnis, „nicht um Verbote und Reinheit, sondern um Macht und darum, wie sie verteilt ist.“ Wenn ein Schwarzer auf Elemente einer weißen Kultur zurückgreift, ist das in dieser Logik ein subversiver Akt. So ironisch beschreibt sich etwa die englischsprachige Literatur ehemals britisch kolonisierter Länder mit einem Zitat von Salman Rushdie: „The empire writes back“. 

Wenn aber Weiße auf eine schwarze Kultur zurückgreifen, steht das bei Yaghoobofirah schlicht als Fortsetzung kolonialer oder rassistischer Ausbeutung da. Diese einfache Unterscheidung ist trügerisch.

Tatsächlich nämlich wird hier das Konzept der Macht biologistisch an die Idee der Rasse geknüpft, so wie in heutigen feministischen Modellen Macht biologistisch an die Geschlechtszugehörigkeit geknüpft wird. Die Argumentation verbindet so rassische oder sexistische Konzepte mit Konzepten einer traditionell linken Herrschaftskritik, bleibt dabei aber so betont im Vagen und Allgemeinen, dass sie für eine Analyse sozialer oder politischer Herrschaftsstrukturen unbrauchbar ist.

In absoluten Zahlen sind Weiße in den USA stärker von Armut betroffen als Latinos oder Schwarze –  dass der prozentuale Anteil der Armen unter den Weißen kleiner ist als der Anteil der Armen unter den Latinos oder den Schwarzen, ist den vielen weißen Betroffenen natürlich keine Hilfe. Wer als Weißer arbeitslos ist und vielleicht Freunde in der Heroinepidemie der weißen ländlichen Mittelschicht verloren hat, der wird es vermutlich als arroganten Realitätsverlust wahrnehmen, wenn ihn junge Studenten an teuren Colleges zur Reflexion seiner Privilegien und seiner Herrschaftsposition auffordern.

Der routinierte und systematisch diffuse Hinweis auf Machtverhältnisse ist so nur ein kurzer Umweg, um im Rahmen einer linken Identitätspolitik zu einer klassischen, rassisch oder sexistisch grundierten Gruppenmoral zurückzukehren. Menschenrechte sind hier gerade nicht allgemein gültig, sondern werden je nach Gruppenzugehörigkeit relevant – und sind damit keine Menschenrechte mehr. Eben in dieser Hinsicht hat diese Politik dann eben auch deutliche Gemeinsamkeiten mit einer rechten Politik der „Identitären“.

 

Wir sind gut, weil wir wir sind – und andere Mysterien identitären Denkens

Rechte Identitäre versuchen, sich durch das Konzept des „Ethnopluralismus“ von traditionellen Rechten – Nationalisten, Neonazis, Rassisten – abzugrenzen. Alle Ethnien und Kulturen seien prinzipiell gleich gewichtig und gleich anerkennenswert – aber eben auf ihrem traditionellen Gebiet. Ich habe nichts gegen Fremde, solange sie dort bleiben, wo sie hingehören.

methusalix

Auch dieser Rückgriff auf Ideen des Pluralismus und der Gleichberechtigung aber ist gleichsam nur eine kurze Stippvisite in eine Logik des Universalismus und der allgemeinen Menschenrechte, von der aus das identitäre Denken dann entschlossen in eine Gruppenmoral zurückkehren kann.

Gleichberechtigt sind hier eben nicht Individuen, sondern Kulturen und Ethnien. Auch in diesem Denken gewinnen Einzelne ihre Identität und ihren Wert erst als Angehörige bestimmter Gruppen.

Zudem ist auch diese Gleichberechtigungsrhetorik trügerisch. Im kulturrelativistischen Denken gibt es ja gerade keine universelle Perspektive außerhalb einzelner Kulturen. Gültig ist jeweils nur die Perspektive einer bestimmten Kultur, die eben nicht mit der Perspektive einer anderen Kultur verschaltet werden soll. Das bedeutet in der Konsequenz: Für jeden Menschen sei eben nur die Perspektive der eigenen Kultur gültig – und wenn er etwas anderes glaube, dann betrüge er sich selbst.

Wer davon ausgeht, dass Wahrheit allein eine Frage der Perspektive ist, der muss – da er ja schon im Alltag nicht umhin kommt, irgendwie gültige Aussagen über die Wirklichkeit zu treffen – entscheiden, welche Perspektive die gültige ist und welche nicht. Der „Ethnopluralismus“ fällt so in einer bloßen Tautologie zusammen: Das Eigene sei eben deshalb gültig, weil es das Eigene ist.

Das linke identitäre Denken kollabiert in eben derselben Tautologie. Hier sind es ja die Perspektiven der „Mächtigen“, der „Privilegierten“, die entwertet werden, und gültig sind die Perspektiven derjenigen, die als ohnmächtig, unterprivilegiert und marginalisiert dastehen. Von wo aus aber kann denn eigentlich gültig entscheiden werden, wer die privilegierten Herrscher und wer die Opfer sozialer Verhältnisse sind?

Diese Entscheidung können natürlich, da ihre Perspektive die ausschlaggebende ist, allein diese Opfer selbst treffen. Auch hier ist also schließlich die eigene Perspektive gerade deshalb gültig, weil es eben – die eigene ist.

 

Warum es destruktiv ist, nicht wir zu sein

Dass linke und rechte identitäre Ansätze jeweils in Tautologien zusammenfallen, ist kein Zufall. Eine sichere Identität wird hier ja eben gerade durch einen verbissenen Selbstbezug gewonnen. Keine Rede mehr davon, dass ein solcher Selbstbezug – so eine zivile Kernidee George Herbert Meads, die Jürgen Habermas wieder aufgegriffen hat – überhaupt erst dadurch möglich wird, dass wir die Perspektiven anderer auf uns nachvollziehen.

nein-heisst-nein

Von der vielseitigen Verwendbarkeit tautologischer Slogans….

Identität wird hier auch nicht möglich dadurch, dass Menschen ihren Platz in einer sozialen Ordnung beschreiben, sondern durch die radikale Abkehr von dieser Ordnung und von ihren Diskursen.

Für linke Identitäre ist der herrschende Diskurs von Machtstrukuren durchzogen, die durch die Teilnahme an ihm lediglich reproduziert würden. Das ist zum Beispiel eines der wesentlichen Probleme Macklemores: Seine Perspektive sei, da sie die eines Weißen ist, in das herrschende System perfekt eingepasst („America feels safe with my music in their systems“). Sinnvoll dagegen kann hier nur die Störung des Diskurses durch „Interventionen“  sein.

„Unser Ziel ist keine Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform.“

Auch für die rechten Identitären ist der allgemeine Diskurs schlicht ein Instrument eben jener Macht, gegen die sie sich wenden. Das ist keine konkrete Medienkritik, für die es ja überaus gute Gründe geben kann – sondern eine prinzipielle Ablehnung, basierend auf der Phantasie, sich selbst außerhalb der bestehenden Ordnungen zu bewegen.

Eben durch diese Verweigerung der Perspektivübernahme, des Wechselspiels in der offenen Diskussion und des Respekts vor den Perspektiven anderer werden Positionen undemokratisch und inhuman, die prinzipiell ja durchaus nachvollziehbar sind. Es ist immerhin ja völlig verständlich, oft gewiss auch human und mitfühlend, wenn Menschen sich mit Angehörigen unterdrückter, ausgegrenzter und benachteiligter Gruppen identifizieren. Es ist ebenso völlig verständlich und naheliegend, wenn Menschen sich angesichts von Globalisierung und multikultureller Gesellschaft fragen, was denn eigentlich bei alledem aus ihrer eigenen Kultur werde.

Solche Positionen aber werden zum bloßen Ressentiment, wenn sie sich aus der allgemeinen Diskussion abschotten, wenn sie andere Perspektiven entwerten und wenn sie schließlich im identitären Selbstbezug den Sinn dafür zerstören, dass Menschen sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven jeweils auf eine allen gemeinsame Wirklichkeit beziehen.

 

Wie wird man eigentlich diese Realität los?

Die Machtunterstellungen der linken Identitären sind so für eine Analyse realer sozialer Herrschaft ebenso ungeeignet, wie es die rechtsidentitären Schreckensbilder des „großen Austauschs“ für die Analyse von Strukturen und Problemen der Massenmigration sind. Das ist der Kern identitären Denkens, ob es nun in rechten oder linken Varianten daherkommt: Es geht darin niemals um eine Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Realititäten, weil diese Auseinandersetzung unweigerlich die Reinheit des Selbstbezugs irritieren würde.  An der realen sozialen Situation ist jeweils nur das interessant, was sich zur Identitätsgewinnung im Selbstbezug heranziehen lässt.

fantasy-639115_960_720

Wenn Identitäre über „Macht“  – von links etwa über das Patriarchat, von rechts über die Kulturzerstörung – sprechen, dann reden sie damit niemals über reale soziale Herrschaftsstrukturen, die sie gar distanziert und unvoreingenommen analysieren würden.

Bei aller Verbissenheit des leeren, tautologischen Selbstbezugs bleibt gleichsam in den Augenwinkeln eine Wahrnehmung, die sich nicht restlos verscheuchen lässt: die Ahnung nämlich, dass außerhalb dieses Selbstbezugs und unbeeindruckt davon weiterhin eine reale gemeinsame Welt existiert, deren Anforderungen auf Dauer nicht sinnvoll ignoriert werden können. Macht ist hier einfach eine Chiffre für diese Welt, deren bloße Existenz die Reinheit der leeren identitären Spiegelungen beständig zu stören droht.

 

Die Herrlichkeit Hillarys und die Notwendigkeit des Opfers

Die Entkopplung von der Realität erlaubt dabei eine unendliche Idealisierung des Eigenen. Für rechte Identitäre kann die deutsche Kultur so wieder, ganz ungebrochen, als Garant von Menschlichkeit und Zivilität erscheinen.

Ins Absurde steigerte sich soeben nach der Wahlniederlage die linksidentitäre Verherrlichung Hillary Clintons.  Die Journalistin Virginia Heffernan beschreibt Clinton in Lena Dunhams Lenny Letter, ganz ironiefrei, als „das Licht selbst“ (light itself) und beharrt darauf, dass sie in ihrem Wahlkampf alles richtig gemacht habe, dass ihr kein einziger Fehler vorzuwerfen sei.  Fast dieselben Worte benutzt, unabhängig davon, der Journalist Michael Seemann in Deutschland:

„Sie hat keinen einzigen Fehler gemacht. Es war eine perfekte Kampagne. (…) Hillary war top. Sie war perfekt.”  

Es ist offensichtlich, dass es bei diesen Unfehlbarkeitsmythen nicht um eine auch nur irgendwie angemessene Auseinandersetzung mit politischen Realitäten geht, sondern darum, idealisierende Phantasien aufrecht zu erhalten.

hilary_clinton_quote-1

Make Hillary great again: Kühne Träume aller Mädchen erfüllen – alles werden, was wir wollen – und nebenbei mal kurz die Präsidentschaftswahl gewinnen: Könnte es vielleicht sein, dass etwas weniger Multitasking manchmal besser ist? Quelle

Mit dieser rückhaltlosen Idealisierung des Eigenen ist fast notwendig ein Kult des Opfers verbunden. Schließlich muss irgendwie erklärt werden, warum die Heilsbringer notorische Lieferschwierigkeiten bei der Zustellung des versprochenen Heils haben – warum also die Welt trotz solch perfekter Wesen noch immer nicht perfekt ist. Die naheliegende Antwort: Die Guten seien von ihren Feinden daran gehindert worden, die Welt wirksam zu bessern.

In der Wahlniederlage erscheint Clinton so als Inbegriff der mutigen, aufrechten Frau, die an einem unbarmherzigen patriarchalen System gescheitert sei. Wieder und wieder führen ihre Unterstützer die Wahlniederlage nicht auf Fehler Clintons (Fehler? Welche Fehler?), sondern auf  Frauenhass zurück. Lena Dunham selbst erlebt die Wahlniederlage nicht als eine selbstverständliche Möglichkeit demokratischer Verfahren, sondern als eine Vergewaltigung („and I ached in the places that make me a woman“).

Der pathetische Kult des Opfers ist auch wesentlicher Bestandteil rechter identitärer Phantasien. Europa sterbe, hingemeuchelt durch skrupellose Globalisierungspolitiker, welche europäische Länder mit muslimischen Migranten überschwemmten und das Konstrukt der multikulturellen Gesellschaft zur Zerstörung jahrtausendealter Kulturen benutzten.

Unter den Muslimen aber sind die eigentlichen Feinde für die rechten Identitären nicht etwa gewalttätige Islamisten – denn die haben ja ihrerseits das Ziel, ihre Kultur rein zu erhalten. Der eigentliche Feind sind eben die Muslime, die versuchen, die Traditionen ihrer Religion mit den Traditionen einer europäischen Aufklärung zu verknüpfen – und die von Rechten ebenso bekämpft wie von Linken allein gelassen werden.

 

Wie Linke Rechten auf die Beine helfen

In der selbstbezüglichen Logik der rechten wie der linken Identitären kann das politisch Gute eben nicht die bessere, gerechtere Vermittlung unterschiedlicher Perspektiven und Interessen sein, denn diese Vermittlung wäre jeweils ja nur eine Kontamination des eigenen Idealen mit dem fremden Schlechten. Was den rechten Identitären der große Austausch, das ist den linken Identitären die cultural appropriation.

Das politisch Gute kann  in diesen Perspektiven jeweils nur durch das Ausschalten des Feindes hergestellt werden.

Die Auswahl der Feindbilder ist denn auch der wesentliche Unterschied zwischen linken und rechten Identitären: Weiße, Männer, Heterosexuelle auf der einen, Muslime und Multikulturalisten auf der anderen Seite. Wenn beide sich auf die Feindbilder der anderen Seite beziehen, dann wiederholen sie diese lediglich in anderer Färbung und Wertung.

Die pauschale Abwertung europäischer Muslime von rechts spiegeln Linke in deren ebenso pauschaler und unkritischer Idealisierung zurück. Der Verdammung der Weißen von links begegnen Rechte durch eine Verherrlichung der europäischen Kultur. Jeweils ist es völlig unwichtig, wie gut oder schlecht diese Bilder zufällig mit der Realität übereinstimmen – entscheidend ist jeweils nur, die eigene Bilderwelt ungestört erhalten zu können.

Die Verschiedenheit der Feindbilder allerdings hat noch einen anderen wesentlichen Unterschied zur Folge. Da die Ressentiments der Linksidentitären, noch, wesentlich salonfähiger sind als die der Rechtsidentitären, ist ihre Position in Medien, Parteien und anderen Institutionen wesentlich stärker. Ein Beispiel war die feministische ausnahmslos-Kampagne einige Wochen nach den massiven sexuellen Übergriffen durch Migranten in der Silvesternacht. Eine simple Veränderung des Feindbildes – statt allen muslimischen Männern standen nun schlicht alle Männer als potenzielle Vergewaltiger da – wurde von den beteiligten Massenmedien und Ministerien sogleich distanzlos als wesentlicher Beitrag zur Zivilisierung der Debatte gefeiert.

Durch die Förderung der Feindbilder linker Identitärer aber werden die Feindbilder der rechten Identitären eben nicht bekämpft, sondern ihrerseits befördert. Diese Bilder lassen sich schließlich in die eine Richtung ebenso leicht übersetzen, wie sie in die Gegenrichtung zurückübersetzt werden können.

angel-1632265_960_720

Es ist möglich, dass diese Haltung als politische Position mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, die auf den ersten Blick schwer zu erkennen sind.

Wer erst einmal die verrückte Idee etabliert hat, es ginge in Politik und Gesellschaft wesentlich um eine Auseinandersetzung zwischen Liebe (wir) und Hass (die anderen) – der schafft eben auch die Voraussetzung dafür, dass dieses infantile Freund-Feind-Denken auch von ganz anderen politischen Akteuren neu besetzt werden kann.

 

Dies ist das englischsprachige Original der oben zitierten Macklemore-Passagen:

(1) Am I in the outside looking in, or am I in the inside looking out?
Is it my place to give my two cents
Or should I stand on the side and shut my mouth?

(2) White supremacy protects the privilege I hold
White supremacy is the soil, the foundation, the cement and the flag that flies outside of my home
White supremacy is our country’s lineage, designed for us to be indifferent
My success is the product of the same system that let off Darren Wilson.


Einsortiert unter:Medien, Politik

Viewing all articles
Browse latest Browse all 356